Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 19.02.2014; Aktenzeichen 5 A 194/13) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 119,98 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde, die sich allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) stützt, kann keinen Erfolg haben.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht in der erforderlichen Weise dargetan (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dies erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts sowie die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Rechtsfrage bestehen soll (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO ≪n.F.≫ Nr. 26 S. 14). Daran fehlt es. Die Beschwerde formuliert keine abstrakte, fallübergreifende Frage, sondern fragt lediglich streitfallbezogen danach, „ob die Einordnung der Ratsfreischulstraße in Leipzig als Haupterschließungsstraße entgegen der Verkehrsplanung der Stadt Leipzig einen Verstoß gegen das Selbstverwaltungsrecht gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) darstellt”.
Aber auch wenn diese Frage dahin zu verstehen sein sollte, dass die Beschwerde es für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob die gerichtliche Überprüfung eines Straßenausbaubeitragsbescheids hinsichtlich der von der Gemeinde vorgenommenen Einstufung einer Straße als Anliegerstraße durch das in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierte kommunale Selbstverwaltungsrecht ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, würde dies die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Die Frage lässt sich, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte, verneinend beantworten.
Das nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Recht der Gemeinde, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln, umfasst zwar auch das Recht, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der jeweiligen Kommunalabgabengesetze, Straßenausbaubeitragssatzungen zu erlassen und darin für die Ermittlung des Gemeindeanteils am beitragsfähigen Aufwand die unterschiedlichen Straßenarten näher zu bestimmen. Insoweit steht der Gemeinde als ortsrechtlicher Normgeberin aufgrund ihrer Satzungs- und Abgabenhoheit ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 1 BvR 668/10, 1 BvR 2104/10 – juris Rn. 49, zum Gestaltungsspielraum des Normgebers im Abgabenrecht).
Dagegen kann eine Gemeinde beim Vollzug des Abgabenrechts durch den Erlass von Abgabenbescheiden keinen einer nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglichen Beurteilungsspielraum für sich beanspruchen. Erhebt sie auf der Grundlage ihrer Abgabensatzungen Beiträge und Gebühren, unterliegt sie bei der Anwendung der in den Satzungen vorkommenden unbestimmten Rechtsbegriffe („Anliegerstraße”) der uneingeschränkten Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte, deren Aufgabe es ist, den Begriffsinhalt verbindlich zu konkretisieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 – 1 BvR 857/07 – BVerfGE 129, 1 ≪21≫ m.w.N.). Ein behördliches Letztentscheidungsrecht lässt sich insoweit nicht aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ableiten. Die Gemeinde wird bei der Heranziehung ihrer Gemeindemitglieder zu Abgaben nicht als kommunale Normgeberin tätig, sondern als hoheitlich handelnde Normanwenderin. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht beinhaltet keine Einschränkung der gerichtlichen Kontrollbefugnisse beim Vollzug von gemeindlichen Rechtsnormen. Eine Einschränkung bedarf vielmehr der Entscheidung durch den staatlichen Gesetzgeber (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 a.a.O. S. 21 f.). Nur dieser ist befugt, die Kontrolle der Rechtsanwendung der Verwaltungsbehörden durch die Gerichte zurückzunehmen und den Behörden Letztentscheidungsbefugnisse einzuräumen, wobei er hierbei durch die Grundrechte sowie durch das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip und die hieraus folgenden Grundsätze der Bestimmtheit und Normenklarheit gebunden ist (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 a.a.O. S. 22 f.). Ohne eine solche gesetzliche Ermächtigung stünde eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle der von der Beklagten auf der Grundlage ihres Verkehrskonzepts vorgenommenen Einstufung der Straßen nicht nur im Widerspruch zur Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG), sondern würde vor allem auch das Recht der Abgabenschuldner auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 a.a.O. S. 22).
Ob die Ratsfreischulstraße in Leipzig richtigerweise, wie die Beklagte meint, als Anliegerstraße oder – dem Berufungsurteil folgend – als Haupterschließungsstraße einzustufen ist, richtet sich ausschließlich nach nicht revisiblem Landesbzw. Ortsrecht und entzieht sich daher einer Beurteilung durch das Bundesverwaltungsgericht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Bier, Prof. Dr. Korbmacher, Steinkühler
Fundstellen
Haufe-Index 7356517 |
GK 2015, 54 |