Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 17.07.2008; Aktenzeichen 5 LB 127/08) |
Tenor
Die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision gegen seinen Beschluss vom 17. Juli 2008 wird aufgehoben.
Die Revision wird zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird vorläufig auf 5 000 € festgesetzt.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Gründe
Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Das Berufungsurteil weicht in einem es tragenden Rechtssatz von dem Urteil des Senats vom 15. November 2007 – BVerwG 2 C 24.06 – Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 18 ab.
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten, die infolge eines Zeckenbisses vom 27. Mai 2002 erlittene Borrelioseerkrankung als Dienstunfall anzuerkennen. Das Berufungsgericht hat dieses Begehren im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, der Zeckenbiss sei als Gelegenheitsursache keine Ursache im Sinne des Dienstunfallrechts. Denn das schädigende Ereignis hätte nach menschlichem Ermessen bei jedem anderen nicht zu vermeidenden Anlass eintreten können. Dazu gehörten auch solche Schädigungen, denen der Verletzte in gleichem Maße ausgesetzt gewesen sei, wenn er sich nicht im Dienst befunden hätte, insbesondere weil die Ursache eine allgemeine und damit letztlich jeden treffende Gefahr gewesen sei. Dazu rechne die Gefahr, von einer Zecke gebissen und infiziert zu werden.
In dem von der Beschwerde in Bezug genommenen Senatsurteil vom 15. November 2007 (a.a.O.) ist der Rechtssatz aufgestellt, das gesetzliche Merkmal “in Ausübung des Dienstes” gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG verlange neben dem Kausalzusammenhang zwischen Ereignis und Schaden einen bestimmten Zusammenhang zwischen dem Ereignis und der Ausübung des Dienstes. Dieser Zusammenhang sei das entscheidende Kriterium, so dass nicht jedweder ursächliche Zusammenhang mit der Ausübung des Dienstes genüge, sondern eine besonders enge ursächliche Verknüpfung mit dem Dienst bestehen müsse (Urteile vom 24. Oktober 1963 – BVerwG 2 C 10.62 – BVerwGE 17, 59 ≪62 f.≫, vom 12. Februar 1971 – BVerwG 6 C 36.66 – BVerwGE 37, 203 ≪204≫ und vom 18. April 2002 – BVerwG 2 C 22.01 – Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 12 S. 2). Entscheidend sei dabei das der gesetzlichen Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG nach Sinn und Zweck der Vorschrift zugrunde liegende Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos der Geschehnisse im Dienst durch den Dienstherrn. Der Beamte stehe bei Unfällen, die sich innerhalb des vom Dienstherrn beherrschbaren Risikobereichs ereignen, unter dem besonderen Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Zu diesem Bereich gehöre der Dienstort, an dem der Beamte zur Dienstleistung verpflichtet sei, wenn dieser Ort zum räumlichen Machtbereich des Dienstherrn gehöre. Risiken, die sich hier während der Dienstzeit verwirklichen, seien in der Regel dem Dienstherrn zuzurechnen. Diesen Rechtsgedanken hat der Senat in dem von der Beschwerde ebenfalls in Bezug genommenen Beschluss vom 26. Februar 2008 – BVerwG 2 B 135.07 – (Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 20) erneut aufgegriffen und dem Dienstherrn sogar das spezifische örtliche Risiko für solche Verrichtungen zugerechnet, die eigentlich der privaten Lebenssphäre angehörten.
Das Berufungsgericht ist von diesen Rechtssätzen im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO abgewichen und hat sie nicht lediglich unzutreffend angewandt. Sein Rechtssatz, dass die Klägerin der Gefahr, durch einen Zeckenbiss infiziert zu werden, in gleichem Maße ausgesetzt gewesen sei, als wenn sie sich nicht im Dienst befunden hätte, beruht auf der rechtlichen Annahme, ein Unfallereignis könne nicht als Dienstunfall anerkannt werden, wenn es sich nach der Lebenserfahrung auch außerhalb des Dienstes ereignen könne. Mit seiner Entscheidung vom 15. November 2007 ist der Senat gerade einem solchen Rechtsverständnis vom Dienstunfallbegriff entgegentreten und hat deshalb den Schwerpunkt zur Bestimmung dieses Begriffes auf die besonders enge ursächliche Verknüpfung mit dem Dienst gelegt. Diese enge ursächliche Verknüpfung besteht im Gegensatz zu dem vom Berufungsgericht aufgestellten Rechtssatz auch für den Dienstort der Klägerin. Sie war gehalten, die ihr anvertrauten Schüler auch im Freien zu beaufsichtigen.
Auf die mit der Divergenzrüge geltend gemachte Abweichung kommt es auch an. Denn das Berufungsgericht hat festgestellt, dass sich der Zeckenbiss an einem zeitlich definierten Tag, an einem konkreten Ort, der zum Dienstort bestimmt war, und während einer dienstlichen Verrichtung ereignet hat. Die Beklagte hat gegen diese tatsächlichen Feststellungen keine Verfahrensrüge erhoben, so dass das Revisionsgericht an diese Feststellungen gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO). Diese tatsächlichen Feststellungen entsprechen der nach der Senatsrechtsprechung erforderlichen örtlichen und zeitlichen Eingrenzung des Unfallgeschehens. Danach muss sich – wie vorliegend – genau bestimmen lassen, wann und wo sich das Ereignis abgespielt hat. Dies ist besonders bei Infektionskrankheiten wichtig, um sie überhaupt als Unfall bezeichnen zu können (vgl. dazu Beschluss vom 19. Januar 2006 – BVerwG 2 B 46.05 – Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 17).
Die vorläufige Festsetzung des Streitwerts beruht aus § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Herbert, Prof. Dr. Kugele, Thomsen
Fundstellen