Disziplinarverfahren gegen Bundesbeamte sollen einfacher werden
Für die Neuerungen stimmten die Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP, dagegen votierten CDU/CSU und AfD, die Linke enthielt sich.
Beamte müssen sich verfassungstreu verhalten
Durch eine rasche und effektive Ahndung von Dienstvergehen soll das Ansehen des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen in die Integrität der Verwaltung gestärkt werden, hieß es im Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drs. 20/6435).
Besonders schwerwiegende Auswirkungen auf das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit haben extremistische Handlungen. Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) müssen sich Beamtinnen und Beamte durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes (GG) bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Die Verfassungstreuepflicht ist prägender Ausdruck des beamtenrechtlichen Treue- und Dienstverhältnisses. Beamtinnen und Beamte, die sich mit ihrem Verhalten offen in Widerspruch zu den Grundwerten der parlamentarischen Demokratie stellen, die sie in ihrem Amt schützen und verteidigen sollen, sind im öffentlichen Dienst untragbar.
Bis zum rechtskräftigen Abschluss eines auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerichteten Disziplinarverfahrens können derzeit mehrere Jahre vergehen, so die Ausführungen im Gesetzentwurf. Im geltenden Disziplinarklagesystem dauern Verfahren im Durchschnitt knapp vier Jahre. Dies sei insbesondere bei Personen, die die Bundesrepublik Deutschland und ihre freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen, nicht hinzunehmen, auch weil die Betroffenen während des gesamten Disziplinarverfahrens weiterhin einen beträchtlichen Teil ihrer Bezüge erhalten.
Geplant: Weitgehende Disziplinarbefugnisse der Disziplinarbehörden
Durch die Änderung des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) wird das langwierige Verfahren der Disziplinarklage durch umfassende Disziplinarbefugnisse der Disziplinarbehörden abgelöst. Statt Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht erheben zu müssen, sollen die Disziplinarbehörden künftig sämtliche Disziplinarmaßnahmen, einschließlich der Zurückstufung, der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und der Aberkennung des Ruhegehalts, durch Disziplinarverfügung aussprechen (Artikel 1 § 33 des Gesetzentwurfs).
Durch die Vorverlagerung des Ausspruchs auch dieser statusrelevanten Disziplinarmaßnahmen auf die behördliche Ebene ist ein schnellerer Abschluss des Verfahrens möglich, so die Ausführungen im Gesetzentwurf.
Rechtsschutz durch Verwaltungsgerichte
Effektiver Rechtsschutz wird durch die Möglichkeit der nachgelagerten gerichtlichen Vollkontrolle der Disziplinarverfügung durch die Verwaltungsgerichte sichergestellt; die Berufung wird in Entsprechung zur Systematik der Verwaltungsgerichtsordnung als Zulassungsberufung ausgestaltet.
Das Modell ist für die Behörden leichter umsetzbar und stärkt die Personalhoheit und -verantwortung des Dienstherrn auch nach außen, so die Begründung im Gesetzentwurf. Durch die Konkretisierung der Bemessungstatbestände für Disziplinarmaßnahmen wird erstmals ein Rechtsrahmen zur Gewährleistung der notwendigen Kontrolldichte für die gerichtliche Vollkontrolle der Disziplinarverfügung geschaffen (Artikel 1 § 13 des Gesetzentwurfs).
Korrektur finanzieller Fehlanreize
Finanzielle Fehlanreize des geltenden Disziplinarklagesystems sollen korrigiert werden. Bisher verbleiben der Beamtin oder dem Beamten die bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entfernungsentscheidung gezahlten Bezüge. Für Beamtinnen und Beamte kann es daher von Interesse sein, den Abschluss des gerichtlichen Disziplinarverfahrens hinauszuzögern, um möglichst lange weiterhin Bezüge zu erhalten.
Um diesen Fehlanreizen auch im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung zu begegnen, sollen Beamtinnen und Beamte, die wegen eines Verstoßes gegen die beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht nach § 60 Absatz 1 Satz 3 BBG aus dem Beamtenverhältnis entfernt wurden, die bis zur Bestandskraft fortgezahlten Bezüge zurückerstatten müssen (Artikel 1 § 40 Absatz 2 des Gesetzentwurfs).
Verlust der Beamtenrechte bei Freiheitsstrafen
Bei schweren Dienstvergehen führen strafrechtliche Verurteilungen zu Freiheitsstrafen – im Regelfall ab einem Jahr, in besonderen Fällen ab sechs Monaten – nach § 41 BBG und § 24 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) unmittelbar zum Verlust der Beamtenrechte, ohne dass es eines Disziplinarverfahrens bedarf.
Diese beamtenrechtlichen Beendigungsgründe sollen durch die Aufnahme des Straftatbestands der Volksverhetzung in das Beamtenversorgungsgesetz erweitert werden, so dass eine rechtskräftige Verurteilung wegen Volksverhetzung nicht erst wie bisher bei einer Freiheitsstrafe von einem Jahr beziehungsweise bei Versorgungsbeziehenden von zwei Jahren, sondern bereits bei einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zum Verlust der Beamtenrechte beziehungsweise der Versorgungsbezüge führt.
Strenger werden sollen auch die Regeln für Angehörige verbotener Parteien, auch wenn die Beamten nur passive Mitglieder sind.
Kritik der CDU/CSU
Die Unionsfraktion schrieb in ihrem abgelehnten Antrag (20/6703), der Gesetzentwurf der Bundesregierung werde von den Beamtengewerkschaften als nicht geeignet kritisiert und als Ausdruck des Misstrauens wahrgenommen. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung führe zu einer „Änderung dahingehend, dass mit einer Abschaffung der Disziplinarklage Bundesbeamtinnen und -beamte zunächst der Entscheidung der Dienstbehörde ausgesetzt wären und sich nur durch eine Klage gegen ihre Behörde im Dienstverhältnis halten können“.
Das richtige Ziel, Extremisten möglichst schnell und rechtssicher aus dem Staatsdienst zu entfernen, heilige jedoch nicht jedes Mittel, so die Fraktion. Nach dem Regierungsmodell läge im Bund die Entscheidung über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht bei einer spezialisierten Dienststelle. Darüber hinaus fehlten dem Gesetzentwurf staatliche Mechanismen für Rehabilitationsmaßnahmen im Falle einer falschen Beschuldigung.
Unionsfraktion: „Bestehende Systematik des Disziplinarrechts erhalten“
Zugleich forderte die Fraktion die Bundesregierung auf, „von der Einführung einer systemwidrigen Disziplinarverfügung abzusehen und stattdessen die bestehende rechtssichere Systematik des Disziplinarrechts zu erhalten“. Auch sollte die Bundesregierung das behördliche Disziplinarverfahren nach dem Willen der Unionsfraktion durch die systematische Reduktion von Verfahrensfehlern beschleunigen sowie die personelle Ausstattung der Disziplinarkammern bei den Verwaltungsgerichten verbessern.
Ferner plädierte die Unionsfraktion dafür, unter Mitwirkung der Bundesbehörden und ihrer Beschäftigten einen Maßnahmenkatalog zu entwickeln, der die Sensibilisierung für Anhaltspunkte verfassungsfeindlicher oder extremistischer Äußerungen und Verhaltensweisen bereits bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst verbessert.
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