Verfahrensgang
VG Dresden (Aktenzeichen 1 K 371/97) |
Tenor
Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt, soweit für die Beigeladene zu 2 Beschwerde eingelegt worden ist.
Auf die Beschwerde des Beigeladenen zu 1 wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 5. August 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, die durch die für die Beigeladene zu 2 eingelegte Beschwerde entstanden sind, werden den Rechtsanwälten Dr. Hans-Jürgen Creutz, Markt 5, 01662 Meißen, auferlegt.
Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 250 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem dieser festgestellt hat, dass die Beigeladenen hinsichtlich eines im Jahre 1981 durch Eigentumsverzicht in Volkseigentum übergegangenen, teilweise vermieteten, teilweise eigengenutzten Hofgrundstücks Berechtigte i.S. von § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1 des Vermögensgesetzes (VermG) sind. Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Die zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts bestehende Überschuldung des Grundstücks sei nicht Folge der nicht kostendeckenden Mieten gewesen, sondern habe ihre Ursache im Wesentlichen in dem schlechten baulichen Zustand eines nicht zu Wohnzwecken genutzten Seitengebäudes gehabt. Denn nach den eigenen Angaben der Beigeladenen hätten die Sanierungskosten hierfür allein etwa 100 000 M und damit weit mehr als der Einheitswert des Grundstücks von 61 300 M betragen. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beigeladenen zu 1. Seine Prozessbevollmächtigten haben zunächst auch für die Beigeladene zu 2 Beschwerde eingelegt, diese jedoch wieder zurückgenommen, weil sie die Beigeladene zu 2 nicht verträten.
Entscheidungsgründe
II.
Soweit die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen zu 1 die von ihnen für die Beigeladene zu 2 eingelegte Beschwerde zurückgenommen haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
Die Beschwerde des Beigeladenen zu 1 ist begründet. Das angefochtene Urteil leidet an einem Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, der zu seiner Aufhebung nötigt.
Nicht zum Erfolg verhilft der Beschwerde allerdings die Rüge, das Verwaltungsgericht habe den Anspruch der Beigeladenen zu 2 auf rechtliches Gehör verletzt, weil es entgegen § 86 Abs. 4 Satz 3 VwGO der Beigeladenen zu 2 nicht sämtliche im Verfahren gewechselten Schriftsätze zur Kenntnis gegeben und insbesondere die Beigeladene nicht zur mündlichen Verhandlung geladen habe. Das Verwaltungsgericht hat damit zwar ggf. den Anspruch der Beigeladenen zu 2 auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Eine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers scheidet aber aus, wenn dieser Verfahrensfehler den Beschwerdeführer nicht berührt (Beschluss vom 14. Juni 2000 – BVerwG 8 B 36.00 –). Der Anspruch auf rechtliches Gehör steht dem jeweiligen Verfahrensbeteiligten zu. Seine Verletzung trifft nur diesen selbst, ohne die Rechtsposition eines anderen Verfahrensbeteiligten zu schmälern.
Der Beigeladene zu 1 macht aber zu Recht geltend, das Verwaltungsgericht habe auch ihn in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist aber nicht gezwungen, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht, das von ihm entgegengenommene Vorbringen sowohl zur Kenntnis genommen als auch in seine Erwägungen einbezogen hat. Nur bei deutlichen gegenteiligen Anhaltspunkten kann ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs angenommen werden (vgl. z.B. Beschluss vom 10. Mai 1999 – BVerwG 7 B 300.98 –).
Das Verwaltungsgericht hat sich in den Entscheidungsgründen seines Urteils darauf gestützt, bereits nach den eigenen Angaben der Beigeladenen hätten die Kosten allein für die Instandsetzung des sog. Fachwerkseitengebäudes schon etwa 100 000 M betragen. Zwar hatte der Beigeladene zu 1 in einem seiner Schriftsätze in der Tat die Instandsetzungskosten für das Fachwerkseitengebäude mit mindestens 100 000 M beziffert. Er hat aber in allen anderen Schriftsätzen, beginnend mit der Begründung seines Antrages auf Rückübertragung des Grundstücks, die Kosten für eine Instandsetzung des Fachwerkseitengebäudes mit 50 000 M angegeben. Seinen hiervon abweichenden Vortrag hat er bereits im folgenden Schriftsatz ausdrücklich zurückgenommen. Dies hat das Verwaltungsgericht zwar zur Kenntnis genommen. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils ist der wechselnde Vortrag des Beigeladenen zu 1 zutreffend wiedergegeben. Das Verwaltungsgericht hat aber bei seiner Entscheidung den Vortrag des Klägers nicht in Erwägung gezogen, er beziffere die Kosten für eine Instandsetzung des Fachwerkseitengebäudes nicht, wie zwischenzeitlich eingeschätzt, mit 100 000 M, sondern mit 50 000 M.
Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BVerfGE 86, 133, 146).
Dass das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung ohne Auseinandersetzung mit dem abweichenden Vortrag des Beigeladenen zu 1 dessen Angaben über Instandsetzungskosten von 100 000 M zugrunde gelegt hat, lässt nur den Schluss zu, das Verwaltungsgericht habe den abweichenden Vortrag trotz Erwähnung im Tatbestand bei der Entscheidung nicht mehr in Erwägung gezogen.
Von zentraler Bedeutung waren für das Verwaltungsgericht nach der Begründung seiner Entscheidung die eigenen Angaben des Beigeladenen zu 1 zur Höhe der Kosten, die auf die Instandsetzung des Fachwerkseitengebäudes entfielen. Denn das Verwaltungsgericht hat mit Blick auf die allein noch gewürdigte Einschätzung des Beigeladenen zu 1, diese Kosten hätten etwa 100 000 M betragen, die Ursächlichkeit nicht kostendeckender Mieten für die bevorstehende Überschuldung des Grundstücks verneint und gerade wegen der Höhe dieses Betrages weitere Feststellungen unterlassen, die anderenfalls in Anbetracht des Einheitswerts von 61 300 M auch aus der Sicht des Verwaltungsgerichts erforderlich gewesen wären. Deshalb war zu erwarten, dass das Verwaltungsgericht auf die unterschiedlichen Angaben des Beigeladenen zu 1 zur Höhe der Kosten einging und nicht ohne Auseinandersetzung mit dem abweichenden sonstigen Vortrag den Beigeladenen zu 1 an dem höchsten von ihm genannten Betrag festhielt. Eine Auseinandersetzung war umso mehr zu erwarten, als alle Beteiligten übereinstimmend von dem zunächst genannten Betrag von 50 000 M ausgegangen waren, und der Beigeladene zu 1 seinen abweichenden Vortrag alsbald ausdrücklich wieder hatte fallen lassen.
Für das Verwaltungsgericht bestand ersichtlich kein Anlass, den Vortrag des Beigeladenen zu 1, die in Rede stehenden Kosten hätten 100 000 M betragen, für substantiiert, hingegen seinen abweichenden Vortrag, diese Kosten hätten 50 000 M betragen, für unsubstantiiert zu halten. Was ihre Substanz anlangt, unterschieden sich die wechselnden Angaben zur Höhe des Betrages nicht.
Da das Urteil des Verwaltungsgerichts – wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen zugleich ergibt – auf der verfahrensfehlerhaft getroffenen Feststellung beruht und sich auch nicht mit Blick auf die weiteren Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts aus einem anderen Grunde als im Ergebnis richtig erweist (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO), nimmt der Senat den Verfahrensfehler zum Anlass, das angefochtene Urteil gemäß § 133 Abs. 6 VwGO durch Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.
Soweit die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen zu 1 ihre für die Beigeladene zu 2 erhobene Beschwerde zurückgenommen haben, sind ihnen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als vollmachtlosen Vertretern aufzuerlegen. Sie haben eingeräumt, die Beschwerde insoweit ohne Mandat der Beigeladenen zu 2 eingelegt zu haben.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Gödel, Neumann
Fundstellen