Verfahrensgang
OVG Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 23.01.2015; Aktenzeichen 2 M 154/14) |
Tenor
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Januar 2015 – 2 M 154/14 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Januar 2015 – 2 M 154/14 – wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern zurückverwiesen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 30. Januar 2015 – 2 M 154/14 – wird gegenstandslos.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 40.000,00 Euro (in Worten: vierzigtausend Euro) festgesetzt.
Tatbestand
A.
Die mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes in einem Konkurrentenstreit um die Stelle des Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern.
I.
Der Beschwerdeführer ist seit dem Jahr 2006 Vorsitzender Richter am Landessozialgericht in Mecklenburg-Vorpommern (Besoldungsgruppe R 3). Er bewarb sich auf die Stelle des Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern. In einer daraufhin gefertigten dienstlichen Beurteilung erhielt er das Gesamturteil „sehr gut geeignet” im Hinblick auf das innegehabte und das angestrebte Amt.
Das Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern wählte entsprechend dem Vorschlag des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts für die Stelle einen Mitbewerber aus. Dieser war im Jahr 2000 zum Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht und im Jahr 2009 zum Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts G. (Besoldungsgruppe R 2 + Z) ernannt worden. In der Anlassbeurteilung bezüglich der verfahrensgegenständlichen Stelle erhielt er ebenfalls das Gesamturteil „sehr gut geeignet” im Hinblick auf das innegehabte und das angestrebte Amt.
In dem Auswahlvermerk führte das Justizministerium aus, dass die grundsätzliche Höhergewichtung der statushöheren Beurteilung nicht ausschließe, dass ein Statusrückstand durch leistungsbezogene Kriterien kompensiert werden könne. Die Statusämter des Beschwerdeführers und des Mitbewerbers hätten lediglich einen geringen Abstand. Angesichts des Aufgabenkreises eines Vizepräsidenten eines Oberverwaltungsgerichts, der mit umfangreichen Verwaltungsaufgaben betraut sein werde, halte der Präsident des Oberverwaltungsgerichts vor allem die Einzelmerkmale „Urteilsvermögen und Entschlusskraft”, „Verhandlungsgeschick”, „Belastbarkeit” und „Arbeitszuverlässigkeit und Arbeitshaltung” für besonders wichtig. Hinsichtlich dieser vier Einzelmerkmale habe der Mitbewerber einen Vorsprung gegenüber dem Beschwerdeführer, der in der langjährigen Verwaltungserfahrung in verantwortungsvollen Leitungsfunktionen begründet liege. Die unterschiedlichen Statusämter der Bewerber würden zu keiner abweichenden Bewertung führen. Das Statusamt R 2 mit Amtszulage zeichne sich gegenüber dem Amt R 2 durch einen höheren Anteil von Verwaltungsaufgaben aus. Demgegenüber zeichne sich das Statusamt R 3 für einen Vorsitzenden am Obergericht durch die Leitung eines Senats und die vertieften und zur Koordinierung der Rechtsprechung erforderlichen Fachkenntnisse aus und sei nicht durch einen höheren Verwaltungsanteil gerechtfertigt.
Gegen die Auswahlentscheidung erhob der Beschwerdeführer Widerspruch.
Auf Antrag des Beschwerdeführers untersagte das Verwaltungsgericht G. mit Beschluss vom 13. November 2014 im Wege der einstweiligen Anordnung die Übertragung der Stelle auf den Mitbewerber. Die Auswahlentscheidung sei mit dem Leistungsgrundsatz aus Art. 33 Abs. 2 GG nicht zu vereinbaren. Es sei jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass dem Beschwerdeführer bei einem beurteilungsfehlerfreien Gesamtvergleich der Vorzug zu geben wäre. Bezogen auf die für die Auswahl maßgeblichen Kriterien „Rechtskenntnisse” und „Bewährung in der Justizverwaltung” verbleibe es wegen des höheren Statusamtes des Beschwerdeführers insgesamt bei einem Leistungsvorsprung des Beschwerdeführers. Zwingende Gründe, die es rechtfertigen könnten, die Stelle auch bei Annahme eines Leistungsvorsprungs des Beschwerdeführers mit dem Mitbewerber zu besetzen, habe der Antragsgegner nicht dargelegt beziehungsweise seien nicht ersichtlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2014 wies das Justizministerium den Widerspruch des Beschwerdeführers zurück. Die Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer in das gerichtliche Verfahren eingeführten Umstandes, dass seine Ehefrau das Amt der Präsidentin des Verwaltungsgerichts G. innehabe, begründe für sich genommen die Auswahlentscheidung. Insofern sei es sachgerecht, ihm die persönliche Eignung für das angestrebte Amt abzusprechen.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners änderte das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Beschluss vom 23. Januar 2015 den Beschluss des Verwaltungsgerichts ab und lehnte den Antrag des Beschwerdeführers ab. Der Beschwerdeführer sei für das angestrebte Amt aus persönlichen Gründen nicht geeignet. Da seine Ehefrau Präsidentin des Verwaltungsgerichts G. sei, könne er gemäß § 20 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz Mecklenburg-Vorpommern (in der Fassung vom 1. September 2014 – VwVfG M-V – GVOBl. M-V S. 476), § 54 Landesbeamtengesetz Mecklenburg-Vorpommern – LBG M-V (vom 17. Dezember 2009, GVOBl. M-V S. 687) in Verbindung mit § 3 Landesrichtergesetz Mecklenburg-Vorpommern (vom 7. Juni 1991, GVOBl. M-V S. 159) einen großen Teil der mit diesem Amt verbundenen Aufgaben nicht wahrnehmen. Diese Einschränkungen in der Amtsführung ließen sich auch nicht auf andere Weise, etwa durch Vertretungsregelungen, hinreichend ausgleichen. Dabei könne offenbleiben, in welchen Fällen seine Ehefrau als Präsidentin des Verwaltungsgerichts selbst Beteiligte des Verfahrens sei (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG M-V) und in welchen Fällen sie die gleichnamige Behörde kraft Gesetzes vertrete (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG M-V). Von diesem Mitwirkungsverbot erfasst wären alle Tätigkeiten, die das Verwaltungsgericht allein, beide Verwaltungsgerichte oder die gesamte Verwaltungsgerichtsbarkeit beträfen. In all diesen Fällen läge ein Ausschlussgrund vor. Selbst wenn keiner dieser Fälle eingreife, läge eine Befangenheit des Beschwerdeführers nach § 21 VwVfG M-V nahe, „jedenfalls könnte die von anderen Beteiligten vorgebrachte Besorgnis der Befangenheit wegen einer befürchteten mittelbaren Betroffenheit des Verwaltungsgerichts G. oder seiner Präsidentin zu einer Verzögerung der Angelegenheiten führen”. Als Aufgaben im Bereich der Verwaltung blieben für den Beschwerdeführer damit im Wesentlichen solche Angelegenheiten, die allein das Oberverwaltungsgericht beträfen. Selbst dort gebe es jedoch aufgrund der gemeinsamen Unterbringung mit dem Verwaltungsgericht G. bei Personalangelegenheiten (Wachtmeisterei), bei Gebäudeangelegenheiten und bei Angelegenheiten der gemeinsamen Bibliothek Einschränkungen.
Von den Aufgaben des Präsidenten könne er als dessen Vertreter aufgrund der engen Verzahnung der Zuständigkeiten und der damit erforderlichen Zusammenarbeit die personalrechtlichen Befugnisse des Präsidenten eines Oberverwaltungsgerichts nicht wahrnehmen. Auf die Mitwirkung des Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts könne auch bei der Vorbereitung von Entscheidungen über die Personalverteilung des richterlichen und des nichtrichterlichen Dienstes auf die einzelnen Gerichte nicht verzichtet werden. Von den im Geschäftsverteilungsplan genannten Verwaltungsaufgaben verblieben zwar einzelne Tätigkeitsbereiche, die aber auf Referate verteilt seien, in denen sich auch Aufgaben befänden (unter anderem Dienstaufsicht), die der Beschwerdeführer nicht wahrnehmen könne. Weiter komme einschränkend hinzu, dass ein angemessener und ordnungsgemäßer Betrieb der Gerichtsbarkeit auf Dauer nur gewährleistet sei, wenn der Vizepräsident in wichtige Entscheidungen eingebunden sei. Die Nichteignung des Beschwerdeführers ergebe sich daher auch aus einer Gefährdung des Dienstbetriebs.
Deswegen wäre der Beschwerdeführer weitgehend nur in seiner Funktion als Senatsvorsitzender einsetzbar.
Eine Abmilderung sei auch nicht durch eine Vertretungsregelung für den Vizepräsidenten möglich. Eine ständige Vertretung des Präsidenten ließe sich nicht gewährleisten.
Der Nachteil im dienstlichen Fortkommen, den der Beschwerdeführer aufgrund seiner Ehe erleide, verstoße nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG, da auch eine Pflicht des Staates bestehe, ein objektives und unparteiisches Arbeiten der Verwaltung und ihrer Mitarbeiter zu gewährleisten. Der Nachteil des Beschwerdeführers ergebe sich nicht als zielgerichteter Eingriff, sondern als unbeabsichtigte Nebenfolge der verfassungsgemäßen Regelungen über Ausschluss und Befangenheit. Derartige Nachteile würden keinen Eingriff in das Grundrecht darstellen. Die Fragen im Zusammenhang mit den Beurteilungen der beiden Beteiligten bedürften keiner Entscheidung.
Der Antragsgegner habe die Frage der persönlichen Eignung des Beschwerdeführers im Widerspruchsbescheid und damit in der Beschwerdebegründung aufwerfen dürfen, obwohl er im Auswahlvermerk und während des erstinstanzlichen Verfahrens beide Bewerber als geeignet bezeichnet habe. Die Frage der persönlichen Eignung stelle keine Ermessenserwägung im Sinne des § 114 VwGO dar, hinsichtlich derer nur eine Ergänzung in Betracht komme.
Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers gegen diesen Beschluss wies das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. Januar 2015 zurück.
II.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 23. Januar 2015 und rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 103 GG und Art. 6 Abs. 1 GG.
Eine Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs aus Art. 33 Abs. 2 GG zeige sich schon daran, dass er die Bewertung „sehr gut geeignet” erhalten habe, damit die Anforderungen der Stellenausschreibung erfülle und gleichwohl seitens des Dienstherrn und des Oberverwaltungsgerichts als „persönlich ungeeignet” eingestuft worden sei.
Des Weiteren verstoße der Ansatz des Oberverwaltungsgerichts, den Umstand seiner Ehe mit der Präsidentin des Verwaltungsgerichts G. als „eignungsvernichtend” anzusehen, gegen Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 6 Abs. 1 GG.
So habe das Oberverwaltungsgericht das Anforderungsprofil unzulässiger Weise auf die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben verengt und hinsichtlich der fehlenden persönlichen Eignung auf die Verwaltungstätigkeit abgestellt. Dabei habe es verkannt, dass ausweislich des Anforderungsprofils des Dienstherrn die Justizverwaltungserfahrung gleichrangig neben dem Anforderungsmerkmal „weit überdurchschnittlich vorhandener Rechtskenntnisse” gestanden habe.
Das Oberverwaltungsgericht schränke außerdem den in Art. 33 Abs. 2 GG innewohnenden Grundsatz ein, dass Auswahlentscheidungen nur auf Gesichtspunkte der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gestützt werden können, indem es einen umfassenden Ausschluss im Hinblick auf die Verwaltungsaufgaben des Vizepräsidenten annehme. Das Gericht habe aufgrund einer fehlerhaften Anwendung der Ausschlusstatbestände des § 20 VwVfG M-V und der Befangenheitsregelung des § 21 VwVfG M-V diesen Ausschluss und infolgedessen seine persönliche Ungeeignetheit bejaht und damit gegen seinen Bewerbungsverfahrensanspruch verstoßen. Weder setze es sich mit dem Beteiligtenbegriff in § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG M-V auseinander noch mache es durch Subsumtion deutlich, aus welchen Gründen er in allen Tätigkeiten, die das Verwaltungsgericht G., beide Verwaltungsgerichte oder die gesamte Verwaltungsgerichtsbarkeit beträfen, ausgeschlossen sein solle. So nehme das Oberverwaltungsgericht nicht zur Kenntnis, dass das Mitwirkungsverbot nur Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 Hs. 1 VwVfG M-V erfasse und nicht sämtliche Verwaltungstätigkeiten. Weiter lasse das Oberverwaltungsgericht außer Betracht, ob und in welchen Fällen seine Ehefrau „Beteiligte” sei.
Ebenso verkenne das Oberverwaltungsgericht den Begriff der „Befangenheit” in § 21 VwVfG M-V, wenn es der Ansicht sei, er, der Beschwerdeführer, sei auch dann wegen Befangenheit auszuschließen, wenn lediglich das Verwaltungsgericht Schwerin betroffen wäre, weil die von anderen Beteiligten vorgebrachte Besorgnis der Befangenheit wegen einer mittelbaren Betroffenheit des Verwaltungsgerichts G. oder seiner Präsidentin jedenfalls zu einer Verzögerung der Angelegenheiten führen könne. Soweit das Oberverwaltungsgericht im Weiteren meine, er sei von Entscheidungen über die Personalverteilung des richterlichen und des nichtrichterlichen Dienstes ausgeschlossen, bleibe unklar, welche Entscheidungen dies betreffe und wann er entweder ausgeschlossen oder befangen sein solle. Unverhältnismäßig sei auch der vom Oberverwaltungsgericht angenommene generelle Ausschluss von Verwaltungsaufgaben innerhalb des Oberverwaltungsgerichts mit dem Argument, mögliche Tätigkeiten seien auf vier Referate verteilt, in denen sich zahlreiche weitere Aufgaben fänden. Die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, er könne an Gesprächsrunden mit den Verwaltungsgerichten und dem Justizministerium nicht teilnehmen, entbehre jeder gesetzlichen Grundlage; das Gericht entferne sich weiter von den gesetzlichen Ausschlusstatbeständen und erfinde gänzlich andere Anforderungen.
Eine andere gesetzliche Grundlage, auf dessen Grundlage ein solch umfassender Ausschluss hätte bejaht werden können, sei ersichtlich nicht gegeben.
Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG liege vor, weil er wegen seiner Ehe mit der Präsidentin des Verwaltungsgerichts G. für persönlich ungeeignet gehalten werde. Eine Rechtfertigung dieses Eingriffs komme nicht in Betracht, da die angefochtene Entscheidung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht vorgenommen habe. Das Oberverwaltungsgericht hätte als milderes Mittel eine Vertretungsregelung oder die Schaffung eines weiteren Verwaltungsbereichs in den Blick nehmen müssen. Es werde im Übrigen an keiner Stelle eine Abwägung zwischen den dienstlichen Belangen an einem reibungslosen Geschäftsbetrieb einerseits und seinen Rechten aus Art. 6 GG und Art. 33 GG andererseits vorgenommen. Die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts verkehre Art. 6 GG in sein Gegenteil, weil er gerade wegen seiner Ehe ungeeignet sein solle. Der Grundsatz der Praktikabilität der Aufgabenwahrnehmung könne sich aber nicht einseitig gegen seine grundrechtlich geschützten Positionen durchsetzen.
Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG sei die für erforderlich gehaltene hinreichende richterliche Prüfungsbefugnis nicht gewährleistet, wenn der Zugangsakt nicht mehr nach Eignung, Leistung und Befähigung kontrolliert werden könne und weil die persönliche Eignung abgesprochen werde.
Schließlich beruhe der Beschluss auf einer Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, da das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf Tatsachen gestützt habe, ohne ihn zuvor dazu anzuhören. Dies betreffe die Aufgabenverteilung nach dem Geschäftsverteilungsplan, die gemeinsame Unterbringung der Wachtmeisterei sowie die gemeinsame Nutzung der Bibliothek.
III.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Akten des Ausgangsverfahrens beigezogen und dem Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Justizministerium ist der Ansicht, dem Bewerbungsverfahrensanspruch des Beschwerdeführers sei sowohl bei der Auswahlentscheidung als auch in der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hinreichend Rechnung getragen. Die persönliche Eignung eines Bewerbers sei als ungeschriebenes Merkmal des Anforderungsprofils anzusehen. Weder das Oberverwaltungsgericht noch der Antragsgegner hätten das Anforderungsprofil in unzulässiger Weise auf die Übernahme von Verwaltungstätigkeit beschränkt. Die Bedeutung von Verwaltungsaufgaben sei dem Statusamt des Vizepräsidenten eines Oberverwaltungsgerichts immanent, ohne dass es auf den konkreten Dienstposten ankäme. Das Amt des Vizepräsidenten sei für den ständigen Vertreter eines Präsidenten ausgewiesen. Da für die Verteilung der Verwaltungsaufgaben an kleineren Gerichten weniger richterliches Personal zur Verfügung stehe, habe der Präsident eines kleineren Gerichtes oder sein ständiger Vertreter einen vergleichsweise höheren Anteil an Verwaltungsaufgaben. Auf die Ausführungen des Beschwerdeführers zum Verwaltungsverfahren und zur Beteiligtenfähigkeit komme es nicht an. Der Ausschluss sei auf den Verweis in § 54 Satz 1 LBG M-V gestützt. Danach gehe es nicht um den Ausschluss beziehungsweise die Befangenheit in Verwaltungsverfahren, sondern um die Befreiung beziehungsweise den Ausschluss von Amtshandlungen, die bei der Wahrnehmung von Justizverwaltungsaufgaben durch einen Vizepräsidenten unzweifelhaft vorlägen. Da sich die Verwaltungstätigkeit des Präsidenten und Vizepräsidenten auf den gesamten Geschäftsbereich erstrecken würden, seien, jedenfalls mittelbar, auch alle Dienststellen des Geschäftsbereichs betroffen. Etwa bei der Aufteilung von Aufgaben oder der Bewertung der Durchführung der Amtsgeschäfte würde wegen der durch die Ehe bedingten Nähe des Beschwerdeführers zur Präsidentin eines nachgeordneten Verwaltungsgerichts stets die Besorgnis bestehen, dass die Entscheidung nicht mit der gebotenen Distanz, Unabhängigkeit oder Objektivität getroffen werde. Bei den Darlegungen zu Art. 6 Abs. 1 GG habe der Beschwerdeführer unberücksichtigt gelassen, dass sich Schranken aus kollidierendem Verfassungsrecht ergäben. Die unparteiische Durchführung von Verfahren lasse sich als Verfassungsgebot ableiten und rechtfertige eine Beschränkung von Art. 6 Abs. 1 GG. Die Nichteignung beruhe auf den aus § 54 LBG M-V folgenden Befreiungs- und Ausschlussgründen für Amtshandlungen. Die Unparteilichkeit des Beamten sei als einer der Kernpunkte des Art. 33 Abs. 5 GG ein gesichertes Strukturprinzip der Institution des Berufsbeamtentums. Wegen der Vielzahl der vom Oberverwaltungsgericht aufgezeigten Fälle, in denen der Beschwerdeführer unmittelbar oder wegen Besorgnis der Befangenheit von der Wahrnehmung der Aufgaben des Vizepräsidenten ausgeschlossen wäre, lasse sich eine praktische Konkordanz zwischen der Ehe und dem Ämterverhältnis nicht herstellen. Auch ein Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör liege nicht vor.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Kammer gibt der Verfassungsbeschwerde statt, da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen vom Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
I.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern verkennt bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung den Gehalt des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Beschwerdeführers. Er verletzt ihn daher jedenfalls in seinem Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG.
1. a) Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Bestenauslesegrundsatzes zu besetzen. Die Geltung dieses Grundsatzes wird nach Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Die Vorschrift dient zum einen dem öffentlichen Interesse der bestmöglichen Besetzung des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfGK 12, 184 ≪186≫; 12, 284 ≪287≫; 18, 423 ≪427≫; 20, 77 ≪80 f.≫; BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. November 2010 – 2 BvR 2435/10 –, NVwZ 2011, S. 746 ≪747≫; vom 7. März 2013 – 2 BvR 2582/12 –, NVwZ 2013, S. 1603 ≪1604≫). Dabei zielt die Befähigung auf allgemein der Tätigkeit zugutekommende Fähigkeiten wie Begabung, Allgemeinwissen, Lebenserfahrung und allgemeine Ausbildung. Fachliche Leistung bedeutet Fachwissen, Fachkönnen und Bewährung im Fach. Eignung im engeren Sinne erfasst insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 u.a. –, juris, Rn. 59; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Mai 2013 – 2 BvR 462/13 –, juris, Rn. 14).
Die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers für das von ihm angestrebte öffentliche Amt durch den Dienstherrn bezieht sich auf die künftige Amtstätigkeit des Betroffenen und enthält zugleich eine Prognose, die eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Bewerbers verlangt (vgl. BVerfGE 39, 334 ≪353≫; 92, 140 ≪155≫; 108, 282 ≪296≫). Sie umfasst auch eine vorausschauende Aussage darüber, ob der Betreffende die ihm in dem angestrebten Amt obliegenden beamtenrechtlichen Pflichten erfüllen wird. Bei diesem prognostischen Urteil steht dem Dienstherrn ein weiter Beurteilungsspielraum zu; die Nachprüfung durch die Fachgerichte beschränkt sich im Wesentlichen darauf, ob der Dienstherr von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den beamten- und verfassungsrechtlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (vgl. BVerfGE 39, 334 ≪354≫; 108, 282 ≪296≫).
Mit den Begriffen „Eignung, Befähigung und fachliche Leistung” eröffnet Art. 33 Abs. 2 GG bei Entscheidungen über Beförderungen einen Beurteilungsspielraum des Dienstherrn. Dieser unterliegt schon von Verfassungs wegen einer nur begrenzten gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerfGE 39, 334 ≪354≫; 108, 282 ≪296≫; BVerfGK 18, 423 ≪427≫).
b) Diesen Anforderungen wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts nicht gerecht.
Der Beschluss überspannt die Anforderungen an die Eignung für das Amt des Vizepräsidenten eines Oberverwaltungsgerichts.
Zwar ist nicht von vornherein auszuschließen, dass es sachgerecht sein kann, aufgrund einer ehelichen Lebensgemeinschaft zwischen einem Beamten und dessen Vorgesetzten zur Vermeidung des Anscheins der Beeinträchtigung einer unparteiischen und fairen Amtsführung dessen Eignung für ein angestrebtes Amt zu verneinen (dahingehend: BayVGH, Beschluss vom 8. Februar 2001 – 3 CE 00.3186 –, juris, Rn. 21 f.; OVG Berlin, Beschluss vom 16. September 1994 – 4 S 118/94 –, NVwZ 1996, S. 500 f.).
Allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich einzelner dienstlicher Tätigkeiten im Amt des Vizepräsidenten nach § 54 Satz 1 LBG M-V in Verbindung mit §§ 20, 21 LVwVfG M-V ausgeschlossen sein könnte beziehungsweise sich der Mitwirkung zu enthalten hätte, lässt vorliegend aber nicht generell seine Eignung für die mit dem angestrebten Amt verbundenen Aufgaben der Rechtsprechung und der Justizverwaltung entfallen.
Zunächst einmal dienen die §§ 20, 21 VwVfG M-V vorrangig der Durchführung eines an rechtsstaatlichen Prinzipien ausgerichteten Verwaltungsverfahrens (vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 20 Rn. 1 m.w.N.). Diese Vorschriften greifen keine Gesichtspunkte auf, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG betreffen. Daher kann schon allein eine Subsumtion der §§ 20, 21 VwVfG M-V eine Eignungsbeurteilung nicht ersetzen.
Im Übrigen genügt die durch das Oberverwaltungsgericht vorgenommene kursorische Prüfung nicht den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG an eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Bewerbers. Bereits die pauschale Annahme eines Mitwirkungsverbotes für „alle Tätigkeiten, die das Verwaltungsgericht allein, beide Verwaltungsgerichte oder die gesamte Verwaltungsgerichtsbarkeit beträfen” wird nicht einmal ansatzweise durch eine Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 20 Abs. 1, 21 VwVfG M-V begründet. Diese vage Annahme ist ebenso wenig wie die nicht näher begründete Befürchtung einer Verzögerung der Verwaltungsabläufe wegen der eventuell in Einzelfällen von Dritten geäußerten Besorgnis der Befangenheit des Beschwerdeführers geeignet, ihm von vornherein die Eignung für das Amt abzusprechen. Soweit das Oberverwaltungsgericht Einschränkungen außerdem bei der Erledigung von Verwaltungsaufgaben, die allein das Oberverwaltungsgericht betreffen, oder Angelegenheiten der Bibliothek sieht, ist ebenfalls nicht dargetan oder ersichtlich, inwieweit ein Ausschluss nach § 20 Abs. 1 VwVfG M-V oder eine Befangenheit nach § 21 VwVfG M-V zu bejahen ist beziehungsweise inwieweit mögliche organisatorische Schwierigkeiten die Eignung des Beschwerdeführers für das Amt des Vizepräsidenten entfallen lassen. Mutmaßungen über künftige Beeinträchtigungen der Dienstabläufe in einzelnen Bereichen der Gerichtsverwaltung, die neben der Rechtsprechungstätigkeit ausweislich des Anforderungsprofils ohnehin nur einen Teil des mit dem Amt verbundenen Aufgabenbereichs darstellt, genügen nicht.
Schließlich ist zu sehen, dass die Eignung im Hinblick auf das konkret angestrebte Amt des Vizepräsidenten zu beurteilen ist. Auch wenn bei der Ausübung der Dienstaufsicht über eine nachgeordnete Behörde familiäre Beziehungen Bedenken gegen eine unparteiische Amtsführung aufkommen lassen können, stellt dies nicht von vornherein die Eignung desjenigen in Frage, der diese Aufgaben nur vertretungsweise wahrnimmt. Grundsätzlich liegt die personelle (vgl. § 38 Abs. 2 VwGO) und organisatorische Dienstaufsicht bei dem Präsidenten in seiner Funktion als Behördenleiter. Mit dem Amt des Vizepräsidenten sind ausweislich des Anforderungsprofils keine spezifischen Aufgaben der Justizverwaltung verbunden, insbesondere keine die die nachgeordneten Verwaltungsgerichte betreffen. Sollten im Einzelfall Zweifel an einer unparteiischen und neutralen Amtsführung des Beschwerdeführers entstehen, kann dem durch eine in solchen Konstellationen übliche Vertretungsregelung Rechnung getragen werden.
2. Aus der Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Anspruchs eines Beförderungsbewerbers ergeben sich auch Vorwirkungen für das Verwaltungsverfahren. Das dem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren vorgelagerte Verwaltungsverfahren darf nicht so ausgestaltet sein, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz vereitelt oder unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 22, 49 ≪81 f.≫; 61, 82 ≪110≫).
Auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt daher die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Auswahlerwägungen könnten auch nach der erstinstanzlichen Entscheidung in einem Widerspruchsbescheid durch den Dienstherrn vollständig ausgetauscht werden. Der Dienstherr stützte die Begründung des Widerspruchsbescheids allein auf die fehlende persönliche Eignung des Beschwerdeführers wegen seiner Ehe mit der Präsidentin des Verwaltungsgerichts G., nachdem die Auswahlentscheidung noch mit einem Vorsprung des Mitbewerbers hinsichtlich mehrerer Einzelmerkmale der Beurteilung begründet worden war. Diese Vorgehensweise mindert die Rechtsschutzmöglichkeiten des Beschwerdeführers in unzumutbarer Weise, weil eine substantiierte Begründung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs nur sukzessive auf die Erwiderung des Dienstherrn hin möglich ist. Außerdem ist es dem Beschwerdeführer nicht zuzumuten, die Auswahlentscheidung seines Dienstherrn gewissermaßen „ins Blaue hinein” in einem gerichtlichen Eilverfahren angreifen zu müssen, in erster Instanz wegen einer angenommenen Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung zu obsiegen, um dann während des – beschleunigt betriebenen – Beschwerdeverfahrens völlig andere tragende Erwägungen einer „korrigierten” Auswahlentscheidung zu erfahren (vgl. auch BVerfGK 11, 398 ≪403≫).
3. Dahinstehen kann, ob der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts weitere Rechte des Beschwerdeführers verletzt.
II.
Mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 30. Januar 2015 über die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers wird mit der Aufhebung der Beschwerdeentscheidung gegenstandslos.
C.
Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 ≪366 ff.≫).
Unterschriften
Voßkuhle, Landau, Hermanns
Fundstellen
NVwZ 2015, 8 |
NVwZ 2016, 59 |
JuS 2016, 476 |
IÖD 2015, 206 |