Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Dauer der Testamentsvollstreckung, die der im Jahr 1951 verstorbene ehemalige Kronprinz Wilhelm von Preußen (im Folgenden: Erblasser), der älteste Sohn des im Jahr 1941 verstorbenen ehemaligen Kaisers Wilhelm II., zur Verwaltung seines Nachlasses angeordnet hat.
I.
Der Erblasser hatte im Jahr 1938 in einem Erbvertrag Testamentsvollstreckung angeordnet. Der Erbvertrag enthält folgende Bestimmung:
Die Verwaltung der Testamentsvollstrecker soll solange bestehen, als es das Gesetz zuläßt (BGB § 2210), also mindestens dreißig Jahre nach dem Tode des Kronprinzen, mindestens bis zum Tode des Erben (Nacherben) und mindestens bis zum Tode der Testamentsvollstrecker oder ihrer Nachfolger.
Im Jahr 1950 hatte der Erblasser in einem notariellen Testament drei Testamentsvollstrecker sowie jeweilige Ersatztestamentsvollstrecker namentlich benannt und außerdem verfügt:
Sind ein oder mehrere Testamentsvollstrecker oder Ersatztestamentsvollstrecker fortgefallen oder erfolgt dies während der Dauer der Testamentsvollstreckerschaft, so soll der Präsident des Deutschen Bundesgerichts auf Vorschlag der noch vorhandenen Testamentsvollstrecker Ersatztestamentsvollstrecker ernennen.
Der Beschwerdeführer ist ein Enkel des Erblassers. Er hatte als Beklagter des von den Testamentsvollstreckern als Klägern geführten Ausgangsverfahrens Widerklage auf Feststellung erhoben, dass die vom Erblasser angeordnete Dauertestamentsvollstreckung durch den Tod seines zum Erben berufenen Vaters, L… F…, im Jahr 1994, hilfsweise durch den Tod des letzten im Testament namentlich benannten (Ersatz-)Testamentvollstreckers, erloschen sei. Nachdem das Landgericht der Widerklage stattgegeben hatte, wies das Kammergericht auf die Berufung der Kläger die Widerklage ab (Teilurteil des Kammergerichts vom 28. September 2006 – 12 U 54/06 –, ZEV 2007, S. 335). Die Revision des Beschwerdeführers blieb erfolglos (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 2007 – IV ZR 275/06 –, BGHZ 174, 346).
Das Kammergericht und der Bundesgerichtshof gelangten in den mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen nach Auslegung der Vorschrift des § 2210 BGB und der letztwilligen Verfügungen des Erblassers zu dem Ergebnis, dass die Testamentsvollstreckung noch andauere.
Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde und rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 14 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Art. 3 GG.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG ist nicht gegeben. Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Verfassungsbeschwerde teilweise unzulässig und im Übrigen in der Sache ohne Aussicht auf Erfolg ist.
1. Hinsichtlich der gerügten Verletzung der Rechte aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Art. 3 GG wird die Verfassungsbeschwerde dem Begründungserfordernis nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht gerecht. Die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung hat der Beschwerdeführer nicht hinreichend dargelegt (vgl. BVerfGE 89, 155 ≪171≫; stRspr).
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde in der Sache ohne Aussicht auf Erfolg, weil die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzen. Die Auslegung des § 2210 BGB in den angegriffenen Entscheidungen und dessen Anwendung auf den konkreten Fall ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann dahinstehen, ob der Beschwerdeführer (Nach-)Erbe des Erblassers geworden ist.
a) Auslegung und Anwendung einfachen Rechts sind allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist erst erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; stRspr).
b) Die angegriffenen Entscheidungen verkennen den verfassungsrechtlichen Schutz des Erben aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht, so dass der Beschwerdeführer – unterstellt, er könnte sich als Nacherbe auf die Erbrechtsgarantie berufen – nicht in seinen Rechten verletzt wäre.
aa) Die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet das Erbrecht als Rechtsinstitut und als Individualrecht (vgl. BVerfGE 67, 329 ≪340≫; 91, 346 ≪358≫; 112, 332 ≪348≫). Es hat die Funktion, das Privateigentum als Grundlage der eigenverantwortlichen Lebensgestaltung mit dem Tode des Eigentümers nicht untergehen zu lassen, sondern seinen Fortbestand im Wege der Rechtsnachfolge zu sichern (vgl. BVerfGE 91, 346 ≪358≫; 112, 332 ≪348≫).
Ein bestimmendes Element der Erbrechtsgarantie ist die Testierfreiheit. Sie dient ebenso wie das Eigentumsgrundrecht und der in Art. 2 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz der Privatautonomie der Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben (vgl. BVerfGE 91, 346 ≪358≫; 99, 341 ≪350≫). Die Testierfreiheit als Bestandteil der Erbrechtsgarantie umfasst die Befugnis des Erblassers, zu Lebzeiten einen von der gesetzlichen Erbfolge abweichenden Übergang seines Vermögens nach seinem Tode an einen oder mehrere Rechtsnachfolger anzuordnen, insbesondere einen gesetzlichen Erben von der Nachlassbeteiligung auszuschließen und wertmäßig auf den gesetzlichen Pflichtteil zu beschränken (vgl. BVerfGE 58, 377 ≪398≫). Dem Erblasser ist hierdurch die Möglichkeit eingeräumt, die Erbfolge selbst durch Verfügung von Todes wegen weitgehend nach seinen persönlichen Wünschen und Vorstellungen zu regeln (vgl. BVerfGE 58, 377 ≪398≫; 99, 341 ≪350 f.≫). Insbesondere ist der Erblasser von Verfassungs wegen nicht zu einer Gleichbehandlung seiner Abkömmlinge gezwungen (vgl. BVerfGE 67, 329 ≪345≫; 112, 332 ≪348 f.≫).
bb) Dem Recht des Erblassers, zu vererben, das durch die Testierfreiheit geschützt ist, entspricht das Recht des Erben, kraft Erbfolge zu erwerben. Das Eigentumserwerbsrecht des Erben kraft gesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge ist ebenfalls untrennbarer Bestandteil der Erbrechtsgarantie (vgl. BVerfGE 91, 346 ≪360≫; 93, 165 ≪174≫; 99, 341 ≪349≫; 112, 332 ≪349≫).
Grundlage für den verfassungsrechtlichen Schutz des erbrechtlichen Erwerbs bei testamentarischer Erbfolge ist die Testierfreiheit des Erblassers (vgl. BVerfGE 67, 329 ≪343≫; 91, 346 ≪360≫; 112, 332 ≪360≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. Februar 2000 – 1 BvR 1937/97 –, NJW 2000, S. 2495 ≪2496≫; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 30. August 2000 – 1 BvR 2464/97 –, NJW 2001, S. 141). Das Erwerbsrecht des Erben bildet hier das Gegenstück zum Verfügungsrecht des Erblassers und leitet sich von diesem ab. Es ist in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG um der Verwirklichung der Testierfreiheit willen geschützt (vgl. BVerfGE 91, 346 ≪360≫; 93, 165 ≪174≫; 99, 341 ≪349≫; 112, 332 ≪346≫).
Da der Erblasser grundsätzlich frei verfügen kann, ob und mit welchen Beschränkungen er eine Person zum Erben bestimmt, folgt daraus, dass der begünstigte Erbe den grundrechtlichen Schutz nur in dem jeweils vom Erblasser gewährten Umfang erlangen kann. Beschränkt der Erblasser in Ausübung seiner grundrechtlich geschützten Testierfreiheit die Verfügungsbefugnis des Erben über den Nachlass durch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung, kann der Erbe den Nachlass nur mit dieser Verfügungsbeschränkung erwerben.
Weil sein verfassungsrechtlicher Schutz sich von der Testierfreiheit ableitet, kann der Erbe nicht unter Berufung auf ein durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verbürgtes Erwerbsrecht erreichen, dass seinem Interesse an der Ausübung unbeschränkter Rechte am Nachlass der Testierwille des Erblassers untergeordnet wird. Deshalb ist es auch ausgeschlossen, dass die fachgerichtliche Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift im Sinne des Erblasserwillens Rechte des Erben aus Art. 14 Abs. 1 GG beeinträchtigt.
Das gilt auch für die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen zur Dauer der Testamentsvollstreckung und die Auslegung des § 2210 BGB. Die Vorschrift enthält eine gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige Beschränkung der Testierfreiheit des Erblassers. Die Ausnahmeregelung in Satz 2 der Vorschrift ermöglicht dem Erblasser, in bestimmten Fällen die Dauertestamentsvollstreckung über den Zeitraum von 30 Jahren hinaus zu erstrecken. Die Annahme der Gerichte, dass vorliegend die Testamentsvollstreckung aufgrund dieser Ausnahmevorschrift noch andauere, ist nicht nur einfachrechtlich vertretbar, sondern trägt dem fachgerichtlich festgestellten Willen des Erblassers nach einer möglichst lange währenden Testamentsvollstreckung Rechnung. Eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Rechten aus Art. 14 Abs. 1 GG scheidet – soweit ihm eine erbrechtliche Stellung zukäme – daher aus.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BverfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Bryde, Schluckebier
Fundstellen
Haufe-Index 2242186 |
FamRZ 2009, 1039 |
NJW-RR 2010, 156 |
MittBayNot 2009, 386 |
ZEV 2009, 390 |
NotBZ 2009, 410 |
ZFE 2009, 277 |
EE 2009, 93 |