Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 14.02.2006; Aktenzeichen 15 A 2119/02.A) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Der Klägerin kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die von der Beschwerde behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Die Beschwerde hält zunächst die Frage für klärungsbedürftig,
ob die Yeziden in der Türkei noch als Gemeinschaft, d.h. als Gruppe im Sinne der Gruppenverfolgung wahrgenommen werden.
Angesichts der verschwindend kleinen Anzahl von 363 Yeziden in der Türkei, von der auch das Berufungsgericht ausgegangen sei, sei grundsätzlich zu klären,
ob bei einer extrem kleinen Anzahl von Angehörigen der verfolgten Minderheit, die nicht mehr als “Gruppe” wahrgenommen werde, auf das Kriterium der Verfolgungsdichte verzichtet werden könne, solange einzelne Verfolgungsschläge stattfänden und das allgemeine Klima der Verachtung und des Hasses als Grund der Verfolgung fortbestehe.
Damit und mit dem weiteren Vorbringen der Beschwerde ist nicht – wie für eine Grundsatzrüge erforderlich – eine klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts aufgezeigt, die in einem Revisionsverfahren entschieden werden könnte. Bei der ersten Frage handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage, sondern um eine Frage der tatsächlichen Lage der Yeziden in der Türkei, die nur von den Tatsachengerichten zu beurteilen ist und einer Klärung im Revisionsverfahren nicht zugänglich ist. Die weitere von der Beschwerde in diesem Zusammenhang formulierte Frage würde sich in einem Revisionsverfahren so nicht stellen. Denn sie geht von tatsächlichen Voraussetzungen aus (keine Wahrnehmung als “Gruppe”, “allgemeines Klima der Verachtung und des Hasses”), die das Berufungsgericht nicht festgestellt hat und die deshalb auch in einem Revisionsverfahren nicht zugrunde gelegt werden könnten (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Im Übrigen zielt die Beschwerde auch mit dieser Frage der Sache nach auf die den Tatsacheninstanzen vorbehaltene Feststellung und Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse in der Türkei, ohne eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage aufzuwerfen.
Die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme einer – hier allein in Betracht kommenden – Gruppenverfolgung, insbesondere das von der Beschwerde angesprochene Erfordernis der Verfolgungsdichte, sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich geklärt (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 – BVerwG 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 m.w.N. und zuletzt zu § 60 Abs. 1 AufenthG Urteil vom 18. Juli 2006 – BVerwG 1 C 15.05 – AuAS 2006, 246, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Die Verfolgungshandlungen müssen danach im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (stRspr, Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O.). Ob diese Voraussetzungen bei einer Gruppe in einem bestimmten Herkunftsstaat vorliegen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei müssen Anzahl und Intensität der Verfolgungsmaßnahmen auch zur Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden. Sowohl bei der von der Beschwerde angesprochenen Frage der Gruppengröße als auch bei der Frage der Quantität und Qualität der Verfolgungsmaßnahmen handelt es sich deshalb um Fragen der Sachverhaltsfeststellung und Würdigung durch die Tatsacheninstanzen im Einzelfall, die einer weitergehenden rechtsgrundsätzlichen Klärung im Revisionsverfahren nicht zugänglich sind (Beschluss vom 23. Dezember 2002 – BVerwG 1 B 42.02 – Buchholz 11 Art. 16a GG Nr. 49). Dies gilt, wie das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls bereits entschieden hat, auch für die Fälle besonders kleiner Gruppen (vgl. Beschluss vom 11. November 1999 – BVerwG 9 B 563.99 – Buchholz 11 Art. 16a GG Nr. 21 zu syrisch-orthodoxen Christen im Tur Abdin/Türkei sowie Beschluss vom 23. Dezember 2002 a.a.O.). Auch wenn dabei im Rahmen der wertenden Betrachtung im konkreten Einzelfall gegebenenfalls von “einer weiteren Quantifizierung der Verfolgungsschläge” abgesehen werden kann, ist der abstrakte Maßstab für die erforderliche Verfolgungsdichte auch bei derartig kleinen Gruppen kein anderer als der oben beschriebene, den auch das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Ein darüber hinausgehender rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf aus Anlass des Falles der Klägerin lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.
b) Die Beschwerde hält ferner die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob angesichts jahrelanger einhelliger Rechtsprechung aller mit Asylverfahren von Yeziden aus der Türkei befassten Obergerichte in der Bundesrepublik Deutschland, von der abzugehen beabsichtigt ist, bei sich widersprechenden nur wenigen aktuellen Erkenntnisquellen die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten ist, um hinreichend verlässliche Feststellungen zur Frage einer möglichen Gruppenverfolgung treffen zu können.
Damit wird eine Rechtsfrage, die in verallgemeinerungsfähiger Weise in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnte, nicht aufgezeigt. Unter welchen Voraussetzungen die Tatsacheninstanzen zur Einholung weiterer, aktueller Sachverständigengutachten im Asylprozess verpflichtet sind bzw. unter welchen Voraussetzungen sich ihnen die Einholung weiterer Auskünfte oder Stellungnahmen aufdrängen muss, ist eine Frage der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) und des tatrichterlichen Ermessens bei der Sachverhaltsaufklärung im Einzelfall (vgl. auch § 98 VwGO i.V.m. § 412 ZPO). Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern sie einer rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich sein soll, die über die in ständiger Rechtsprechung hierzu entwickelten allgemeinen Grundsätze hinausgeht (vgl. etwa Beschluss vom 5. Februar 2002 – BVerwG 1 B 18.02 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 319).
2. Die Beschwerde rügt als Verfahrensmangel, dass das Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisanträge zu Unrecht abgelehnt und damit das rechtliche Gehör der Klägerin (§ 138 Nr. 3 VwGO) sowie die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt habe.
a) Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung unter Berufung auf die von ihm eingereichte Stellungnahme des Yezidischen Forums vom 3. Februar 2006 u.a. beantragt, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben,
dass es in den letzten drei Jahren in der Süd-Ost-Türkei mindestens neun schwerwiegende asylrelevante Übergriffe seitens der Moslems auf Yeziden aus religiösen Gründen gegeben habe und die türkischen Behörden dagegen keinen Schutz gewährt hätten.
Das Berufungsgericht hat den Beweisantrag ausweislich des Sitzungsprotokolls mit der Begründung abgelehnt, dass vier der in dem Antrag angesprochenen Fälle nicht entscheidungserheblich seien und es sich in den weitergehenden fünf Fällen um einen Ausforschungsantrag handele. In den Urteilsgründen hat es hierzu im Einzelnen ausgeführt (UA S. 20 f.): In der Auskunft des Yezidischen Forums vom 3. Februar 2006 an den Vertreter der Klägerin würden lediglich vier Übergriffe gegen Yeziden nach Ort, Zeit und den betroffenen Personen näher konkretisiert, nämlich ein Übergriff im Jahre 2002, einer im Jahre 2004 und zwei im Jahre 2005. Im Übrigen werde nur pauschal auf weitere Fälle vergleichbarer Art Bezug genommen, denen nachgegangen werde. Der Senat könne unterstellen, dass die vier konkretisierten Vorfälle stattgefunden hätten, denn sie seien nicht entscheidungserheblich. Auch wenn sie asylrelevant sein sollten, lägen jedenfalls keine so dicht und eng gestreuten Verfolgungsschläge vor, dass – ausgehend von einer Anzahl von 363 Gruppenangehörigen – für jedes Gruppenmitglied die Furcht begründet wäre, in eigener Person Opfer der Übergriffe zu werden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der gravierendste Vorfall, der Mord an einem Sheikh und dessen schwangerer Ehefrau, bereits im März 2002 erfolgt sein solle und damit fast vier Jahre zurückliege. Hinsichtlich der weiteren behaupteten fünf Fälle fehle es an jeglichen konkretisierenden Angaben und damit an tatsächlichen Grundlagen für die unter Beweis gestellte Tatsachenbehauptung. Für deren Wahrheitsgehalt spreche damit nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Es handele sich daher um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Im Übrigen führt das Berufungsgericht aus, dass und aus welchen Gründen es die Auskünfte des Auswärtigen Amtes, die sich u.a. auf die Befragung einzelner Yeziden im Südosten der Türkei stützten und nach denen in den letzten Jahren keine religiös motivierten Übergriffe von Moslems gegen Yeziden bekannt geworden seien, auch im Hinblick auf die genannte Auskunft des Yezidischen Forums in Verbindung mit der sonstigen Erkenntnislage als ausreichende Beurteilungsgrundlage für die Verfolgungssituation der Yeziden im Südosten der Türkei ansieht (UA S. 21 bis 25).
Inwiefern die so im Einzelnen begründete, auf zwei nach dem Prozessrecht grundsätzlich zulässige Gesichtspunkte gestützte Ablehnung des beantragten Sachverständigenbeweises durch das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft gewesen sein soll, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Soweit sie sich gegen die Ablehnung hinsichtlich der vier konkretisierten Übergriffe als nicht entscheidungserheblich wendet, verkennt sie, dass im Rahmen einer Verfahrensrüge von der materiellen Rechtsauffassung des Tatsachengerichts auszugehen ist. Nach der Auffassung des Berufungsgerichts reichten aber die – zugunsten der Klägerin als wahr unterstellten – vier konkretisierten Vorfälle auch angesichts der – ebenfalls zugunsten der Klägerin zugrunde gelegten – niedrigsten Zahl von 363 Yeziden nicht für die Annahme einer derzeit noch stattfindenden Gruppenverfolgung aus; aus dieser hier maßgeblichen rechtlichen Sicht bedurfte es insoweit keiner weiteren Ermittlungen. In Wahrheit greift die Beschwerde mit ihrem Vorbringen die materiellrechtliche Auffassung und Würdigung des Berufungsgerichts zur Verfolgungsdichte an, ohne einen Verfahrensmangel darzulegen.
Auch hinsichtlich der Ablehnung des Beweisantrags bezüglich weiterer fünf nicht näher konkretisierter Übergriffe auf Yeziden zeigt die Beschwerde ein verfahrensfehlerhaftes Vorgehen des Berufungsgerichts nicht auf. Die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht neuesten Erkenntnisse des Yezidischen Forums (Stellungnahme vom 3. Februar 2006) enthielten keinerlei konkrete Anhaltspunkte für die behaupteten fünf weiteren Übergriffe gegen Yeziden. Es lagen danach lediglich “Hinweise” auf weitere Übergriffe dieser Art vor, denen nachgegangen werde. Wenn das Berufungsgericht aufgrund der aktuellen Erkenntnislage, insbesondere der detaillierten Berichte und Auskünfte des Auswärtigen Amtes, zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Situation der Yeziden in der Türkei sich in jüngster Zeit deutlich entspannt habe und in den letzten Jahren allenfalls vereinzelt religiös motivierte Verfolgungsmaßnahmen gegen Yeziden festzustellen seien, und vor diesem Hintergrund den Beweisantrag bezüglich der weiteren fünf – im Übrigen auch im Beschwerdeverfahren – nicht näher substantiierten Vorfälle als unzulässigen Ausforschungsbeweis abgelehnt hat, ist dies unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht prozessrechtswidrig (vgl. aber den anders gelagerten Fall, der dem Beschluss vom 24. Mai 2006 – BVerwG 1 B 128.05 – zugrunde lag).
Auch der weitere vom Berufungsgericht angeführte Ablehnungsgrund, dass es sich auf der Grundlage der vorliegenden zahlreichen Erkenntnismittel aus unterschiedlichen Quellen, die ein aussagekräftiges und homogenes Bild der Situation der Yeziden in der Türkei lieferten, bereits als ausreichend sachkundig ansehe (UA S. 25), ist prozessrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern angesichts der nachvollziehbar dargelegten Auswertung der vorliegenden Erkenntnismittel im Berufungsurteil das Unterlassen der beantragten weiteren Ermittlungen gleichwohl prozessrechtlich fehlerhaft gewesen sein soll. Aus den gleichen Gründen ist auch nicht dargetan, warum sich dem Gericht aufgrund seiner Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO die beantragte Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen.
b) Soweit die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe den Beweisantrag “zur Frage der asylerheblichen Verletzung des religiösen Existenzminimums” zu Unrecht abgelehnt, gibt sie schon nicht an, auf welchen der im Schriftsatz vom 3. Februar 2006 formulierten Beweisanträge sich dieses Vorbringen bezieht. Sollte der Beweisantrag zu der Frage gemeint sein, ob “in der Türkei lediglich eine Familie der Filation S… und ein sehr alter Sheikh der Filation Sh… sowie einige wenige Pir-Familien” leben und ob “die … erforderliche Gemeinde sowie die für die Murids zuständigen Sheikhs bzw. Pirs nicht vorhanden” seien, hat das Berufungsgericht diesen Beweisantrag als nicht entscheidungserheblich abgelehnt, da dies nicht zu einer asylerheblichen Verletzung des religiösen Existenzminimums führe. Inwiefern dieser prozessrechtlich zulässige Ablehnungsgrund unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts über die rechtlichen Anforderungen an einen asylerheblichen Eingriff in das religiöse Existenzminimum verfahrensfehlerhaft sein soll, zeigt die Beschwerde wiederum nicht auf.
3. Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf der Beschwerde, das Berufungsgericht habe den “offenkundigen Sachverhalt”, dass die geringe Zahl der in der Türkei verbliebenen religiösen Würdenträger auf dem Staat zurechenbarer mittelbarer Gruppenverfolgung der Yeziden beruhe, nicht zur Kenntnis genommen und damit das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt, ist ebenfalls nicht schlüssig dargetan. Nach Auffassung des Berufungsgerichts liegt eine Verletzung des religiösen Existenzminimums nur dann vor, wenn die Religionsausübung in ihrem unverzichtbaren Kern durch staatliche oder dem Staat zurechenbare Eingriffe unmöglich gemacht wird. Der Heimatstaat sei nicht zur Gewährleistung der religiösen Infrastruktur verpflichtet. Etwaige von der Klägerin geltend gemachte religiöse Beeinträchtigungen beruhten aber nicht auf staatlichen oder dem Staat zurechenbaren Eingriffen, sondern seien lediglich die tatsächliche Folge der vergleichsweise geringen Zahl von in der Türkei lebenden Yeziden (UA S. 26). Nach Ansicht des Berufungsgerichts kommt es folglich auf die Frage, ob und aus welchen Gründen die religiöse Betreuung der Yeziden in der Türkei in der Vergangenheit beeinträchtigt oder eingeschränkt worden ist, nicht an, da nur auf gegenwärtig oder künftig zu erwartende staatliche oder dem Staat zurechenbare Eingriffe in das religiöse Existenzminimum abzustellen ist. Die Beschwerde wendet sich daher auch mit dieser Gehörsrüge in Wahrheit gegen eine ihrer Ansicht nach unzutreffende Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die sie nicht mit einer Verfahrensrüge geltend machen kann.
4. Die von der Beschwerde in Zusammenhang mit der ersten Grundsatzfrage gerügte Gehörsverletzung (Beschwerdebegründung S. 2 unten) wegen fehlender Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin über das Alter und die zerstreute Siedlungsweise der wenigen in der Türkei verbliebenen Yeziden ist ebenfalls nicht schlüssig dargetan. Auch insoweit zeigt die Beschwerde nicht auf, dass dieses Vorbringen nach der materiellen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts entscheidungserheblich war. Sie wendet sich auch mit dieser Rüge der Sache nach lediglich gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, ohne damit einen Verfahrensfehler aufzuzeigen.
5. Die Beschwerde rügt schließlich als weiteren Verfahrensmangel, dass das Berufungsgericht nicht über das gesamte Klagebegehren der Klägerin entschieden habe. Es habe lediglich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG geprüft, nicht aber das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hinsichtlich der Türkei. Zwar habe die Beklagte während des Berufungsverfahrens die Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides (negative Feststellung zu § 53 AuslG) sowie die Ziffer 4 (Abschiebungsandrohung nach Syrien) aufgehoben, und der Rechtsstreit sei insoweit für erledigt erklärt worden; sodann habe die Klägerin nur noch beantragt, Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Türkei vorliegen. Gleichwohl hätte das Berufungsgericht diesen Antrag sachdienlich umfassend dahingehend auslegen müssen, dass für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag hilfsweise auch zumindest Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG begehrt werde. Insoweit werde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie das Fehlen von Entscheidungsgründen nach § 138 Nr. 6 VwGO gerügt.
Auch dieses Vorbringen der Beschwerde führt nicht auf einen Verfahrensrechtsverstoß. Denn die Auffassung des Berufungsgerichts, dass sich das Klagebegehren auf den Verpflichtungsantrag mit dem Ziel der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG beschränkt, ist prozessrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar entspricht es, wie die Beschwerde zu Recht vorträgt, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der typischen Interessenlage des im Verwaltungsverfahren unterlegenen Asylsuchenden sein Rechtsschutzbegehren – wenn es nicht ausnahmsweise deutlich erkennbar eingeschränkt sein sollte – sachdienlich umfassend dahingehend auszulegen, dass er für den Fall des Unterliegens mit seinem Hauptantrag auf Gewährung von Asyl oder Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AuslG hilfsweise beantragt, ihm entweder Schutz vor drohender Abschiebung nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG oder – weiter hilfsweise – zumindest Abschiebungsschutz durch Verpflichtung des Bundesamts zu einer Feststellung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren (vgl. etwa Urteil vom 26. Juni 2002 – BVerwG 1 C 17.01 – BVerwGE 116, 326 ≪328 f.≫ m.w.N.). Allerdings gilt dies nur für den (typischen) Fall, in dem das Bundesamt den Asylantrag abgelehnt, das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 sowie nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG verneint und die Abschiebung in den Heimatstaat angedroht hat. Ein solcher Fall lag im Verfahren der Klägerin jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht vor, nachdem die Beklagte die negative Feststellung zu den Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG (jetzt § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG) bezüglich Syriens (Ziffer 3 des Bescheides) sowie die Abschiebungsandrohung nach Syrien (Ziffer 4 des Bescheides) aufgehoben hatte und der Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt worden war. Es wäre deshalb allein Sache der rechtskundig vertretenen Klägerin gewesen, neben dem von ihr gestellten Verpflichtungsantrag zu § 60 Abs. 1 AufenthG auch hilfsweise die Verpflichtung des Bundesamts zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG zu beantragen und ggf. das Rechtsschutzinteresse für ein derartiges Hilfsbegehren trotz fehlender (aufgehobener) negativer Entscheidung und Abschiebungsandrohung des Bundesamts darzulegen. Das Berufungsgericht war jedenfalls ohne eine derartige Erklärung der Klägerin angesichts der besonderen Verfahrenssituation nicht gehalten, ihr Rechtsschutzbegehren von sich aus entsprechend auszulegen, zumal ein solcher Antrag wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses wohl unzulässig gewesen wäre (vgl. hierzu im Einzelnen Urteil vom 4. Dezember 2001 – BVerwG 1 C 11.01 – BVerwGE 115, 267). Für den Fall, dass das Bundesamt der Klägerin in Zukunft die Abschiebung in die Türkei unter Versagung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG androhen sollte, ist die Klägerin nicht gehindert, dann um Rechtsschutz nachzusuchen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Beck, Prof. Dr. Dörig
Fundstellen