Verfahrensgang
LG Landau (Pfalz) (Beschluss vom 01.02.2001; Aktenzeichen 1 Qs 206/00) |
LG Essen (Beschluss vom 22.01.2001; Aktenzeichen 27 Qs-1/01) |
AG Kandel (Beschluss vom 17.08.2000; Aktenzeichen Gs 228/00) |
AG Hattingen (Beschluss vom 21.07.2000; Aktenzeichen 19 Gs 115/00) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde-Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die Beschlüsse des Amtsgerichts Kandel vom 17. August 2000 – Gs 228/00 – und des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 1. Februar 2001 – 1 Qs 206/00 – verletzen den Beschwerdeführer zu 2. in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Kandel zurückverwiesen.
Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer zu 2. die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die richterliche Anordnung der Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren nach § 2 DNA-IfG i.V.m. § 81 g Abs. 1 StPO.
I.
1. a) Auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 14. Juli 2000 ordnete das Amtsgericht Hattingen mit Beschluss vom 21. Juli 2000 die Entnahme einer Blutprobe des Beschwerdeführers zu 1. und deren molekulargenetische Untersuchung zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters an. Anlass dafür war eine Verurteilung vom 26. Mai 1993 wegen fortgesetzten sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und mit Wirkung vom 18. August 1997 erlassen worden war. Das Amtsgericht war der Ansicht, die Feststellung dieser Straftat gebe Grund zu der Annahme, gegen den Beschwerdeführer zu 1. seien künftig erneut Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne der in § 81 g Abs. 1 StPO genannten Delikte zu führen.
b) Hiergegen legte der Beschwerdeführer zu 1. Beschwerde ein, die er vor allem damit begründete, dass sich weder aus dem Antrag der Staatsanwaltschaft noch aus dem amtsgerichtlichen Beschluss ergebe, aus welchen konkreten Tatsachen eine entsprechende Gefahr in der Zukunft folge. Allein der Hinweis auf die strafgerichtliche Verurteilung reiche nicht aus, zumal eine Bewährungsstrafe ausgesprochen worden sei und ein etwaiges Bewährungsversagen nicht einmal behauptet werde.
c) Mit Beschluss vom 22. Januar 2001 verwarf das Landgericht Essen die Beschwerde als unbegründet. Der Beschwerdeführer zu 1. sei wegen einer Katalogtat verurteilt worden. Auch bestehe eine negative Zukunftsprognose, weil Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass gegen den Beschwerdeführer zu 1. künftig Strafverfahren wegen der genannten Katalogtaten geführt werden könnten. Dafür sei die Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr nicht erforderlich, es reiche ein einfacher Anfangsverdacht aus, der im vorliegenden Fall allein aus der früheren Tatbegehung herzuleiten sei. Obgleich es sich bei dem Urteil vom 26. Mai 1993 um die einzige Verurteilung des Beschwerdeführers zu 1. handele, bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beschwerdeführer zu 1. im Falle von Ermittlungen wegen einer derartigen Straftat in den Kreis der Verdächtigen einbezogen werde, da dies die kriminalistische Erfahrung unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls geböte.
Bei dieser Bewertung verkenne die Kammer nicht, dass dem Beschwerdeführer zu 1. seinerzeit eine Bewährungsstrafe eingeräumt worden sei, er die Bewährungschance genutzt habe und offenbar auch nach Ablauf der Bewährungszeit bisher nicht straffällig geworden sei. Es könne aber nicht übersehen werden, dass sich die damaligen Taten aus einer bestimmten Gelegenheitskonstellation ergeben hätten. Den Urteilsfeststellungen lasse sich entnehmen, dass das Opfer der Taten einer Familie zugehörig war, mit der ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis gepflegt worden sei; insofern habe der Beschwerdeführer zu 1. ein gewisses Vertrauens- und Näheverhältnis zur Begehung der Tat ausgenutzt. Vor diesem Hintergrund könne eine Wiederholungsgefahr bei einer gleich gelagerten Sachlage nicht völlig ausgeschlossen werden. Bei einer Abwägung der für und gegen eine Anordnung sprechenden Umstände müsse zudem berücksichtigt werden, dass die Maßnahme weder gesundheitliche Gefahren noch Kosten mit sich bringe und den Beschwerdeführer zu 1. auch nicht unverhältnismäßig benachteilige. Die Interessen der Gesellschaft an effektiver Aufklärung der Katalogtaten und damit die Rechte potentieller Opfer überwögen das Interesse des Beschwerdeführers zu 1. an informationeller Selbstbestimmung. Außerdem könne die DNA-Kartei auch zur Entlastung des Beschwerdeführers zu 1. dienen.
2. a) Auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 12. Juli 2000 ordnete das Amtsgericht Kandel mit Beschluss vom 17. August 2000 die Entnahme einer Blutprobe des Beschwerdeführers zu 2. und deren molekulargenetische Untersuchung zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters an. Anlass dafür war eine Verurteilung vom 19. September 1997 wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Freiheitsberaubung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und mit Beschluss vom 4. Oktober 2000 erlassen wurde. Das Amtsgericht war der Ansicht, der Beschwerdeführer zu 2. habe eine Katalogtat gemäß der Anlage zu § 2 c DNA-IfG begangen; sie sei auch erheblich, da das erkennende Gericht die Vorgehensweise des Beschwerdeführers zu 2. als „üble, brutale Weise der Selbstjustiz” gekennzeichnet habe. Nach den sich aus der Verurteilung ergebenden Umständen der Tat und nach der erkennbaren Persönlichkeit des Beschwerdeführers zu 2. fehlten Anhaltspunkte, dass es sich um eine auf eine ganz besondere Lebenssituation zurückzuführende, einmalige Entgleisung gehandelt habe. Es bestünden Gründe für die Annahme, dass gegen den Beschwerdeführer künftig erneut Strafverfahren wegen der in § 81 g StPO genannten Straftaten zu führen seien. Die Anordnung sei angesichts der erheblichen Bedeutung der von dem Beschwerdeführer zu 2. begangenen Tat nicht unverhältnismäßig.
b) Hiergegen legte der Beschwerdeführer zu 2. Beschwerde ein, die er vor allem damit begründete, dass es sich bei der Straftat um eine einmalige Entgleisung gehandelt habe. Er sei insoweit zuvor noch nicht, aber auch in der Folgezeit nicht aufgefallen, die Bewährungszeit sei abgelaufen. Deshalb greife die getroffene Anordnung unverhältnismäßig in seine Persönlichkeitsrechte ein.
c) Mit Beschluss vom 1. Februar 2001 verwarf das Landgericht die Beschwerde ohne weitere Begründung aus den auch gegenüber dem Beschwerdevorbringen „zutreffenden Gründen” der angefochtnen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
II.
1. a) Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer zu 1. die Verletzung seines Rechts auf körperliche Unversehrtheit, einen Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot und das Rechtsstaatsprinzip. Die angegriffenen Entscheidungen seien mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 2000 nicht in Einklang zu bringen. Die Gerichte hätten die erforderliche Sachverhaltsaufklärung durch Beiziehung der Vollstreckungsakten und des Bewährungshefts unterlassen. Das Amtsgericht beziehe sich allein auf den Bundeszentralregisterauszug und leite aus der einzigen dort nachgewiesenen Verurteilung die Berechtigung des Eingriffs ab. Das Landgericht habe seine Entscheidung zwar ausführlicher begründet, die Anordnung aber letztlich auch nur wegen des vorangegangenen Strafverfahrens bestätigt. Ergänzend habe es seine Einschätzung auf ein nicht näher spezifiziertes Näheverhältnis gestützt, ohne sich damit auseinander zu setzen, dass seit der Verurteilung fast acht Jahre vergangen seien und sowohl während der Bewährungszeit als auch anschließend keinerlei strafrechtlich relevante Auffälligkeiten mehr zu verzeichnen gewesen seien. Das Landgericht habe keine Tatsachen angeführt, aus denen sich entgegen der Ansicht des verurteilenden Amtsgerichts im Jahre 1993 heute eine ungünstige Sozialprognose ergeben könne. Insoweit hätte es ohnehin eines erhöhten Begründungsaufwands bedurft, weil sich die damalige günstige Prognose des Tatrichters bestätigt habe. Bei dem vom Landgericht herangezogenen Nachbarschaftsverhältnis, aus dem die Tat entstanden sei, handele es sich nicht um eine Tatsache, die eine konkrete Möglichkeit einer Tatwiederholung aufzeige. Es habe über einen Zeitraum von acht Jahren derartige Vorfälle nicht gegeben, im Übrigen wohne er nicht mehr unter der angegebenen Adresse. Eine konkrete Wiederholungsgefahr habe das Landgericht damit nicht dargelegt, ein einfacher Tatverdacht aber reiche für die angeordnete Maßnahme nicht aus.
b) Das Land Nordrhein-Westfalen hat von der Möglichkeit einer Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.
2. a) Mit der Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer zu 2. einen schwerwiegenden Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht geltend. Die angegriffenen Entscheidungen seien mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 2000 nicht vereinbar. Es fehle hinsichtlich des amtsgerichtlichen Beschlusses an einer tragfähig begründeten Entscheidung. Zwar könne es sein, dass das Gericht die notwendige Sachaufklärung betrieben habe; das Amtsgericht habe es jedoch unterlassen, auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse eine auf den Einzelfall bezogene Abwägung der Entscheidung zu treffen. So habe sich das Amtsgericht nicht damit auseinander gesetzt, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Auch sei es nicht darauf eingegangen, dass der Beschwerdeführer jetzt in geregelten Verhältnissen lebe und keinen Kontakt mehr zu den Personen habe, mit denen er damals straffällig geworden sei. Hätte das Amtsgericht auf dieser Grundlage eine fundierte Sozialprognose erstellt, dann hätte es festgestellt, dass er künftig nicht erneut straffällig werde. Das Landgericht habe die Ausgangsentscheidung des Amtsgerichts lediglich mit einem Satz bestätigt.
b) Das Land Rheinland-Pfalz hat zu den Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde nicht konkret Stellung genommen; es hat aber darauf hingewiesen, dass in einigen Bundesländern eine DNA-Identifizierung auch durchgeführt werde, wenn der Betroffene auf Anfrage der Polizei darin eingewilligt habe. Dies führe dazu, dass in diesen Fällen, in denen es weder eine richterliche noch eine staatsanwaltschaftliche Prüfung gebe, die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an eine umfassende Sachaufklärung ins Leere gingen, da den Polizeibehörden vielfach gerichtsverwertbare Erkenntnisse zum Verfahren, den Vorstrafen des Betroffenen sowie zum aktuellen Vollstreckungsstand fehlen dürften. Nach vorliegenden Erkenntnissen in den Ländern mit „Freiwilligkeitslösung” seien bis zu 80 % der bisher in der DNA-Analysedatei eingestellten Datensätze auf dieser „freiwilligen” Basis erhoben worden; dieser Aspekt der praktischen Umsetzung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes könne bei einer Gesamtbewertung richterlicher Entscheidungen nach § 2 DNA-IfG von Bedeutung sein.
III.
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen entschieden sind. Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers zu 1. angezeigt (§ 93a Abs. 1 Buchstabe b BVerfGG); denn seine Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
Dagegen nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2. zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung seiner Rechte angezeigt ist. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer ergebenden Weise offensichtlich begründet; die für die Beurteilung maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Gerichte des Ausgangsverfahrens haben die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG grundlegend verkannt.
1. Die Feststellung, Speicherung und (künftige) Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters greifen in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieses Recht gewährleistet die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪41 f.≫; 78, 77 ≪84≫). Diese Verbürgung darf nur in überwiegendem Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutz des öffentlichen Interesses unerlässlich ist.
Dem Schrankenvorbehalt für Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung trägt die gesetzliche Regelung in § 2 DNA-IfG i.V.m. § 81 g StPO ausreichend Rechnung (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 2000 – 2 BvR 1741/99 u. a. –, NJW 2001, S. 879). Sie bezweckt die Erleichterung der Aufklärung künftiger Straftaten von erheblicher Bedeutung und dient damit einer an rechtsstaatlichen Garantien ausgerichteten Rechtspflege, der ein hoher Rang zukommt (vgl. BVerfGE 77, 65 ≪76≫; 80, 367 ≪375≫). Die Gerichte sind allerdings bei der Anwendung und Auslegung des § 2 DNA-IfG gehalten, bei ihrer Entscheidung die Bedeutung und Tragweite des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, in das die Feststellung, Speicherung und Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters eingreifen, hinreichend zu berücksichtigen. Notwendig für die Anordnung der Maßnahme nach § 2 DNA-IfG ist, dass wegen der Art oder Ausführung der bereits abgeurteilten Straftat, der Persönlichkeit des Verurteilten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Vorausgesetzt ist als Anlass für die Maßnahme im Vorfeld eines konkreten Strafverfahrens eine Straftat von erheblicher Bedeutung, wobei das Vorliegen eines Regelbeispiels im Sinne von § 81 g Abs. 1 StPO nicht in jedem Fall von einer einzelfallbezogenen Prüfung der Erheblichkeit der Straftat entbindet. Gibt es etwa mit Blick auf milde Strafen oder eine Strafaussetzung zur Bewährung Hinweise aus den zu Grunde liegenden Strafverfahren auf das Vorliegen einer von der Regel abweichenden Ausnahme, muss die Entscheidung sich damit im Einzelnen auseinander setzen.
Die Prognoseentscheidung setzt von Verfassungs wegen voraus, dass ihr eine zureichende Sachaufklärung (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪309≫), insbesondere durch Beiziehung der verfügbaren Straf- und Vollstreckungsakten, des Bewährungshefts und zeitnaher Auskünfte aus dem Bundeszentralregister, vorausgegangen ist und die für sie bedeutsamen Umstände nachvollziehbar abgewogen werden. Dabei ist eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung, die auf schlüssigen, verwertbaren und in der Entscheidung nachvollziehbar dokumentierten Tatsachen beruht und die richterliche Annahme der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten von erheblicher Bedeutung belegt, erforderlich; die bloße Bezugnahme auf den Gesetzeswortlaut reicht nicht aus (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 2000 – 2 BvR 1741/99 u. a. –, NJW 2001, S. 879 f.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. März 2001 – 2 BvR 1841/00 u. a. –).
2. Diesem Maßstab genügen nur die den Beschwerdeführer zu 1. betreffende Anordnung der Entnahme von Körperzellen und ihre molekulargenetische Untersuchung zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters, nicht aber die von dem Beschwerdeführer zu 2. mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen.
a) Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 429/01
Es mag dahinstehen, ob die amtsgerichtliche Entscheidung den Anforderungen entspricht, die von Verfassungs wegen an die Anordnung und Begründung einer Maßnahme nach § 2 DNA-IfG i.V.m. § 81 g Abs. 1 StPO zu stellen sind. Jedenfalls der Beschluss des Landgerichts hält verfassungsrechtlicher Überprüfung stand.
Zutreffend stellt das Landgericht fest, dass der Beschwerdeführer zu 1. im Jahre 1993 wegen einer Katalogtat im Sinne von § 2 DNA-IfG i.V.m. § 81 g Abs. 1 StPO verurteilt worden ist; es lässt damit zumindest erkennen, dass es vom Vorliegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung ausgegangen ist.
Als verfassungsrechtlich unangreifbar erweist sich auch die landgerichtliche Begründung der für den Beschwerdeführer negativen Zukunftsprognose. Zwar legt das Landgericht seiner Prüfung einen unzutreffenden Ausgangspunkt zu Grunde, wenn es insoweit einen „einfachen Tatverdacht” genügen lassen will und den Nachweis einer konkreten Wiederholungsgefahr nicht für erforderlich hält. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2000 (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts – 2 BvR 1741/99 u. a. –, NJW 2001, S. 879 f.) klargestellt, dass eine Maßnahme nach § 2 DNA-IfG nur in Betracht kommt, wenn das Gericht zu der Annahme der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten von erheblicher Bedeutung gelangt. Wenn auch insoweit keine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall gefordert wird, so bedarf es danach doch regelmäßig positiver, auf den Einzelfall bezogener Gründe für die Bejahung einer Wiederholungsgefahr. Allein die auch vom Landgericht angestellte Erwägung, eine Wiederholungsgefahr könne nicht völlig ausgeschlossen werden, vermag den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht zu rechtfertigen (vgl. dazu Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 2000 – 2 BvR 1741/99 u. a. –, NJW 2001, S. 879 ≪881≫).
Trotz seines verfassungsrechtlich nicht unbedenklichen Ausgangspunkts kommt das Landgericht im Ergebnis zu einer verfassungsrechtlich tragfähigen Begründung einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Wiederholungsgefahr, weil es nicht ohne Weiteres von einem Tatverdacht ausgegangen ist, sondern diesen zusätzlich auf weitere Erwägungen gestützt und im Übrigen auch die für den Beschwerdeführer sprechenden Umstände in seine Abwägung einbezogen hat. Insbesondere der Hinweis des Landgerichts auf die besonderen Modalitäten der Tatbegehung bei der Anlasstat erweist sich als ein nachvollziehbarer und für die Prognose bedeutsamer Umstand, demgegenüber hier die tendenziell gegenläufige Bewährungsentscheidung, der Straferlass und der Zeitablauf seit der Tatbegehung in den Hintergrund treten konnten.
b) Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 483/01
Die gegen den Beschwerdeführer zu 2. nach § 2 DNA-IfG i.V.m. § 81 g Abs. 1 StPO getroffene Anordnung genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.
aa) Das Amtsgericht nimmt zwar – verfassungsrechtlich unbedenklich – das Vorliegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung als Anlasstat für die getroffene Anordnung an, weil der Beschwerdeführer wegen gefährlicher Körperverletzung und damit wegen einer Katalogtat nach § 81 g Abs. 1 StPO verurteilt wurde und diese Straftat mit Blick auf die Einschätzung des verurteilenden Richters als „üble, brutale Weise der Selbstjustiz” auch erhebliche Bedeutung hat.
Doch verkennt das Amtsgericht bei seiner Begründung einer negativen Prognose die von Verfassungs wegen zu stellenden Anforderungen, wenn es insoweit das Fehlen von Anhaltspunkten, dass es sich um eine auf eine ganz besondere Lebenssituation zurückzuführende, einmalige Entgleisung gehandelt habe, genügen lässt. Erforderlich ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Wahrscheinlichkeit künftiger Strafverfahren wegen der Begehung von Straftaten von erheblicher Bedeutung. Da es hierfür regelmäßig positiver, auf den Einzelfall bezogener Gründe bedarf, kann eine Maßnahme nach § 2 DNA-IfG nicht allein mit dem Fehlen von Hinweisen auf das Vorliegen einer Ausnahmesituation begründet werden.
Selbst wenn man der amtsgerichtlichen Entscheidung mit dem Hinweis auf sich aus der Verurteilung ergebende Umstände der Tat und auf die erkennbare Persönlichkeit des Beschwerdeführers genügend konkrete Anhaltspunkte für die Prognose der Wahrscheinlichkeit künftiger Begehung weiterer Straftaten von erheblicher Bedeutung annehmen wollte, hält sie verfassungsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Amtsgericht setzt sich weder mit dem Umstand auseinander, dass die ursprünglich verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt war, noch bezieht es in seine Erwägungen ein, dass die Strafe bei straffreier Führung nach Ablauf der Bewährungsfrist zwischenzeitlich erlassen ist. Eine rechtliche Bindung an eine von einem anderen Gericht zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung getroffene Sozialprognose besteht zwar nicht, doch entsteht in Fällen gegenläufiger Prognosen verschiedener Gerichte regelmäßig ein erhöhter Begründungsbedarf für die nachfolgende gerichtliche Entscheidung, mit der eine Maßnahme nach § 2 DNA-IfG angeordnet wird (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 2000 – 2 BvR 1741/99 u. a. –, NJW 2001, S. 879 ≪881≫).
bb) Die Entscheidung des Landgerichts, die sich in einem Verweis auf die Gründe des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses erschöpft, verletzt den Beschwerdeführer in gleicher Weise wie die Entscheidung des Amtsgerichts in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu 2. beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Hassemer, Mellinghoff
Fundstellen