Verfahrensgang
BayObLG (Beschluss vom 24.04.2002; Aktenzeichen 5 St RR 102/02) |
LG Traunstein (Urteil vom 18.10.2001; Aktenzeichen 3 Ns 220 Js 33458/98) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind entschieden (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG); denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫).
- Die Rüge des Beschwerdeführers, das Landgericht habe durch Unterlassen eines nach den Begehungsformen des § 266 Abs. 1 StGB (Missbrauchs- oder Treuebruchstatbestand) differenzierenden förmlichen Hinweises seinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, ist nicht zulässig erhoben. Der Beschwerdeführer hat es versäumt darzulegen, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte (vgl. BVerfGE 28, 17 ≪20≫; 91, 1 ≪25, 26≫; stRspr). Der bloße – auf das Revisionsverfahren bezogene – Hinweis, die Beruhensfrage hätte nicht verneint werden können, weil es nicht ausgeschlossen werden könne, “dass weitere Beweisanträge seitens der Verteidigung angebracht worden wären”, genügt in Ermangelung der Benennung konkreter Tatsachen, die eine andere Entscheidung des Gerichts zumindest als möglich erscheinen lassen, den an eine Gehörsrüge zu stellenden Begründungsanforderungen im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht.
- Die Rüge der Verletzung des über den Anspruch auf rechtliches Gehör hinausreichenden Rechts des Beschwerdeführers auf ein faires und rechtsstaatliches Strafverfahren ist jedenfalls unbegründet.
Über die Grenzen der speziellen Verfahrensgrundrechte hinaus gewährleistet das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes in Verbindung mit dem allgemeinen Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG dem Beschuldigten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Strafverfahren (BVerfGE 57, 250 ≪274 f.≫; 63, 45, ≪60≫; stRspr). Zwar enthält dieses allgemeine Prozessgrundrecht keine ins Einzelne gehenden Gebote und Verbote (BVerfGE 57, 250 ≪275 f.≫). Es schützt aber das Vertrauen des Beschuldigten, dass das Gericht sich nicht widersprüchlich verhält (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Dezember 1995 – 2 BvR 2033/95 –, NStZ-RR 1996, S. 138).
Ein widersprüchliches Verhalten des Landgerichts liegt hier jedoch nicht vor. Der Beschwerdeführer konnte angesichts der Besonderheiten des Einzelfalls aus der Nichterteilung eines differenzierenden Hinweises nach § 265 StPO nicht den Schluss ziehen, dass das Landgericht statt der ursprünglich angeklagten Treuebruchsalternative nunmehr eine Verurteilung wegen der Missbrauchsalternative in Betracht ziehen werde. Vielmehr war allein schon wegen des unveränderten Lebenssachverhalts klar, dass es bei dem Anklagevorwurf verbleiben und nur die rechtlich abweichende Bewertung durch das Amtsgericht rückgängig gemacht werden sollte. Bei dieser Sachlage genügte der – undifferenzierte – Hinweis auf die Vorschrift des § 266 StGB den Anforderungen fairer Verfahrensgestaltung.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen