Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 28.01.2013; Aktenzeichen 5 ME 294/12) |
Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 15.11.2012; Aktenzeichen 5 ME 254/12) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
A.
Mit der Verfassungsbeschwerde verfolgt die Beschwerdeführerin ihr Begehren auf Einstellung in den Schuldienst.
I.
Die Beschwerdeführerin, die die Erste und Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien bestanden hat, bewarb sich um die Einstellung in den niedersächsischen Schuldienst. Auf der Grundlage eines Einstellungsgesprächs stellte die Landesschulbehörde die Nichteignung der Beschwerdeführerin für die Einstellung in den Schuldienst zum September 2012 fest. Im Gesprächsprotokoll heißt es nach Konstatierung eines niedrigen Reflexionsniveaus und fehlender Beweglichkeit unter anderem:
„Das Gespräch offenbart beträchtliche Defizite der Bewerberin, die die Auseinandersetzung über die didaktisch-methodischen Fragen des Deutsch- und Kunstunterrichts nur sehr oberflächlich ermöglichen. Die sprachlich-kommunikativen Mittel sind begrenzt und führen durchgängig zu sehr allgemeinen, die Fragen bzw. Aufgaben nicht aufnehmenden Antworten. Es ist nicht vorstellbar, dass die Bewerberin Deutsch- und Kunstunterricht an einem Gymnasium oder einer Gesamtschule qualitativ angemessen erteilen und ihre Pflichten als Lehrerin erfüllen kann. Für die Einstellung zum 03.09.2012 nicht geeignet”.
Durch einstweilige Anordnung verpflichtete das Verwaltungsgericht die Landesschulbehörde, über das Begehren der Beschwerdeführerin auf Einstellung in den Schuldienst erneut zu entscheiden und dabei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin ihre personenbezogene Eignung und fachliche Leistung und Befähigung für die Erteilung von Unterricht durch ihre Prüfungszeugnisse und die damit ausgewiesene Lehrbefähigung nachgewiesen habe. Nach einem Runderlass des Kultusministeriums seien für die Beurteilung der fachlichen Leistung und Befähigung sowie der personenbezogenen Eignung die abgelegten Staatsprüfungen maßgebend. Die Landesschulbehörde habe nicht die Berechtigung, die durch die Prüfungszeugnisse nachgewiesene Eignung aufgrund einer eigenständigen Eignungsbeurteilung außer Acht zu lassen. Der im Einstellungsgespräch gewonnene persönliche Eindruck könne lediglich für eine spezifisch stellenbezogene Eignungsbeurteilung (Anforderungsprofil der Schule) relevant sein. Hier gehe es jedoch grundsätzlich um die Eignung als Lehrkraft.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht änderte den Beschluss und wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück. Die Auswahlkommission habe nicht generell die – durch die Staatsexamina nachgewiesene – Lehrbefähigung der Beschwerdeführerin verneint. Vielmehr habe sie festgestellt, dass die Beschwerdeführerin die personenbezogene Eignung im Hinblick auf die ausgeschriebenen Stellen nicht besitze. Ihr fehle die persönliche, intellektuelle Fähigkeit, ihre durch die Prüfungszeugnisse festgestellte Lehrbefähigung zur praktischen Anwendung zu bringen. Der Runderlass stehe dieser Feststellung nicht entgegen. Er könne allenfalls so verstanden werden, dass angesichts der Prüfungszeugnisse die personenbezogene Eignung des Bewerbers grundsätzlich vermutet werde, hierdurch aber eine Feststellung, dass der Bewerber die persönliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle nicht habe, nicht ausgeschlossen sei. Andernfalls wäre die Durchführung des im Runderlass vorgesehenen Auswahlgesprächs als Grundlage der Auswahlentscheidung überflüssig. Dies müsse auch bei Stellen gelten, für welche – wie hier – kein konkretes Anforderungsprofil vorgesehen sei. Der Dienstherr dürfe sich bei jeder Einstellung mittels eines Vorstellungsgesprächs ein Bild über die persönliche Eignung des Bewerbers machen, zumal er – anders als bei Beförderungen – nicht auf Beurteilungen oder sonstige eigene Einschätzungen zurückgreifen könne.
Die von der Beschwerdeführerin erhobene Anhörungsrüge wies das Oberverwaltungsgericht als unbegründet zurück.
II.
Mit ihrer gegen die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG. Sie habe ihre fachliche Eignung für den Schuldienst durch das Zweite Staatsexamen nachgewiesen. Die Feststellung einer generellen fachlichen Nichteignung könne nicht binnen eines etwa 40minütigen Gesprächs aufgrund nur weniger Fragen fallen. Ein solches Gespräch könne nur der Differenzierung zwischen mehreren Bewerbern dienen. Hier aber habe es zu wenige Bewerber mit der Fächerkombination für die ausgeschriebenen Stellen gegeben.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) nicht erfüllt sind. Sie ist wegen mangelnder Substantiierung bereits unzulässig und hätte darüber hinaus auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.
I.
Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den Substantiierungsanforderungen der § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG. Die Beschwerdeführerin setzt sich nicht hinreichend mit den angegriffenen Entscheidungen und deren konkreter Begründung auseinander (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Juni 1998 – 1 BvR 1114/98 –, NVwZ 1998, S. 949; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. April 2000 – 2 BvR 75/94 –, NJW 2000, S. 3557). Ihre Ausführungen machen eine Grundrechtsverletzung durch die angegriffenen Beschlüsse nicht plausibel.
1. Das Oberverwaltungsgericht hat sich in seinem Beschluss über die einstweilige Anordnung darauf gestützt, dass in der Einstellungsentscheidung die persönliche Eignung der Beschwerdeführerin für die konkret ausgeschriebenen Bezirksstellen verneint worden sei. Dem stellt die Verfassungsbeschwerde die Behauptung gegenüber, das Gericht habe die Feststellung einer generellen fachlichen Nichteignung gebilligt. Den Ausführungen des Gerichts werden somit keine konkreten Argumente entgegengesetzt. Insbesondere wendet sich die Beschwerdeführerin nicht gegen die Auslegung des Runderlasses durch das Oberverwaltungsgericht. Auch die gerichtliche Annahme, dass der Auswahlvermerk die persönliche Eignung verneine, stellt die Beschwerdeführerin nicht argumentativ in Frage.
2. Auf den Beschluss über die Anhörungsrüge geht die Beschwerdeführerin lediglich mit dem Satz ein, die Anhörungsrüge sei „inhaltlich nicht nachvollzogen und mit der Begründung abgetan [worden], wenn es der Beschwerdeführerin um Schulstellen gehe, so hätte sie einen diesbezüglichen Rechtsstreit führen müssen”. Dies stellt keine substantiierte Rüge einer Grundrechtsverletzung dar.
II.
Auch in der Sache wäre die Verfassungsbeschwerde ohne Aussicht auf Erfolg. Ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG ist nicht ersichtlich.
a) Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Art. 33 Abs. 2 GG knüpft die Einstellung von Bewerbern um ein öffentliches Amt damit an besondere Anforderungen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. September 2004 – 2 BvR 331/01 –, juris Rn. 16). Die Norm vermittelt keinen Anspruch auf Übernahme in ein Beamtenverhältnis (vgl. BVerfGE 39, 334 ≪354≫; 108, 282 ≪295≫). Aus ihr folgt jedoch ein Anspruch des Einzelnen auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung um ein öffentliches Amt (BVerfGK 14, 492 ≪496≫, m.w.N.).
Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfGK 12, 184 ≪186≫; 12, 284 ≪287≫; 18, 423 ≪427≫). Dabei zielt die Befähigung auf allgemein der Tätigkeit zugutekommende Fähigkeiten wie Begabung, Allgemeinwissen, Lebenserfahrung und allgemeine Ausbildung. Fachliche Leistung bedeutet Fachwissen, Fachkönnen und Bewährung im Fach. Eignung im engeren Sinne erfasst insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind (zu allem BVerfGE 110, 304 ≪322≫). Insbesondere dann, wenn mangels dienstlicher Beurteilungen keine anderen aussagekräftigen Erkenntnisquellen vorhanden sind, kann die Beurteilung gerade der persönlichen Eignung von Bewerbern anhand eines Vorstellungsgesprächs vorgenommen werden (vgl. BVerfGK 6, 28 ≪34 f.≫; siehe ferner BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Dezember 2007 – 1 BvR 2177/07 –, juris Rn. 48). Auszuwählen ist der Bewerber, von dem der Dienstherr im Rahmen einer Prognose erwarten darf, dass er in der Zukunft den Anforderungen des konkret zu besetzenden Amtes am besten entspricht. Der dabei in Ausfüllung der Begriffe „Eignung, Befähigung und fachliche Leistung” dem Dienstherrn eröffnete Beurteilungsspielraum unterliegt schon von Verfassungs wegen einer nur begrenzten gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerfGE 39, 334 ≪354≫; 108, 282 ≪296≫; BVerfGK 18, 423 ≪427≫).
b) Gemessen an diesem Maßstab ist die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht zu beanstanden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Anforderungen aus Art. 33 Abs. 2 GG weder außer Acht gelassen noch ihren Inhalt verkannt.
aa) Das Oberverwaltungsgericht durfte insbesondere davon ausgehen, dass das Auswahlgespräch ein legitimes Mittel zur Vergewisserung über die persönliche Eignung der Beschwerdeführerin war. Das Gericht geht zu Recht davon aus, dass der Dienstherr sich gerade dort mittels eines Vorstellungsgesprächs ein Bild über die persönliche Eignung des Bewerbers machen dürfe, wo er – wie in der hier fraglichen Einstellungssituation – nicht auf dienstliche Beurteilungen oder sonstige eigene Einschätzungen zurückgreifen könne. Aus der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin beide Staatsexamina für den Lehrerberuf bestanden hat, folgt für sich genommen keine verfassungsmäßige Pflicht der Behörde, die Beschwerdeführerin für persönlich geeignet zu befinden und sie zu einem konkreten Termin einzustellen.
bb) Das Oberverwaltungsgericht legt auch in plausibler Weise dar, dass das Einstellungsgespräch gerade auf eine solche Überprüfung der persönlichen Eignung und nicht etwa der fachlichen Leistung der Beschwerdeführerin gerichtet war. Das Gericht stellt in nachvollziehbarer Weise darauf ab, dass das Protokoll zum Auswahlgespräch ausdrücklich die mangelnden sprachlich-kommunikativen Möglichkeiten der Beschwerdeführerin als Grund für die Feststellung der Nichteignung nenne und sich somit auf die intellektuellen Fähigkeiten der Beschwerdeführerin stütze, die zu den persönlichen Eignungsmerkmalen gehörten. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass im Rahmen eines Auswahlgesprächs, welches die persönliche Eignung des Bewerbers untersucht, auch fachspezifische Fragen gestellt werden dürfen, ist aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht zu beanstanden. Es dient dem Grundsatz der Bestenauslese, wenn auf Grundlage fachspezifischer Fragen die intellektuellen Fähigkeiten im Rahmen eines Auswahlgesprächs überprüft werden.
cc) Auch der Runderlass des Kultusministeriums führt nicht dazu, dass das Oberverwaltungsgericht die Verneinung der persönlichen Eignung der Beschwerdeführerin auf Grundlage des Einstellungsgesprächs für verfassungswidrig hätte halten müssen. Das Gericht hat den Runderlass so ausgelegt, dass an die Staatsexamina lediglich eine Vermutung für die persönliche Eignung von Bewerbern geknüpft werde, welche zumindest in Ausnahmefällen durch das Einstellungsgespräch widerlegt werden könne. Diese Auslegung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Runderlass kann die Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG bei der Einstellungsentscheidung nicht abbedingen und der einstellenden Behörde auch nicht die Möglichkeit nehmen, sich über deren tatsächliches Vorliegen zu vergewissern. Er trifft mit dem Abstellen auf die Staatsexamina eine Regelung für den Normalfall, welcher über Art. 3 Abs. 1 GG auch mittelbare Außenwirkung zukommen mag (vgl. BVerfGE 116, 135 ≪153 f.≫). Verwaltungsvorschriften schließen jedoch auch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz Abweichungen in Ausnahmefällen nicht aus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Juni 1979 – 6 B 33/79 –, NJW 1980, S. 75 ≪75≫). Die laut Auswahlvermerk fehlende Fähigkeit der Beschwerdeführerin, die im Vorstellungsgespräch gestellten Fragen und Aufgaben in ihren Antworten aufzunehmen, kann einen solchen Ausnahmefall darstellen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Voßkuhle, Gerhardt, Huber
Fundstellen