Verfahrensgang
LG Krefeld (Beschluss vom 31.01.2008; Aktenzeichen 33 Vollz 0114/08 M) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine Entscheidung im Verfahren nach § 114 Abs. 2 Satz 2 StVollzG, mit der das Landgericht die vom Beschwerdeführer wegen sich verschlimmernder Rückenschmerzen beantragte Verlegung ins Justizvollzugskrankenhaus mit der alleinigen Begründung abgelehnt hat, die vollständige Befriedigung des Rechtsbegehrens, auf die sich der Antrag richte, sei im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht möglich, da die einstweilige Anordnung die endgültige Entscheidung nicht vorwegnehmen dürfe.
Die Voraussetzungen, unter denen eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), liegen nicht vor. Zwar begegnet die Entscheidung des Landgerichts vor dem Hintergrund der Anforderungen an die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlichen Bedenken. Dem Beschwerdeführer entsteht jedoch, soweit aus seinem Vortrag ersichtlich, durch die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde, der keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, kein schwerer Nachteil, weil absehbar ist, dass sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch im Fall einer Aufhebung und Zurückverweisung keinen Erfolg haben könnte (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).
1. a) Aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ergeben sich Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen über den Eilrechtsschutz (vgl. BVerfGE 49, 220 ≪226≫; 77, 275 ≪284≫). Dieser muss darauf ausgerichtet sein, dass der Rechtsschutz sich auch im Eilverfahren nicht in der bloßen Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts erschöpft, sondern zu einer wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht führt (vgl. BVerfGE 40, 272 ≪275≫; 61, 82 ≪111≫; 67, 43 ≪58≫; BVerfGK 1, 201 ≪204 f.≫). Bei Vornahmesachen verlangt Art. 19 Abs. 4 GG, jedenfalls sofern nicht Gründe von noch größerem Gewicht entgegenstehen, die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, wenn anderenfalls schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 93, 1 ≪13 f.≫; 79, 69 ≪74≫; 46, 166 ≪177 ff.≫). Im Einzelfall kann daher auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung, die die Hauptsache zugunsten des Antragstellers vorwegnimmt, zulässig und geboten sein (vgl. BVerfGE 79, 69 ≪77 f.≫; für einstweilige Anordnungen des Bundesverfassungsgerichts selbst, die nur unter besonders engen Voraussetzungen in Betracht kommen, BVerfGE 34, 160 ≪162 f.≫; 108, 34 ≪40≫; 113, 113 ≪122≫; stRspr).
Die Gerichte sind gehalten, bei der Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 79, 69 ≪74≫). Steht eine Grundrechtsverletzung in Rede, ist eine besonders intensive Prüfung geboten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 –, NJW 2003, S. 1236 ≪1237≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 25. Juli 1996 – 1 BvR 638/96 –, NVwZ 1997, S. 479 ≪480≫). Je schwerer die sich aus einer Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ergebenden Belastungen wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden (vgl. BVerfGE 35, 382 ≪402≫; 65, 1 ≪70≫; 67, 43 ≪58≫, 69, 315 ≪363≫, 79, 69 ≪74≫). Dabei können zur Klärung der tatsächlichen Grundlagen für die erforderliche Abwägung Maßnahmen der gerichtlichen Sachverhaltsermittlung auch bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geboten sein (vgl. BVerfGK 3, 135 ≪140≫). In jedem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 –, NVwZ 2005, S. 927 ≪928≫).
Bei der Anwendung dieser Grundsätze ist das besondere Gewicht des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zu berücksichtigen. Die zur Wahrung elementarer Grundrechtsinteressen des Gefangenen erforderliche Krankenbehandlung darf nicht an unzureichender Ausstattung mit sachlichen, personellen oder finanziellen Mitteln scheitern (vgl. zur Abwägung zwischen Kostengesichtspunkten und gesundheitlichen Belangen BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. August 1996 – 2 BvR 2267/95 –, NStZ 1996, S. 614). Dies gilt auch, soweit elementare gesundheitliche Belange nur durch sofortige oder zeitnahe Behandlung gewahrt werden können.
b) Den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes wird die Entscheidung des Landgerichts nicht gerecht. Das Landgericht hat den Antrag des Beschwerdeführers allein mit der in dieser Allgemeinheit unzutreffenden Begründung abgelehnt, dass die vollständige Befriedigung des Rechtsbegehrens im Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht möglich sei, da die einstweilige Anordnung die endgültige Entscheidung nicht vorwegnehmen dürfe. Ausgehend von dieser Annahme hat das Landgericht sich mit der Frage, ob nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zu den ihm drohenden Nachteilen der Erlass einer einstweiligen Anordnung ausnahmsweise trotz damit verbundener Vorwegnahme der Hauptsache – oder zunächst eine weitere Aufklärung des Sachverhalts – geboten war, nicht befasst und dem Anspruch des Beschwerdeführers darauf, dass bei etwaiger Dringlichkeit eine rasche Behandlung nicht allein aus Gründen unzureichender Kapazität des Justizvollzugskrankenhauses unterbleibt, nicht Rechnung getragen.
2. Soweit aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ersichtlich, könnte der im fachgerichtlichen Verfahren gestellte Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz jedoch auch im Fall der Aufhebung und Zurückverweisung keinen Erfolg haben, so dass die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht zur Vermeidung eines schweren Nachteils angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
Der Beschwerdeführer hat unstreitig eine ihm zwischenzeitlich – nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde – angebotene Behandlung im Justizvollzugskrankenhaus über die Ostertage abgelehnt. Zur Begründung dieser Ablehnung verweist er auf einen anderweitigen Termin, ohne anzugeben, um welche Art von Termin es sich handelte und weshalb er es für angebracht hielt, diesem Termin Vorrang gegenüber der Krankenhausbehandlung einzuräumen. Unter diesen Umständen kann von einer Dringlichkeit, die es erfordern und erlauben würde, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes – die Hauptsache vorwegnehmend – die Verlegung des Beschwerdeführers in das Justizvollzugskrankenhaus anzuordnen, gegenwärtig nicht ausgegangen werden.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Lübbe-Wolff, Gerhardt
Fundstellen