Verfahrensgang
Tenor
Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angnommen.
Tatbestand
A.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerden sind Fragen der Zulässigkeit einer Fristsetzung zur Stellung von Beweisanträgen im Strafverfahren.
I.
Wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit Untreue in zwei Fällen wurde der Beschwerdeführer zu 1), ein Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsbeistand, durch Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. November 2007 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen seine Ehefrau, die Beschwerdeführerin zu 2), wurde wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue, eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass sich der Beschwerdeführer zu 1) als Mitglied des Verwaltungsausschusses des Versorgungswerks der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in H…, von einem Bezirksdirektor der P.-Versicherung im Zuge des Abschlusses zweier Rentenversicherungsverträge zwischen dem Versorgungswerk und der Versicherung hat bestechen lassen. Die Gelder flossen absprachegemäß auf das Konto einer von der Beschwerdeführerin zu 2) beherrschten Gesellschaft.
1. Durch das Gesetz über das Versorgungswerk der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Freien und Hansestadt Hamburg (RAVersG) vom 21. November 2000 (HmbGVBl S. 349) wurde das Versorgungswerk als Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet. Leitungsorgan ist ein fünfköpfiger Verwaltungsausschuss. Dessen Hauptaufgabe besteht in der Prüfung von Geldanlagemöglichkeiten für das durch die Mitgliedsbeiträge gebildete Kapital des Versorgungswerks. In der Mitgliederversammlung im April 2001 wurde der Beschwerdeführer zu 1) zum stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses gewählt.
2. Der Beschwerdeführer zu 1) war bereits vor den streitgegenständlichen Taten als sogenannter stiller Vermittler für die P.-Versicherung tätig, da er als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer eine Vielzahl vermögender Mandanten besaß, die teilweise Beratungsbedarf hinsichtlich Kapitalanlagen hatten. In vorliegender Sache wirkte er darauf hin, Gelder des Versorgungswerks bei der P.-Versicherung anzulegen, wofür er, verdeckt als „Vermittlungsprovision”, einen Anteil erhalten sollte. Der Beschwerdeführer zu 1) erklärte den übrigen Mitgliedern des Verwaltungsausschusses, das von der P.-Versicherung angebotene Kapitalanlageprodukt biete die gewünschte Mindestverzinsung von 3,5%; weitere Verwaltungsgebühren oder sonstige Kosten fielen nicht an. Tatsächlich bezog sich dieser Garantiezins jedoch nicht auf die effektive Rendite, sondern auf das Kapital, das nach Abzug beträchtlicher Kosten angelegt werden würde. Seitens des Versorgungswerks wurden in der Folgezeit zwei Rentenversicherungsverträge mit der P.-Versicherung abgeschlossen. Der Beschwerdeführer zu 1) erhielt „Provisionen” in Höhe von knapp 900.000 Euro sowie knapp 1,1 Millionen Euro.
3. Im Laufe der Verhandlung setzte das Landgericht Hamburg eine Frist zur Stellung von Beweisanträgen. Nachdem die Hauptverhandlung vom 18. Juni bis zum 9. Juli 2007 an insgesamt neun Sitzungstagen durchgeführt worden war, wurde das Verfahren gegen einen Mitangeklagten am 9. Juli 2007 abgetrennt. Der Vorsitzende bestimmte die Fortsetzung in dem abgetrennten Verfahren für denselben Tag um 11:00 Uhr und traf hinsichtlich des vorliegenden Verfahrens anschließend folgende Anordnung:
„Die Frist zur Anbringung von Beweisanträgen wird bestimmt bis Dienstag, den 10. Juli 2007, 10.00 Uhr.”
Bereits am fünften und sechsten Verhandlungstag wurden die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen, nach Vernehmung von zwei noch anzuhörenden Zeugen sei „gegebenenfalls damit zu rechnen, dass die Schlussvorträge zu halten sein” würden. Mit Antrag vom 9. Juli 2007 lehnten die Beschwerdeführer sämtliche zur Entscheidung berufenen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Dieses Gesuch wurde durch Beschluss der Vertreterkammer vom 10. Juli 2007 zurückgewiesen.
4. Durch Urteil vom 9. Juli 2009 hob der Bundesgerichtshof das Urteil gegen den Beschwerdeführer zu 1) im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen sowie im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz auf. Hinsichtlich der Beschwerdeführerin zu 2) änderte der Bundesgerichtshof den Schuldspruch dahingehend ab, dass sie der Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen schuldig sei und hob das Urteil im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf. Zu neuer Verhandlung und Entscheidung über die Strafaussprüche wurde das Verfahren zurückverwiesen.
II.
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
1. An der Entscheidung des Landgerichts hätten zuvor wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Richter mitgewirkt. Die Fristsetzung zur Stellung von Beweisanträgen sei willkürlich gewesen. Die angenommene Fristsetzungsbefugnis beruhe auf unzulässiger Rechtsfortbildung und die Frist von weniger als 24 Stunden sei evident zu kurz. Weder der Beschwerdeführer zu 1) noch sein Verteidiger hätten durch vorangegangenes prozessuales Verhalten Veranlassung zur Fristsetzung gegeben. Das entsprechende Verhalten anderer Prozessbeteiligter könne dem Beschwerdeführer zu 1) nicht zugerechnet werden. Soweit der Verteidiger der Beschwerdeführerin zu 2) „in dem einen oder anderen Zusammenhang aufgrund (meiner) seiner persönlichen Verbundenheit mit den Angeklagten zu emotional agiert haben mag”, seien weder standes- noch strafrechtliche Grenzen überschritten worden. Jedenfalls sei es unzulässig, dieses Verhalten der Beschwerdeführerin zu 2) zuzurechnen, mit der Folge, dass die Richter für die Anordnung einer „absurd kurzen Frist” exkulpiert würden.
2. Der Beschwerdeführer zu 1) rügt ferner einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG infolge der Annahme seiner Amtsträgereigenschaft.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerden haben keine Aussicht auf Erfolg. Sie sind unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten.
I.
Die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs und die anschließende Mitwirkung der abgelehnten Richter an der Verurteilung verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
1. Dieses prozessuale Grundrecht schützt den Anspruch des Bürgers auf eine Entscheidung seiner Rechtssache durch den hierfür von Gesetzes wegen vorgesehenen Richter, indem es eine sachfremde Einflussnahme auf die rechtsprechenden Organe verbietet (vgl. BVerfGE 22, 254 ≪258≫). Hierdurch wird dem Einzelnen garantiert, vor einem Richter zu stehen, der unabhängig und unparteilich ist und die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet. Diesem Ziel dienen die strafprozessualen Vorschriften der §§ 24 ff. StPO über die Ablehnung von Richtern (vgl. BVerfGK 5, 269 ≪280≫). Da sich die Prüfung des Bundesverfassungsgerichts auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts beschränkt, rechtfertigt aber nicht jede fehlerhafte Anwendung der einfachgesetzlichen Bestimmungen über die Richterablehnung das Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts. Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind erst überschritten, wenn sich die Handhabung der §§ 24 ff. StPO im Einzelfall als willkürlich oder offensichtlich unhaltbar erweist oder wenn die richterliche Entscheidung über das Ablehnungsgesuch Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286 ≪299≫). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht, oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt, kann nur anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfGK 5, 269 ≪280≫).
2. Nach diesen Maßstäben sind die angegriffenen Entscheidungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Obgleich die der Befangenheitsrüge zugrunde liegende Rechtsanwendung des Landgerichts mit dem Recht des Angeklagten auf aktive Teilhabe an der Wahrheitsfindung kollidiert und in einigen Punkten nicht die seitens des Bundesgerichtshofs aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, ist hierin im Ergebnis kein Grund zur Befangenheit zu sehen.
Das Setzen einer Frist zur Stellung von Beweisanträgen im Strafverfahren ist verfassungsrechtlich dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Eine solche Fristsetzung wird jedoch nur in gewissen Prozesskonstellationen ernsthaft in Betracht zu ziehen sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Oktober 2009 – 2 BvR 2580/08 –, juris, Absatz-Nr. 29). Der Bundesgerichtshof spricht von einer „vorsichtigen und zurückhaltenden” Handhabung und konkretisiert die Voraussetzungen vorliegend dahingehend, dass regelmäßig zehn Verhandlungstage verstrichen sein müssen, das gerichtliche Beweisprogramm erledigt ist und bestimmte Anzeichen für Verschleppungsabsicht im bisherigen Verteidigungsverhalten gegeben sein müssen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. September 2008 – 1 StR 484/08 –, NJW 2009, S. 605 ≪607≫). Unabhängig von den einfachrechtlichen Voraussetzungen im Einzelnen, steht die Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts und damit zur Wahrheitserforschung im Vordergrund (vgl. BVerfG, a.a.O., Absatz-Nr. 18 und 25). Hieran kann sich der Angeklagte durch die Stellung von Beweisanträgen aktiv beteiligen.
Diese Möglichkeit auf effektive Teilhabe an der Sachverhaltsaufklärung wird vorliegend durch die sehr kurze Frist von unter 24 Stunden unzulässig beschnitten. Gerade im Hinblick auf die neue Prozesssituation, welche unmittelbar zuvor infolge der Abtrennung des Verfahrens gegen einen geständigen Mitangeklagten entstanden ist, werden die Verfahrensbeteiligten hierdurch gedrängt, binnen kurzer Zeit ihre Schlussfolgerungen aus dem prozessualen Vorgehen des Gerichts zu ziehen, dieses aus ihrer Sicht zu bewerten und ihr weiteres Prozessverhalten festzulegen. Die Frist muss es den Verfahrensbeteiligten jedoch ermöglichen, auf der Basis des bisherigen Prozessverlaufs, darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls welche Beweisanträge noch gestellt werden sollen. Dies setzt die Zubilligung eines derartigen Zeitrahmens voraus, der eine sachgerechte Überzeugungsbildung sowie anschließende Entscheidung und damit eine effektive Verfahrensteilhabe ermöglicht. Ob hierzu weniger als 24 Stunden ausreichen, ist im Einzelfall zu entscheiden und erforderlichenfalls zu begründen. Eine solche ist vorliegend weder erfolgt noch sonst ersichtlich.
Im Ergebnis stellt es jedoch keine Verkennung von Bedeutung und Tragweite des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar, wenn diese Rechtsanwendung nicht als die Besorgnis der Befangenheit begründender Umstand angesehen wird. Das Verhalten ist insgesamt betrachtet nicht willkürlich. Das Setzen einer Frist zur Stellung von Beweisanträgen verstößt als solches weder gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens noch stellt es eine unzulässige Rechtsfortbildung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Oktober 2009 – 2 BvR 2580/08 –, juris, Absatz-Nr. 17).
Es fehlt ferner an Anhaltspunkten, dass allein infolge der Äußerung des Verteidigers der Beschwerdeführerin zu 2), man werde in der Hauptverhandlung „schon ordentlich Feuer” machen (vgl. Bl. 35 UA LG), ein nicht ausschließlich auf die Wahrheitserforschung zielendes Verteidigerverhalten vorlag. Unerheblich ist dabei, dass entsprechende Aussagen nicht auch vom Verteidiger des Beschwerdeführers zu 1) getätigt wurden. Erfolgt die Fristsetzung als Reaktion auf das Verhalten eines von mehreren Verteidigern oder Angeklagten, lässt sich nicht ohne Weiteres darauf schließen, das Gericht werde – auch – den anderen Angeklagten gegenüber, die sich entsprechende Aussagen nicht zu eigen machten, nicht mehr unvoreingenommen tätig. Die mit einer Fristsetzung intendierte Beschleunigung des Verfahrens kann nur erreicht werden, wenn diese gegenüber sämtlichen Verfahrensbeteiligten gesetzt wird. Dabei liegt die rechtsstaatlich geforderte Beschleunigung des Strafverfahrens sowohl im Interesse des Opfers als auch des Beschuldigten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Oktober 2009 – 2 BvR 2580/08 –, juris, Absatz-Nr. 32). Gerade der Angeklagte, der durch sein vorheriges Verhalten zur Fristsetzung nicht unmittelbar Veranlassung bot, dürfte ein Interesse an einer zügigen Durchführung des Verfahrens haben. Der fehlende Ursachenbeitrag kann im Folgenden bei der Prüfung der Zurückweisung eines Beweisantrags wegen Verschleppungsabsicht berücksichtigt werden. Hat der Angeklagte im bisherigen Prozessverlauf keine Anzeichen eines nicht primär auf die Wahrheitsermittlung ausgerichteten Verhaltens gezeigt, werden strengere Anforderungen an das Vorliegen der subjektiven Voraussetzung der Prozessverschleppungsabsicht zu stellen sein.
Zudem wurden die Beschwerdeführer durch die Fristsetzung im Ergebnis nicht unzumutbar beeinträchtigt. Das Gericht hat bereits zuvor auf einen baldigen Abschluss der Beweisaufnahme hingewiesen, wodurch die Beschwerdeführer in der Lage waren, ihr Verteidigungsverhalten entsprechend einzurichten. Da es sich um keine Ausschlussfrist handelt, kann sich ein Angeklagter auch nach Fristablauf noch aktiv an der Sachverhaltsaufklärung beteiligen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Oktober 2009 – 2 BvR 2580/08 –, juris, Absatz-Nr. 27), was in einer Gesamtschau die mit der Fristsetzung einhergehende Beschränkung der Rechte abmildert.
II.
Von einer weiteren Begründung der Nichtannahmeentscheidung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Di Fabio, Landau
Fundstellen