Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Tatbestand
Die Antragstellerin ist die Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen” im Niedersächsischen Landtag. Sie wendet sich mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen Beschränkungen des Versammlungsrechts im Zusammenhang mit dem Castor-Transport nach Gorleben.
I.
1. a) Die Antragstellerin teilte der Bezirksregierung Lüneburg durch Schreiben vom 22. März 2001 mit, dass sie für den 27. März 2001 ab 20.00 Uhr und den 28. März 2001 ab 10.00 Uhr auf einem näher bezeichneten Grundstück in Dannenberg jeweils eine öffentliche Fraktionssitzung und anschließend eine Bürgerfragestunde unter freiem Himmel durchführen wolle. Mit dem Schreiben sollten „diese Veranstaltungen/Versammlungen angemeldet werden”. In ihrer Antwort verwies die Bezirksregierung darauf, dass mit Allgemeinverfügung vom 10. März 2001 das Versammlungsrecht in dem Bereich, in dem die Fraktionssitzungen stattfinden sollten, eingeschränkt worden sei. Gerade die durch den Veranstaltungsort betroffene Bahnlinie und der Bahnübergang seien außerordentlich sensibel. Im Übrigen gehe es bei der Allgemeinverfügung nicht um eine Einschränkung der parlamentarischen Tätigkeit der Antragstellerin. Erfasst sei nur der unter das Versammlungsrecht fallende Teil der Veranstaltungen.
b) Die Antragstellerin legte gegen die Allgemeinverfügung Widerspruch ein und beantragte verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz. Durch Beschluss vom 24. März 2001 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts vom 22. März 2001 – 7 B 11/01 – sowie des Oberverwaltungsgerichts vom 23. März 2001 – 11 MA 1128/01 – ab. In diesem Rechtsstreit ging es ebenfalls um ein Eilrechtsschutzverfahren im Zusammenhang mit der Allgemeinverfügung vom 10. März 2001, die auch Gegenstand des Kammerbeschlusses vom heutigen Tage – 1 BvQ 15/01 – ist.
2. Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verfolgt die Antragstellerin das Ziel, die Fraktionssitzungen wie beantragt durchführen zu können. Sie ist der Ansicht, ihr sei die Ausschöpfung des Rechtswegs nicht zumutbar. Lediglich höchst vorsorglich werde sie gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Bei der Güter- und Folgenabwägung sei zu berücksichtigen, dass nicht nur der Inhaber der Genehmigung des Castor-Transports, sondern auch die Bevölkerung vor Ort und die anreisenden Demonstranten Rechte hätten. Sie – die Antragstellerin – habe die öffentliche Fraktionssitzung mit Bürgerfragestunde ganz bewusst vor Ort zum Zeitpunkt des Transportes angesetzt. Würden die Veranstaltungen am vorgesehenen Zeitpunkt oder Ort nicht durchgeführt werden können oder würde die Öffentlichkeit ausgeschlossen, könne die Fraktion weder der Staatsverdrossenheit vor Ort entgegenwirken noch ihre Politik vor Ort in der Öffentlichkeit und in den Medien darstellen. Damit werde der geplante Charakter der Veranstaltung in einer Weise unmöglich gemacht, die neben Art. 8 Abs. 1 GG auch die verfassungsrechtliche Garantie aus Art. 21 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 GG verletze.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob Fraktionen als Einrichtungen des Verfassungslebens und Gliederungen einer parlamentarischen Körperschaft (vgl. BVerfGE 43, 142 ≪147≫) sich auf ein Grundrecht wie das der Versammlungsfreiheit berufen und dessen Verletzung in einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht rügen können. Ebenfalls kann dahinstehen, ob der Antrag schon deshalb unzulässig ist, weil die Antragstellerin den Rechtsweg nicht erschöpft und eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht beantragt beziehungsweise nicht abgewartet und vorgelegt hat.
1. Die angegriffenen Verfügungen unterliegen im Eilrechtsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nur einer eingeschränkten Überprüfung. Insoweit wird auf die Ausführungen in dem Beschluss vom 26. März 2001 in dem Parallelverfahren 1 BvQ 15/01 verwiesen.
2. Die Argumentation der Versammlungsbehörde und der Gerichte erweist sich im Rahmen der begrenzten Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Hinblick auf Art. 8 GG als tragfähig. Die im Eilrechtsschutz anzustellende Folgenabwägung führt auch unter Berücksichtigung des von der Antragstellerin ebenfalls als verletzt bezeichneten Art. 3 Abs. 3 GG zu keinem anderen Ergebnis. Die Rüge einer Verletzung des Art. 21 GG bleibt wegen Unzulässigkeit außer Betracht.
- Im Parallelverfahren 1 BvQ 15/01 ist ausgeführt worden, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Allgemeinverfügung nicht wieder herzustellen ist.
- Gleiches gilt für den auf der Allgemeinverfügung aufbauenden Bescheid vom 23. März 2001, der nicht anders zu beurteilen ist als es die im Verfahren 1 BvQ 15/01 überprüften Verfügungen sind, soweit sie Versammlungen in dem von der Allgemeinverfügung erfassten örtlichen Bereich betreffen.
- Eine andere Betrachtung ist nicht etwa deshalb angezeigt, weil als Antragstellerin eine Fraktion auftritt.
Ausweislich der Anmeldung vom 22. März 2001 hat die Antragstellerin „zwei öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel nach § 14 Abs. 1 VersG” angemeldet. Eine Fraktionssitzung als solche bedarf an sich keiner versammlungsrechtlichen Anmeldung. Die Anmeldung gilt hier offenbar dem über eine Fraktionssitzung hinausgehenden Teil der geplanten Veranstaltungen. Vorgesehen ist nach dem Wortlaut der Anmeldung jeweils neben der Fraktionssitzung eine „Bürgerfragestunde unter freiem Himmel” mit „freiem Zugang” aller Personen, die diese Veranstaltung aufsuchen wollen. Insofern handelt es sich um Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sowie des Versammlungsgesetzes, nämlich um örtliche Zusammenkünfte mehrerer zum Zwecke gemeinsamer Erörterung und Kundgebung in Angelegenheiten, die zur öffentlichen Meinungsbildung bestimmt und geeignet sind. Die rechtliche Einordnung als Versammlungen ändert sich nicht dadurch, dass die Veranstaltungen orts- und weitgehend zeitgleich sowie inhaltlich verschränkt mit Fraktionssitzungen durchgeführt werden sollen.
Als Versammlungen unterliegen die Veranstaltungen den Regeln des Versammlungsrechts. Nach dem Wortlaut der Allgemeinverfügung sollen auch solche Versammlungen von deren Geltungsbereich erfasst sein. Die Versammlungen unterliegen daher den gleichen Einschränkungen wie andere in der Nähe der Strecke des Castor-Transports geplante Versammlungen. Die Ausführungen über die Nichtgewährung von Eilrechtsschutz im Verfahren 1 BvQ 15/01 gelten daher gleichermaßen für die von der Fraktion oder ihren Abgeordneten geplanten öffentlichen Versammlungen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Hoffmann-Riem
Fundstellen
Haufe-Index 1267183 |
NVwZ-RR 2001, 442 |
DVBl. 2001, 901 |
NPA 2001, 0 |