Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführerin ist Buchautorin und war langjährige Sprecherin der „Tagesschau” und Moderatorin im NDR, bis ihr dort gekündigt wurde. Ihre Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Abweisung ihrer Klage gegen die A. AG (im Folgenden: Beklagte) auf Unterlassung und Richtigstellung einer Äußerung und auf Geldentschädigung wegen einer behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzung.
Im Rahmen einer Pressekonferenz am 6. September 2007 in Berlin präsentierte die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Verleger das von ihr verfasste Buch „Das Prinzip Arche Noah – Warum wir die Familie retten müssen”. Bei dieser Gelegenheit äußerte sie sich gegenüber den anwesenden Journalisten, darunter eine für die Beklagte tätige Redakteurin, wie folgt:
Wir müssen den Familien Entlastung und nicht Belastung zumuten und müssen auch 'ne Gerechtigkeit schaffen zwischen kinderlosen und kinderreichen Familien. Wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das – alles was wir an Werten hatten – es war 'ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle – aber es ist eben auch das, was gut war – das sind die Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt – das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben.
In der Ausgabe der von der Beklagten herausgegebenen Tageszeitung „Hamburger Abendblatt” vom 7. September 2007 erschien daraufhin ein auch in dem Internetauftritt der Zeitung eingestellter Artikel unter der Überschrift „Wann ist der Mann ein Mann? Die Moderatorin stellte ihr Buch Das Prinzip Arche Noah vor, das nahtlos an Das Eva-Prinzip anschließt. – Eine Ansichtssache”. Dort heißt es unter anderem:
Das Prinzip Arche Noah sei „ein Plädoyer für eine neue Familienkultur, die zurückstrahlen kann auf die Gesellschaft”, heißt es im Klappentext. H., die übrigens in vierter Ehe verheiratet ist, will auch schon festgestellt haben, dass die Frauen „im Begriff sind aufzuwachen”; dass sie Arbeit und Karriere nicht mehr unter dem Aspekt der Selbstverwirklichung betrachten, sondern unter dem der „Existenzsicherung”. Und dafür haben sie ja den Mann, der „kraftvoll” zu ihnen steht.
In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, und deshalb habe man nun den gesellschaftlichen Salat. Kurz danach war diese Buchvorstellung Gott sei Dank zu Ende.
Die Beschwerdeführerin greift den letzten Absatz dieses Artikels als Falschzitat an und begehrt von der Beklagten Unterlassung und Richtigstellung der Äußerung sowie eine Geldentschädigung.
Das Landgericht Köln und das Oberlandesgericht Köln (AfP 2009, S. 603) gaben der Klage im Wesentlichen mit der Begründung statt, dass die Äußerung der Beschwerdeführerin auf der Pressekonferenz mehrdeutig sei und der bei der Beklagten erschienene Artikel deshalb ein Falschzitat enthalte.
a) Mit angegriffenem Urteil hob der Bundesgerichtshof (NJW 2011, S. 3516) das Urteil des Oberlandesgerichts auf und änderte das Urteil des Landgerichts dahingehend ab, dass er die Klage abwies.
Die Äußerung der Beschwerdeführerin sei nicht mehrdeutig. Sie lasse im Gesamtzusammenhang betrachtet gemessen an Wortwahl, Kontext der Gedankenführung und Stoßrichtung nur diejenige Deutung zu, die die Beklagte ihr beigemessen habe. Gegenstand der Äußerung sei der Umgang mit Werten, vor allem dem „Bild der Mutter”. Der Einschub mit Hinweis auf die grausame Zeit und einen Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt habe, mache deutlich, dass die Beschwerdeführerin sich grundsätzlich vom Nationalsozialismus distanziere, jedoch nicht von dem, „was gut war”. Demgegenüber sei die vom Berufungsgericht für möglich gehaltene Deutung der Äußerung dahin, dass der Nationalsozialismus „das, was gut war”, abgeschafft habe, nicht nur fernliegend, sondern könne bei der gebotenen Würdigung der gesamten Äußerung in dem Zusammenhang, in dem sie gefallen sei, ausgeschlossen werden. Eine solche Deutung wäre insbesondere nicht mit dem Einschub im dritten Satz in Einklang zu bringen, in dem durch die Formulierung „aber es ist eben auch das, was gut war” ein klarer Gegensatz zwischen der „grausamen Zeit”, in der „ein völlig durchgeknallter, hochgefährlicher Politiker das deutsche Volk ins Verderben geführt hat”, und dem, „was gut war”, geschaffen worden sei. Eine solche Deutung ergäbe darüber hinaus auch keinen Sinn. Denn wenn der Nationalsozialismus „das, was gut war” schon abgeschafft hätte, so wäre nichts verblieben, was die 68er noch hätten abschaffen können.
b) Mit angegriffenem Beschluss wies der Bundesgerichtshof die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin zurück.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen die Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts, ihrer Berufsfreiheit, ihres Rechts auf rechtliches Gehör und ihres Rechts auf ein faires Verfahren.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil ihr weder eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt noch ihre Annahme zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25≫), weil die angegriffenen Entscheidungen Grundrechte der Beschwerdeführerin nicht verletzen.
Der Bundesgerichtshof hat die verfassungsrechtlichen Grundsätze zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BVerfGE 54, 148 ≪153≫; 114, 339 ≪346≫) und der Meinungsäußerungsfreiheit (vgl. BVerfGE 61, 1 ≪8≫; 99, 185 ≪196≫), insbesondere zur Wiedergabe von Zitaten (vgl. BVerfGE 54, 208 ≪221≫), explizit in seine Erwägungen eingestellt. Er hat nicht verkannt, dass der Zitierende – um Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Möglichkeit auszuschließen – verpflichtet ist, die eigene Deutung einer Äußerung, die womöglich mehrere Interpretationen zulässt, durch einen Interpretationsvorbehalt als solche kenntlich zu machen (vgl. BVerfGE 54, 208 ≪221≫).
Dass der Bundesgerichtshof die streitgegenständliche Passage in dem Artikel der Beklagten vorliegend nicht für ein Falschzitat hält, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch schon unabhängig von der Frage, ob die Äußerung der Beschwerdeführerin auf der Pressekonferenz eindeutig oder mehrdeutig ist. Denn die streitgegenständliche Passage im „Hamburger Abendblatt” genügt im konkreten Kontext in jedem Fall den Anforderungen an die Wiedergabe eines – auch eventuell mehrdeutigen – Zitats. Denn diese Textpassage ist gleichfalls im Gesamtzusammenhang zu betrachten. Der Zeitungsartikel im „Hamburger Abendblatt” ist schon überschrieben mit „Eine Ansichtssache” und insgesamt in einem süffisanten Ton geschrieben. So heißt es dort zum Beispiel, dass die Ex-Tagesschau-Sprecherin ihre Ideen von einer heilen Welt mit allem garniere, was ihr zufällig in die Finger komme: „Mal ist es Aristoteles, mal Astrid Lindgren, mal der Papst, mal Gorbatschow. … War es vor einem Jahr noch H. Anliegen, dem Mann das Heim mit Blumen und Apfelkuchen so gemütlich wie möglich zu gestalten, … so geht es ihr heute um den Mann an sich. …”. In dieser Weise ist auch die streitgegenständliche Passage zu lesen, der geforderte Interpretationsvorbehalt ergibt sich gleichsam aus der Süffisanz. Hinzu kommt, dass es sich bei der Passage auch nicht um ein wörtliches Zitat handelt, sondern um eine ironisch pointierte Zusammenfassung der Äußerung der Beschwerdeführerin. So kommt die Formulierung „gesellschaftlicher Salat” in der Äußerung der Beschwerdeführerin überhaupt nicht vor. Schließlich zeigt der letzte Satz des Artikels „Kurz danach war diese Buchvorstellung Gott sei Dank zu Ende” noch einmal, dass die Autorin ihre Meinung über die Beschwerdeführerin und deren Ansichten niedergeschrieben hat. Der Leser erkennt, dass es sich hier um eine verkürzende und verschärfende Zusammenfassung der Buchvorstellung handelt. Vor diesem Hintergrund ist das Recht der Beschwerdeführerin am eigenen Wort gewahrt, ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht hat hinter die Meinungsfreiheit der Beklagten zurückzutreten. Die Beschwerdeführerin, der es nicht gelungen war, sich unmissverständlich auszudrücken, muss die streitgegenständliche Passage als zum „Meinungskampf” gehörig hinnehmen.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof, Eichberger, Masing
Fundstellen