Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage des Anspruchs eines Strafgefangenen auf den Besitz eines Computers (Laptop) im Strafvollzug.
1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechts- gleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt, denn sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).
Die angegriffenen Entscheidungen, die einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Besitz eines Laptops (mit CD-ROM-Laufwerk, ohne Diskettenlaufwerk) im Ergebnis verneint haben, sind nach den geltenden Maßstäben für die Überpüfung fachgerichtlicher Entscheidungen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫) im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Das Recht des Gefangenen, in angemessenem Umfang Bücher und andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung zu besitzen (§ 70 Abs. 1 StVollzG), unterliegt gesetzlichen Einschränkungen. Nach § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG besteht dieses Recht unter anderem dann nicht, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstands die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würde. Das Vorliegen einer solchen Gefährdung kann ohne Verfassungsverstoß allein aufgrund der grundsätzlich gegebenen Eignung eines Gegenstandes für sicherheits- oder ordnungsgefährdende Verwendungen bejaht werden, sofern konkrete derartige Verwendungen nur mit einem von der Anstalt nicht erwartbaren Kontrollaufwand ausgeschlossen werden könnten (s. Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1994 – 2 BvR 2731/93 –, NStZ 1994, S. 453 und vom 24. März 1996 – 2 BvR 222/96 –, NStZ-RR 1996, S. 252 sowie vom 12. Juni 2002 – 2 BvR 697/02 –). Lässt sich der erforderliche Kontrollaufwand durch technische Vorkehrungen wie z. B. eine Verplombung auf ein leistbares Maß reduzieren, so dass dem Gefangenen der Besitz des betreffenden Gegenstandes ohne Gefahr für Sicherheit oder Ordnung der Anstalt ermöglicht werden kann, gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, diese Möglichkeit zu nutzen. Darüber hinaus können besondere Gründe in der Person des Gefangenen seinem Interesse am Besitz eines bestimmten Gegenstandes ein erhöhtes Gewicht verschaffen, das nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit etwa bei der Bestimmung des für die Anstalt zumutbaren Kontrollaufwands zu berücksichtigen ist (vgl. Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1994 – 2 BvR 2731/93 –, NStZ 1994, S. 453 und vom 12. Juni 2002 – 2 BvR 697/02 –).
3. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese verfassungsrechtlichen Maßstäbe im vorliegenden Fall in entscheidungstragenden Hinsichten verfehlt worden wären. Das Landgericht hat sich mit der Frage der Eignung des begehrten Laptops für sicherheits- oder ordnungsgefährdende Verwendungen konkret auseinandergesetzt und diese im Ergebnis bejaht, weil in den Datenspeicher des Computers Textinhalte (z. B. Erkenntnisse über Fluchtwege, verbotene Außenkontakte, Aufstellungen über die Abgabe von Betäubungsmitteln an Mitgefangene und andere verbotene Beziehungen zwischen den Gefangenen) eingegeben werden können. Diese generelle Eignungsbeurteilung, die in der fachgerichtlichen Rechtsprechung auch sonst vertreten wird (vgl. OLG Bamberg, NStZ 1995, S. 434; OLG Hamm, NStZ 1990, S. 304), lässt Anhaltspunkte für Willkür nicht erkennen (vgl. auch Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 1996 – 2 BvR 222/96 –, NStZ-RR 1996, S. 252 ≪253≫ und vom 12. Juni 2002 – 2 BvR 697/02 –).
Der vom Beschwerdeführer erhobene Einwand, die Speicherkapazität eines Laptops könne ebensowenig als sicherheitsgefährdend angesehen werden wie die Speicherkapazität des Gehirns, verfängt nicht. Das Landgericht hat nicht die Speicherkapazität des begehrten Computers als solche, sondern deren mögliche Verwendungen als sicherheitsgefährdend eingestuft. Diese Einstufung verbietet sich nicht aufgrund eines Vergleichs mit den Informationsverarbeitungskapazitäten des Gehirns. Auch von diesen kann ein sicherheitsgefährdender Gebrauch gemacht werden. Die erweiterten Möglichkeiten der Informationsspeicherung, die mit der Verfügung über einen Computer verbunden sind, begründen aber, wie die vom Gericht herangezogenen Beispiele zeigen, zusätzliche Möglichkeiten eines sicherheitsgefährdenden Missbrauchs.
Hinsichtlich der Frage, ob den festgestellten, durch Verplombung oder Einhausung nicht ausschließbaren erheblichen Sicherheitsgefahren mit Kontrollen seitens der Justizvollzugsanstalt ausreichend begegnet werden kann, ist das Landgericht zu der Einschätzung gelangt, dass diese Möglichkeit wegen des damit verbundenen erheblichen zusätzlichen zeitlichen Aufwandes und im Übrigen auch des halb ausscheide, weil die dazu nötigen computertechnischen Spezialkenntnisse bei den Bediensteten der Justizvollzugsanstalt nicht vorausgesetzt werden können.
Die zuletzt genannte Begründung ist für sich genommen verfassungsrechtlich nicht tragfähig. Die Anwendung gesetzlicher Bestimmungen, die eine Beschränkung von Rechten der Gefangenen erlauben, unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 89, 315 ≪323≫). Dieser Grundsatz schließt nicht prinzipiell aus, dass Einschränkungen des Besitzrechts eines Gefangenen auf Sicherheitsgründe gestützt werden, die sich aus fehlender technischer Qualifikation des Vollzugspersonals für bestimmte – ohne die fragliche Einschränkung notwendig werdende – Kontrolltätigkeiten ergeben. Das Fehlen der betreffenden Qualifikation muss dann aber positiv festgestellt und es muss geklärt werden, ob es mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen ist, dass entsprechende Qualifikationen, die möglicherweise durch Fortbildungsmaßnahmen ohne unangemessenen Aufwand bereitzustellen wären, bei den Vollzugsbediensteten nicht verfügbar sind. Die bloße Feststellung, das Vorhandensein der Qualifikation könne nicht vorausgesetzt werden, bei der völlig offen bleibt, ob entsprechende Fertigkeiten nicht im konkreten Fall zumindest bei einem Teil der Vollzugsbediensteten vorhanden sind oder mit zumutbarem Aufwand bereitgestellt werden könnten, genügt nicht.
Auf der insoweit unzureichenden Begründung beruht die Entscheidung des Landgerichts jedoch nicht. Das Gericht hat unabhängig von der Erwägung, die die Qualifikation der Vollzugsbediensteten betrifft, seine Entscheidung auch auf die selbständig tragfähige Begründung gestützt, dass eine Entkräftung der Sicherheitsbedenken durch Kontrollen wegen des damit verbundenen erheblichen zusätzlichen zeitlichen Aufwandes ausscheide (vgl. dazu Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1994 – 2 BvR 2731/93 –, NStZ 1994, S. 453). Dass das Gericht dabei auf eine generalisierende Betrachtungsweise abgestellt hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Für die Beantwortung der Frage, ob Gefahren, die sich aus der grundsätzlichen Eignung bestimmter Gegenstände für sicherheitsgefährdende Verwendungen ergeben, durch Kontrollmaßnahmen begegnet werden kann und muss, kommt es nicht ausschließlich auf die Umstände des jeweils zu entscheidenden Einzelfalles an. Zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung von Gefangenen, die sich in vergleichbarer Lage befinden, kann vielmehr ohne Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz darauf abgestellt werden, ob eine ausreichende Kontrollierbarkeit auch bei gleicher Handhabung vergleichbarer anderer Fälle gegeben ist. Dass das Gericht diese Frage der Sache nach verneint hat, ist nachvollziehbar. Das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Interesse, einen Laptop für sein Fernstudium in den Bereichen Belletristik und Fremdsprachen zu nutzen, ist zwar ein gewichtiges, aber kein seinem Gewicht nach so außergewöhnliches, dass mangels absehbarer Vergleichsfälle allein auf die isolierte Möglichkeit gefahrenabwehrender Kontrollen in seinem konkreten Fall abgestellt werden müsste.
Es ist auch weder dargetan noch ersichtlich, dass der Beschwerdeführer ohne den Besitz des Geräts in der Fortsetzung seines Studiums unzumutbar behindert wäre. Wieweit die Anforderungen hinsichtlich des von der Anstalt erwartbaren Kontrollaufwandes, einschließlich der Anforderungen an die technische Qualifikation von Vollzugsbediensteten, in einem solchen Fall gesteigert wären, war daher im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.
4. Weshalb die angegriffene Prozessentscheidung des Oberlandesgerichts Grundrechte verletzten soll, ist nicht substantiiert dargelegt worden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Jentsch, Broß, Lübbe-Wolff
Fundstellen
Haufe-Index 952222 |
NJW 2003, 2447 |
NStZ 2003, 621 |
NPA 2003, 0 |