Verfahrensgang
LG Magdeburg (Beschluss vom 21.07.2004; Aktenzeichen 25 Qs 75/04) |
AG Quedlinburg (Beschluss vom 25.06.2004; Aktenzeichen 8 AR 4/04) |
AG Quedlinburg (Beschluss vom 10.06.2004; Aktenzeichen 8 AR 4/04) |
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 21. Juli 2004 – 25 Qs 75/04 – verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 13 Absatz 1 und Absatz 2 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben und die Sache an das Landgericht Magdeburg zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Das Land Sachsen-Anhalt hat dem Beschwerdeführer zwei Drittel seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die in einem disziplinarrechtlichen Vorermittlungsverfahren durchgeführte Durchsuchung seiner Wohnung.
1. Der Beschwerdeführer ist Polizeihauptkommissar im Dienste des Landes Sachsen-Anhalt. Mit Verfügung vom 25. Mai 2004 teilte ihm der Polizeipräsident mit, dass disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen ihn eingeleitet würden. Es bestehe der Verdacht eines Dienstvergehens. Hintergrund sei eine am 11. Mai 2004 im MDR ausgestrahlte Fernsehsendung der Reihe “Umschau”, in der die Behauptung aufgestellt worden sei, die Verkehrsüberwachung finde vielfach nur zum “Abzocken” und nicht an tatsächlichen Unfallschwerpunktstellen statt. Zur Begründung seien in dem Fernsehbeitrag Zielvereinbarungen einer sachsen-anhaltinischen Polizeidirektion eingeblendet worden, in denen auf die Erhöhung der monatlichen Auslastung der Lasergeschwindigkeitsmessgeräte sowie die Steigerung der Gesamtzahl der Ahndungen Bezug genommen wurde. Ein als Dienststellenleiter und “unser Insider” ausgewiesener Beamter habe sich dabei mit abgedunkeltem Gesicht und verzerrter Stimme negativ über den Abschluss von Zielvereinbarungen geäußert und kritisiert, dass die Behördenleitung auf diesem Wege von den Mitarbeitern Leistung abfordere.
Der Verdacht richte sich gegen den Beschwerdeführer, weil verschiedene Mitarbeiter der Polizeidirektion H… unabhängig voneinander zu der Auffassung gekommen seien, bei dem anonymisierten Dienststellenleiter handle es sich um ihn. Insbesondere Behaarung und Silhouette des Kopfes sowie die typische Gangart ließen auf den Beschwerdeführer schließen. Überdies habe eine Auswertung des im Fernsehbeitrag erkennbaren Umfeldes des Drehortes ergeben, dass dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Wohnung des Beschwerdeführers mit Blick durch eine geöffnete Balkontür gefertigt worden sei. Die Balustrade des Balkons, das Dach eines gegenüberliegenden Pavillons, erkennbare Dachgauben eines markanten Mehrfamilienhauses und anderes ließen mit hoher Wahrscheinlichkeit den Schluss zu, dass der Fernsehbeitrag in der Wohnung des Beschwerdeführers aufgezeichnet worden sei.
Die Art und Weise des Auftretens und der Äußerung des Beamten sei geeignet, Zielvereinbarungen als Instrument moderner Führungssysteme sowie die Verkehrsüberwachung als polizeiliche Maßnahme an sich zu diskreditieren und sie als gegenüber der Bevölkerung und Polizeibeamten unredlich und schädlich darzustellen.
2. Nachdem die Identifizierung durch die Zeugenaussagen von mehreren, unabhängig voneinander befragten Kollegen bestätigt wurde, beantragte der Ermittlungsführer die Durchsuchung der Wohnung, um die im Fernsehbeitrag sichtbaren Gegenstände (Polstersofa, Blumenetagere, Fußbodenbelag, Barhocker, Fasermatte, Sockelleiste) mit den dort befindlichen Gegenständen zu vergleichen und eine Videoaufnahme aus der Wohnung mit Blickrichtung Innenhof anzufertigen. Auch die Beschlagnahme etwaig aufgefundener Zielvereinbarungen sei erforderlich, weil die eingeblendeten Stellen aus den Zielvereinbarungen der Polizeireviere A… und H… entnommen worden seien und diese dem Beschwerdeführer offiziell nicht zur Verfügung stünden.
Am 10. Juni 2004 erließ das Amtsgericht Quedlinburg den beantragten Beschluss. Zur Begründung führte es aus, der Beschwerdeführer sei verdächtig, in abträglicher Weise über Polizeiinterna berichtet und damit ein Dienstvergehen begangen zu haben. Im Rahmen der am 25. Juni 2004 durchgeführten Durchsuchung wurde auch ein Laptop aufgefunden und nach richterlicher Anordnung beschlagnahmt. Im Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg vom 25. Juni 2004 heißt es dazu, dass auf dem Laptop möglicherweise die im Fernsehbeitrag gezeigten Zielvereinbarungen enthalten sein und aus der E-mail-Korrespondenz etwaige Kontaktaufnahmen zur TV-Redaktion entnommen werden könnten.
3. Die mit Schriftsatz vom 28. Juni 2004 erhobene Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss vom 10. Juni 2004 sowie die Beschlagnahme des Laptops verwarf das Landgericht Magdeburg durch Beschluss vom 21. Juli 2004. Die zwischenzeitlich erledigte Durchsuchung lasse keine Mängel erkennen. Angesichts der von mehreren Zeugen gemachten Angaben bestehe ein hinreichender Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer. Zur Aufklärung habe es auch der vom Amtsgericht angeordneten Maßnahmen bedurft. Zwar lasse § 102 StPO vom Wortlaut her nicht die Durchsuchung zum Zwecke der Augenscheinseinnahme oder der Dokumentation eines Ausblicks zu. Diese Maßnahme erscheine aber für den Betroffenen weniger belastend als die Alternative, an Stelle der Inaugenscheinnahme das vorgefundene Mobiliar zu beschlagnahmen. Die Unzulässigkeit der Durchsuchungsanordnung ergebe sich auch nicht aus § 26 der Disziplinarordnung des Landes Sachsen-Anhalt (DO). Zwar sei dort, im Gegensatz zu den Vorschriften über das förmliche Disziplinarverfahren, die Durchsuchung nicht ausdrücklich geregelt. Daraus ergebe sich jedoch nicht die Unzulässigkeit entsprechender Maßnahmen. Hintergrund der ausdrücklichen Bestimmung in § 43 DO sei vielmehr die Ausweitung der Kompetenzen des Untersuchungsführers im förmlichen Disziplinarverfahren gegenüber denjenigen des Vorermittlungsführers. Die Beschlagnahme des Laptops beruhe nicht auf dem Beschluss vom 10. Juni 2004, sondern auf der vom Beschwerdeführer nicht angegriffenen Entscheidung des Amtsgerichts vom 25. Juni 2004. Die Entscheidung ist dem Beschwerdeführer nach eigenen Angaben am 9. August 2004 zugegangen.
4. Durch Verfügung vom 13. Dezember 2004 ist das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet und der Beschwerdeführer vorläufig des Dienstes enthoben worden. Nachdem das Verwaltungsgericht Magdeburg mit Beschluss vom 23. März 2005 die Dienstenthebung aufgehoben hatte, wurde das förmliche Disziplinarverfahren am 26. Juli 2005 eingestellt. Dem gerichtlichen Beschluss sei zu entnehmen, dass eine Disziplinarmaßnahme, die nur den Disziplinargerichten zugewiesen sei, nicht gerechtfertigt sei.
Entscheidungsgründe
II.
Mit der am 9. September 2004 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 20 Abs. 3 GG.
1. Aus der Systematik der Disziplinarordnung ergebe sich, dass Beschlagnahme und Durchsuchung ausschließlich im Rahmen des förmlichen Disziplinarverfahrens zulässig seien. Im Gegensatz zu der für das förmliche Disziplinarverfahren geltenden Regelung des § 43 Satz 2 DO gebe es eine entsprechende Bestimmung für das Stadium der Vorermittlungen gerade nicht. Von einer unbeabsichtigten Gesetzeslücke könne nicht ausgegangen werden, weil sich gesetzliche Bestimmungen in den Regelungswerken anderer Bundesländer auffinden ließen. Auch Sinn und Zweck des Vorermittlungsverfahrens spreche für diese Auslegung, weil die Aufklärung hier ausdrücklich auf das Erforderliche beschränkt sei. Eine Notwendigkeit der Durchsuchung habe jedoch nicht vorgelegen, weil bereits so eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Dienstvergehen bestanden habe. Die Durchsuchung erweise sich auch als unverhältnismäßig, weil sie außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme stehe. Schließlich habe der Durchsuchungsbeschluss auch nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt, weil die schlagwortartige Bezeichnung des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Dienstvergehens nicht hinreichend bestimmt sei.
2. Das Bundesverfassungsgericht hat der Regierung des Landes Sachsen-Anhalt und dem Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
a) Die Landesregierung trägt vor, dass der Beschwerdeführer den Beschluss vom 25. Juni 2004 mit der Beschwerde nicht angegriffen habe und der Rechtsweg insoweit nicht erschöpft worden sei. Im Übrigen sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die vom Landgericht vertretene Auffassung zur Zulässigkeit von Durchsuchung und Beschlagnahme im Stadium der disziplinaren Vorermittlung beruhe auf nachvollziehbaren Erwägungen zur Gesetzessystematik und finde auch in der Kommentarliteratur eine Stütze. Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit seien daher selbst dann nicht gegeben, wenn man die Auffassung des Beschwerdeführers in einfach-rechtlicher Hinsicht für vorzugswürdig halte. Auch die Beschwerdeschrift habe sich insoweit damit begnügt, der Meinung des Landgerichts eine eigene Sichtweise gegenüber zu stellen. Grundrechtsverstöße seien damit bereits nicht dargelegt.
Soweit das Landgericht die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahmen bejaht habe, sei dies jedenfalls vertretbar. Angesichts der abgedunkelten und verzerrten Darstellung der handelnden Person sei trotz der Zeugenaussagen ein “Restzweifel” an der Täterschaft des Beschwerdeführers verblieben. Die zur Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens erforderliche ausreichende Gewissheit habe daher nur durch eine Identifizierung der Wohnung des Beschwerdeführers als Drehort der fraglichen Sendebeiträge erreicht werden können. Dies gelte auch in Ansehung der gefertigten Lichtbilder, weil durch diese die Verwendung einer Nachbarwohnung mit vergleichbarem Ausblick nicht sicher ausgeschlossen worden sei. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung habe auch nicht bereits ins förmliche Disziplinarverfahren übergeleitet werden müssen, weil noch nicht hinreichend aufgeklärt gewesen sei, ob im Hinblick auf die Schwere der Vorwürfe tatsächlich ein förmliches Verfahren erforderlich werden oder nicht doch die Disziplinargewalt des Dienstvorgesetzten eine ausreichende Ahndung ermöglichen würde. Entgegen der Annahme des Beschwerdeführers sei eine Degradierung nicht angedacht worden, vielmehr habe man lediglich eine Versetzung in Erwägung gezogen, um eine Beeinträchtigung des Dienstbetriebs während des Laufs des Disziplinarverfahrens zu vermeiden. Gleichwohl seien Vorermittlungsführer und Gerichte in vertretbarer Weise davon ausgegangen, dass das Gewicht der vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung eine Sanktion rechtfertigen würde, die in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Ermittlungsmaßnahmen steht. Die Nutzung des Massenmediums Fernsehen ohne vorherige Rüge der vermeintlichen Missstände bei den Vorgesetzten, die anonymisierte Form des Auftritts, die Vorbildfunktion des Beschwerdeführers, der als Dienststellenleiter Vorgesetztenfunktionen wahrnehme, und die Tatsache, dass dem Beschwerdeführer die an die TV-Redaktion weitergeleiteten Unterlagen nur durch seine Zugehörigkeit zum Stufenpersonalrat bekannt gewesen sein konnten, habe eine Ahndung im Grenzbereich der Disziplinargewalt des nicht förmlichen Verfahrens erwarten lassen. Die damit im Raum stehende Verhängung einer erheblichen Geldbuße oder sogar einer Gehaltskürzung könne jedoch nicht als Bagatellstrafe bewertet werden und belaste den Betroffenen deutlich mehr als die Ermittlungsmaßnahmen der Durchsuchung und Beschlagnahme. Insgesamt seien die angeordneten Ermittlungsmaßnahmen deshalb auch verhältnismäßig.
b) Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts teilte mit Schreiben vom 20. Dezember 2005 mit, dass sich das Bundesverwaltungsgericht zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen noch nicht geäußert habe. In der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BDG komme jedoch zum Ausdruck, dass eine Beschlagnahme und Durchsuchung nur dann durchgeführt werden dürfe, wenn im zugrunde liegenden Disziplinarverfahren zumindest eine Kürzung der Dienstbezüge zu erwarten sei. Hinsichtlich des zu erwartenden Disziplinarmaßes komme es stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Da die Verpflichtung eines Beamten zur Amtsverschwiegenheit zu den Grund- oder Hauptpflichten gehöre, komme bei einer entsprechenden Verletzung aber grundsätzlich auch die Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme in Betracht.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, soweit sie den Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 21. Juli 2004 und damit die Durchsuchungsanordnung betrifft.
1. Soweit der Beschwerdeführer auch den Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg vom 25. Juni 2004 angegriffen hat, ist die Verfassungsbeschwerde jedoch nicht zur Entscheidung anzunehmen. Denn insoweit ist der gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu beschreitende Rechtsweg vor den Fachgerichten nicht erschöpft.
Dem Gewicht des Eingriffs entsprechend ist die Anordnung einer Beschlagnahme im Regelungsgefüge der Strafprozessordnung grundsätzlich dem Richter vorbehalten, um eine vorbeugende Kontrolle durch eine unabhängige und neutrale Instanz zu gewährleisten. Demgemäß ist auch in den ausnahmsweise zulässigen Fällen einer Beschlagnahme ohne vorangegangene richterliche Anordnung das Rechtsschutzsystem auf die zügige Entscheidung eines Richters gerichtet: auf den nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO jederzeit möglichen Antrag des Betroffenen hat das angerufene Gericht binnen drei Tagen zu entscheiden, andernfalls tritt die Beschlagnahme außer Kraft (vgl. § 100 Abs. 2 StPO). Eine unmittelbare Anfechtbarkeit der nicht vom Richter getroffenen Beschlagnahmeanordnung dagegen ist nicht vorgesehen (vgl. etwa Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 2005, § 100 Rn. 12). Auch die Beschwerde kann gemäß § 304 Abs. 1 StPO nur gegen die von den Gerichten erlassenen Beschlüsse gerichtet werden, so dass auch das Rechtsschutzsystem stets die vorangegangene Befassung eines Richters voraussetzt.
Mit der Beschwerdeschrift vom 28. Juni 2004 hat der Beschwerdeführer jedoch den Beschluss des AG Quedlinburg vom 25. Juni 2004, der Grundlage für die Beschlagnahme des Laptops war, weder bezeichnet noch überhaupt erwähnt. Der unmittelbare Angriff auf die “bereits erfolgte Beschlagnahme des Laptop” selbst aber ist nach dem oben Ausgeführten unzulässig, so dass es nicht gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben verstößt, wenn das Landgericht in der angegriffenen Entscheidung zu der Auffassung gelangt, mit der Beschwerde sei trotz der ausdrücklichen Erwähnung der tatsächlichen Beschlagnahme der Beschluss des AG Quedlinburg vom 25. Juni 2004 gar nicht angegriffen worden.
Im Übrigen erfüllt die Beschwerde insoweit auch nicht die gesetzlichen Substantiierungsanforderungen. Denn nach §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG hat sich der Beschwerdeführer mit den von ihm angegriffenen Entscheidungen und deren Begründung dergestalt auseinander zu setzen, dass beurteilt werden kann, ob sie mit dem Grundgesetz in Einklang stehen. Nur so wird der die behauptete Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang vollständig, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar dargelegt und das Bundesverfassungsgericht in die Lage versetzt, aufgrund der Beschwerdeschrift und der ihr beigefügten Anlagen zu prüfen, ob der geltend gemachte Verfassungsverstoß nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zumindest möglich erscheint (vgl. BVerfGE 81, 208 ≪214≫; 88, 40 ≪45≫; 93, 266 ≪288≫; BVerfGK 3, 207 ≪208≫). Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde jedoch nicht, weil auf die vom Amtsgericht in der Beschlagnahmeanordnung gegebenen Gründe gar nicht eingegangen wird.
2. Im Übrigen ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG angezeigt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c BVerfGG liegen vor. Die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.
a) Hinsichtlich der Entscheidung des Landgerichts Magdeburg vom 21. Juli 2004 ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. Hinsichtlich der Durchsuchung kommt dem Beschwerdeführer auch trotz der Erledigung der richterlichen Anordnung angesichts der Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung ein Rechtsschutzinteresse an der Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen zu (vgl. BVerfGE 96, 27 ≪39 f.≫).
b) Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde auch begründet. Die Durchsuchung der Wohnung ist mit Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG unvereinbar.
aa) Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Damit wird dem Einzelnen zur freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet. In seinen Wohnräumen hat er das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein (vgl. BVerfGE 42, 212 ≪219 f.≫; 59, 95 ≪97≫; 96, 27 ≪40≫; 103, 142 ≪150 f.≫). Dem Gewicht dieses Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält und damit eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz vorsieht (vgl. BVerfGE 20, 162 ≪223≫; 57, 346 ≪355 f.≫; 76, 83 ≪91≫; 103, 142 ≪150 f.≫). Die Einschaltung des Richters soll dabei insbesondere dafür sorgen, dass die Interessen des Betroffenen angemessen berücksichtigt werden (vgl. BVerfGE 103, 142 ≪151≫). Besondere Bedeutung kommt dabei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu, weil nur so im Einzelfall die Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs sichergestellt werden kann. Der Richter darf die Wohnungsdurchsuchung nur anordnen, wenn er sich aufgrund einer eigenverantwortlichen Prüfung der Ermittlungen davon überzeugt hat, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist (vgl. BVerfGE 96, 44 ≪51≫). Dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen oder der Eingriff nicht mehr in angemessenem Verhältnis zur Stärke des Tatverdachts und zur Schwere der Tat steht (vgl. BVerfGE 42, 212 ≪220≫; 59, 95 ≪97≫). Dieses Verhältnis ist nicht mehr gewahrt, wenn allenfalls die Verhängung einer geringfügigen Geldbuße zu erwarten ist (vgl. Beschluss der Zweiten Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 1999 – 2 BvR 2158/98 –, Internet, NJW 1999, S. 2176). Die genannten Grundsätze finden auch im Bereich disziplinarrechtlicher Vorermittlungen Anwendung. Sie haben dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen und sind daher möglichst schonend zu führen. “Überschießende” Aufklärungen sind zu unterlassen, um den Kreis der vom Disziplinarvorwurf informierten Personen möglichst eng zu halten (vgl. GKÖD Bd. II, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, M § 17 Rn. 23). In Anbetracht der Belastung, die die Ermittlungsmaßnahme selbst für den Betroffenen bedeuten kann, ist schon im Vorfeld eine Abwägung mit dem Gewicht des vorgeworfenen Dienstvergehens erforderlich. Andernfalls kann sich die Ermittlungsmaßnahme gemessen an der Schwere des Verdachts bereits für sich genommen als übermäßig erweisen und den betroffenen Beamten härter treffen als die Disziplinarmaßnahme selbst (vgl. GKÖD Bd. II, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, M § 21 Rn. 6).
Für den Bereich der Disziplinarermittlungen des Bundes ordnet das Bundesdisziplinargesetz vom 9. Juli 2001 daher in § 27 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich und klarstellend an, dass Beschlagnahme und Durchsuchung nur angeordnet werden dürfen, wenn der Beamte des ihm zur Last gelegten Dienstvergehens dringend verdächtig ist und die Maßnahme zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht. Regelmäßig werden entsprechende Zwangsmaßnahmen daher nur in Betracht kommen, wenn die Zurückstufung oder die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erwarten ist (Köhler/Ratz, BDG: Bundesdisziplinargesetz und materielles Disziplinarrecht, 3. Aufl., 2003, § 27 Rn. 6); sie müssen jedenfalls dann als unverhältnismäßig eingestuft werden, wenn das mutmaßliche Dienstvergehen nur einen Verweis oder eine Geldbuße nach sich ziehen würde (vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand: Februar 2005, § 27 Rn. 8).
bb) Gemessen hieran kommt den Dienstvergehen, deren der Beschwerdeführer beschuldigt wird, ein ausreichendes Gewicht nicht zu, das einem Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung rechtfertigen könnte.
Durch die Mitwirkung an dem fraglichen Fernsehbeitrag hat der Beschwerdeführer – sofern es sich bei der anonym auftretenden Person um ihn handeln sollte – möglicherweise versucht, über die Öffentlichkeit Einfluss auf seinen Dienstherrn auszuüben, und damit eine Dienstpflichtverletzung in Form der sogenannten “Flucht in die Öffentlichkeit” begangen. Der Beamte ist zur Loyalität gegenüber seinem Dienstherrn im Interesse eines geordneten Ablaufs der öffentlichen Verwaltung und zur Wahrung der Vertraulichkeit in internen Dienstangelegenheiten verpflichtet. Er hat dementsprechend Gehorsam und Zurückhaltung gegenüber seinem Vorgesetzten auch dann zu wahren, wenn er mit den getroffenen Entscheidungen nicht einverstanden ist. Die Disziplinarrechtsprechung hat die in der Publizierung von internen Vorgängen liegende “Flucht in die Öffentlichkeit” deshalb jedenfalls dann als Pflichtverletzung gewertet, wenn sich der Beamte zum Zweck der Verstärkung durch eine Lobby an die außerdienstliche Öffentlichkeit gewendet hat (vgl. etwa BVerwGE 86, 188). Denn damit wird der dienstliche Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess mit der Gefahr sachfremder Einwirkungen belastet.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit. Wie jeder andere Staatsbürger genießt der Beamte den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG; er muss dabei aber die Grenzen beachten, die sich aus seinen Dienstpflichten ergeben (vgl. BVerfGE 28, 55 ≪63≫). Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Beschwerdeführer nicht zu einer “allgemein-politischen” Frage Stellung bezogen, sondern innerdienstliche, die polizeiliche Organisation und Arbeit betreffende Entscheidungen seiner Dienstvorgesetzten öffentlich kritisiert hat. Er hat damit versucht, seine eigenen Vorstellungen über innerdienstliche Angelegenheiten durch eine “außerdienstliche Lobby” zu verstärken, und sich zu diesem Zweck an die Öffentlichkeit gewandt. Dies ist mit seiner Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, Zurückhaltung und Loyalität nicht vereinbar (vgl. dazu auch BVerfGE 28, 191 ≪198 f. und 203 ff.≫).
Derartige Pflichtverletzungen werden in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber regelmäßig als geringfügig angesehen und allenfalls mit einem Verweis oder einer Geldbuße geahndet (vgl. etwa Beschluss vom 10. Oktober 1989 – 2 WDB 4/89 –, BVerwGE 86, 188; Urteil vom 25. November 1982, – 2 C 19/80 –, NJW 1983, S. 2343; Beschluss vom 28. Mai 1991 – 1 WB 87.90 –, ZBR 1991, S. 345; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Dezember 1998 – 2 A 11514/98 –, DVBl 1999, S. 330 sowie die Rechtsprechungsübersicht bei Köhler/Ratz, Bundesdisziplinargesetz und materielles Disziplinarrecht, 3. Aufl., 2003, S. 364 ff.). Selbst im Fall der Veröffentlichung von Kabinettsvorgängen durch einen Kabinettsreferenten hat das Bundesverwaltungsgericht nur auf eine Gehaltskürzung von einem Zwanzigstel für die Dauer von 12 Monaten erkannt, obwohl in diesem Bereich gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 GOBReg besondere Verschwiegenheitspflichten zum Schutz des höchsten Exekutivorgans bestehen (vgl. Urteil vom 11. Dezember 1991 – 1 D 75.90 –, BVerwGE 93, 202; Gehaltskürzung auch bei gezielter Weitergabe von Informationen an Lobbyisten, um eine innerministerielle Organisationsänderung wieder rückgängig zu machen: Urteil vom 27. April 1983 – 1 D 54.82 –, BVerwGE 76, 76).
Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer hier in Anbetracht der vorliegenden Einzelfallumstände mit einer gravierenderen Disziplinarmaßnahme hätte belegt werden können, sind nicht vorgetragen worden und angesichts des geringfügigen Charakters der offenbarten Dienstinterna auch nicht ersichtlich. Vielmehr hat auch das Verwaltungsgericht Magdeburg in seiner Entscheidung vom 23. März 2005 darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die zu erwartende Disziplinarmaßnahme die Fortführung des förmlichen Disziplinarverfahrens nicht erforderlich sei. Dem entspricht im Übrigen auch der Vortrag der Landesregierung selbst, wonach eine Degradierung niemals angedacht, vielmehr nur die Verhängung einer Geldbuße oder eventuell einer Gehaltskürzung erwogen worden sei.
In Anbetracht der in der Stellungnahme des Landes Sachsen-Anhalt enthaltenen Aussage, dass zum Zeitpunkt der Durchsuchung noch nicht hinreichend aufgeklärt gewesen sei, ob die Schwere der Vorwürfe im Hinblick auf die Ahndung tatsächlich ein förmliches Verfahren erforderlich machen würde, liegt im Übrigen die Vermutung nahe, dass sich Dienstherr und Gerichte vor Anordnung der Wohnungsdurchsuchung gar nicht die Frage gestellt hatten, welche Disziplinarmaßnahme im Falle der Verdachtsbestätigung erwartet werden könnte und ob gemessen hieran eine Wohnungsdurchsuchung möglicherweise außer Verhältnis steht. Insgesamt erweist sich damit die angeordnete Wohnungsdurchsuchung als unverhältnismäßig und mit Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG unvereinbar.
cc) Insbesondere aber hätten zunächst mildere Mittel zur Aufklärung des Tatverdachts ausgeschöpft werden müssen. Angesichts der vorhandenen Zeugenaussagen und der bereits gefertigten Lichtbildaufnahmen bestand bereits ohne die Wohnungsdurchsuchung eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für die Täterschaft des Beschwerdeführers. Vor Anordnung der Wohnungsdurchsuchung hätte es daher nahe gelegen, den Beschwerdeführer mit dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen zu konfrontieren, um ihm gegebenenfalls die Möglichkeit zu geben, mit einem Geständnis die drohende Wohnungsdurchsuchung zu verhindern. Dies gilt umso mehr, als dem Beschwerdeführer auch nach Ankündigung der drohenden Wohnungsdurchsuchung keine Möglichkeit zur Seite gestanden hätte, die fraglichen Beweismittel zu vernichten. Weder die Balustrade des Balkons noch der Ausblick aus dem geöffneten Balkonfenster wäre dem Verdunkelungszugriff des Beschwerdeführers eröffnet gewesen.
Soweit die Landesregierung darauf verwiesen hat, durch die gefertigten Lichtbilder habe die Verwendung einer Nachbarwohnung nicht sicher ausgeschlossen werden können, mag dies zwar zutreffen. Wieso allerdings diese allenfalls theoretisch denkbare Annahme ausgeschlossen werden muss, bleibt völlig offen. Dass in dem vom Beschwerdeführer bewohnten Gebäude auch andere Polizeibeamte oder Mitarbeiter des Fernsehens wohnen könnten, ist jedenfalls nicht vorgetragen worden, so dass kein vernünftiger Zweifel daran bestehen konnte, dass die fragliche Sendung in der Wohnung des Beschwerdeführers aufgezeichnet worden war.
3. Da die angegriffenen Beschlüsse bereits wegen dieser Grundrechtsverstöße keinen Bestand haben, können die übrigen vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen auf sich beruhen.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen
NJW 2006, 3628 |
NVwZ 2006, 1282 |
NPA 2007 |