Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Auswirkungen eines Systemwechsels in der betrieblichen Altersversorgung des öffentlichen Dienstes auf zuvor erworbene Zusatzversorgungsanwartschaften.
1. Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren.
Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 stellte die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 um. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002 (Tarifvertrag Altersversorgung – ATV) vereinbart. Damit wurde das frühere – auf dem Versorgungstarifvertrag vom 4. November 1966 (Versorgungs-TV) beruhende – endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem der alten Satzung (VBLS a.F.) aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.
Die neue Satzung der Beklagten (VBLS) enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden.
Rentennah ist nur, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war beziehungsweise dem Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 vorweisen kann. Vereinfacht dargestellt wurden die Anwartschaften der rentennahen Versicherten weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen, während die Anwartschaften der übrigen, rentenfernen Versicherten nach § 78 Abs. 1 und Abs. 2, § 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS in Verbindung mit § 18 Abs. 2 BetrAVG berechnet wurden.
2. Die Parteien des Ausgangsverfahrens streiten über die Zulässigkeit der Systemumstellung, die Wirksamkeit der Übergangsregelung für rentenferne Versicherte und die Höhe der dem Beschwerdeführer erteilten Startgutschrift von 242,88 EUR (entsprechend 60,72 Versorgungspunkten).
Der Beschwerdeführer ist seit dem 1. Februar 1968 ununterbrochen bei der Beklagten pflichtversichert. Er meint, seine Startgutschrift bleibe erheblich hinter dem Wert seiner bis zum Umstellungsstichtag aufgebauten Rentenanwartschaft zurück. Diese sei als erdienter Besitzstand besonders geschützt. Für eine Neuberechnung erstrebt er unter anderem eine Verpflichtung der Beklagten, zur Ermittlung der Startgutschrift bestimmte – in verschiedenen Klageanträgen näher konkretisierte – Berechnungsmodalitäten zugrunde zu legen. Nach seiner Auffassung würde er dadurch eine Anwartschaft im Wert von monatlich mindestens 411,62 EUR brutto erreichen (entsprechend dem von ihm errechneten Wert der Mindestversorgungsrente gemäß § 44a VBLS a.F.).
Die Beklagte meint hingegen, die beanstandete Übergangsregelung für rentenferne Versicherte gehe auf eine im Tarifvertrag Altersversorgung von den Tarifvertragsparteien getroffene Grundentscheidung zurück, die mit Rücksicht auf die in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie der ohnehin nur eingeschränkten rechtlichen Überprüfung standhalte und die den verfassungsrechtlich geschützten Besitzstand des Beschwerdeführers wahre.
3. Das Landgericht Karlsruhe gab der Klage teilweise statt. Das Oberlandesgericht Karlsruhe stellte unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen fest, dass die von der Beklagten erteilte Startgutschrift den Wert der vom Beschwerdeführer bis zum 31. Dezember 2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlege. Der Bundesgerichtshof wies die hiergegen gerichteten Revisionen beider Parteien zurück. Allerdings hielt er die Übergangsregelung für weniger weitgehend verfassungswidrig als das Oberlandesgericht. Er beanstandete lediglich eine Satzungsbestimmung, wonach dem Versicherten zur Berechnung seiner ihm konkret zustehenden Anwartschaft für jedes Jahr seiner Pflichtversicherung (nur) 2,25 % der so genannten Voll-Leistung gutgeschrieben werden, und sah hierdurch ausschließlich Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
4. Der Beschwerdeführer rügt Verletzungen von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG durch die zivilgerichtlichen Urteile.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen (vgl. dazu BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫). Sie ist bereits unzulässig, denn der Beschwerdeführer hat unter anderem eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Urteil des Bundesgerichtshofs gerügt, hat es jedoch versäumt, gegen dieses Urteil eine Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO einzulegen.
1. Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde muss ein Beschwerdeführer gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG den in der maßgeblichen Prozessordnung vorgesehenen Rechtsweg erschöpfen. Das erfordert, dass er alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um die Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung durch die Fachgerichte zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 73, 322 ≪325≫; 81, 22 ≪27≫; 95, 163 ≪171≫; stRspr). Es ist daher geboten und einem Beschwerdeführer auch zumutbar, vor der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde die Statthaftigkeit einfachrechtlicher Rechtsbehelfe sorgfältig zu prüfen und von ihnen Gebrauch zu machen, wenn sie nicht offensichtlich unzulässig sind (vgl. BVerfGE 68, 376 ≪381≫; stRspr). Rügt der Beschwerdeführer der Sache nach eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör durch eine Entscheidung und ist gegen diese nach der einschlägigen Verfahrensordnung die Anhörungsrüge statthaft, ist diese vorrangig vor der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde einzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 – 1 BvR 644/05 –, NJW 2005, S. 3059 f.).
Wird eine Verfassungsbeschwerde erhoben, ohne dass der betroffene Beschwerdeführer die behauptete Grundgesetzverletzung zuvor mit einem nach diesen Grundsätzen vorrangigen fachgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat, ist seine Verfassungsbeschwerde grundsätzlich unzulässig. Handelt es sich bei dem vorrangig zu ergreifenden Rechtsbehelf um eine Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO, hat das Unterlassen ihrer Einlegung zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf die behauptete Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG, sondern insgesamt unzulässig ist, sofern sich die behauptete Gehörsverletzung auf den gesamten Streitgegenstand des fachgerichtlichen Verfahrens erstreckt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 – 1 BvR 644/05 –, NJW 2005, S. 3059 f.).
Denn § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zielt darauf ab, eine ordnungsgemäße Vorprüfung der Beschwerdepunkte durch die zuständigen gerichtlichen Instanzen zu gewährleisten, dadurch das Bundesverfassungsgericht zu entlasten und für seine eigentliche Aufgabe des Verfassungsschutzes freizumachen. Mit diesem Zweck des Subsidiaritätsgrundsatzes vertrüge es sich nicht, für unterschiedliche Verfassungsrechtsverletzungen verschiedene parallel einzulegende Rechtsbehelfe mit unterschiedlichen Fristen vorzusehen und das Bundesverfassungsgericht bereits in einem frühen Stadium mit einem Verfahren zu befassen, dessen Ausgang vor den Fachgerichten noch unklar ist. Vielmehr muss es zunächst die Aufgabe der Fachgerichte sein, sich mit dem behaupteten Gehörsverstoß auseinanderzusetzen. Liegt ein solcher tatsächlich vor und war er entscheidungserheblich (vgl. § 321a Abs. 1 Nr. 2 ZPO), wird das Gericht ihm abhelfen. Der betroffene Beschwerdeführer wird deshalb – jedenfalls bei einem einheitlichen Streitgegenstand – möglicherweise auch in Bezug auf materielle Grundrechtsrügen nach Durchführung des Anhörungsrügeverfahrens nicht mehr in gleicher Weise beschwert sein, was mindestens unter dem Gesichtspunkt der Annahmevoraussetzungen von Bedeutung sein kann.
Nach Durchführung des Anhörungsrügeverfahrens steht dem betroffenen Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG ohne weiteres offen. Mit ihr kann er die Verletzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte in einem einheitlichen Verfahren geltend machen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 – 1 BvR 644/05 –, NJW 2005, S. 3059 f.).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die vorliegende Verfassungsbeschwerde unzulässig.
a) Hier wäre gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs die Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO der statthafte fachgerichtliche Rechtsbehelf gewesen, mit dem die geltend gemachte Gehörsverletzung im Falle ihres Bestehens hätte beseitigt werden können.
Insbesondere beanstandet der Beschwerdeführer nicht etwa nur, dass der Bundesgerichtshof angebliche Gehörsverletzungen des Landesarbeitsgerichts nicht als revisionsrechtlich zu behebende Fehler erkannt habe. Vielmehr rügt er gleichzeitig eine – für den Vorrang einer Anhörungsrüge erforderliche – neue und eigenständige angebliche Gehörsverletzung durch den Bundesgerichtshof (vgl. zu dieser Voraussetzung BVerfGE 107, 395 ≪410 f.≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 9. Juli 2007 – 1 BvR 646/06 –, NJW 2007, S. 3418 f.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Oktober 2007 – 1 BvR 2208/07 –, JURIS, zu 1 a der Gründe).
Denn er macht geltend, der Bundesgerichtshof habe selbst nicht das verfassungsrechtlich gebotene Gehör gewährt, indem er in das Revisionsurteil Sachverhaltsannahmen und rechtliche Darstellungen als angeblich unstreitig aufgenommen habe, die als streitiger Sachverhalt hätten behandelt werden müssen und die zum Teil überraschend seien. Zudem seien die in seinem Schriftsatz vom 21. Februar 2006 vorgetragenen Tatsachen weder aufgeklärt noch gewürdigt worden. Der Bundesgerichtshof habe sein rechtliches Gehör insbesondere dadurch verletzt, dass er die Tarifvertragsparteien von einer ordnungsgemäßen Sachverhaltserhebung dispensiert habe und weder der offenkundigen Mangelhaftigkeit der Sachverständigengutachten, die angeblich der Systemumstellung zugrunde lägen, noch den vom Beschwerdeführer ausdrücklich streitig vorgetragenen Tatsachen, unter anderem zur Frage der Steigerung der Belastungssätze, nachgegangen sei.
b) Da sich diese behauptete Gehörsverletzung auf den gesamten Streitgegenstand des fachgerichtlichen Verfahrens erstreckt, hat das Unterlassen des statthaften Rechtsbehelfs der Anhörungsrüge nach § 321a ZPO zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf die behauptete Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, sondern insgesamt unzulässig ist.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Bryde, Schluckebier
Fundstellen
Haufe-Index 2055402 |
FamRZ 2008, 1600 |