Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 22.08.2007; Aktenzeichen 21d A 3070/06.BDG) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. August 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die Beschwerde bleibt erfolglos. Weder beruht das angegriffene Urteil auf einer Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 69 BDG), noch kommt der Sache grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 69 BDG).
1. Die von der Beklagten in erster Linie gerügte Divergenz liegt nicht vor. Eine zur Zulassung der Revision nötigende Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist dann gegeben, wenn das Berufungsgericht in Anwendung einer konkreten Norm des revisiblen Rechts einen tragenden Rechtssatz aufstellt, der im Widerspruch zu einem zur selben Norm aufgestellten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts steht. Das ist hier nicht der Fall.
Die Beklagte beanstandet, das Berufungsgericht hat außer Acht gelassen, dass es nach den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2005 – BVerwG 2 C 12.04 – (BVerwGE 124, 252 ≪259≫) und vom 22. September 2006 – BVerwG 2 B 52.06 – (DÖD 2007, 187 f.) bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme auf die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienstliche Verhalten des Beamten vor, bei und nach dem Dienstvergehen ankomme. Dies habe das Berufungsgericht missachtet. Zudem habe es das Persönlichkeitsbild der Beklagten und insbesondere deren wirtschaftliche Verhältnisse nicht zureichend entlastend im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts berücksichtigt. Der für eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erforderliche tiefgreifende und letztlich restlose Verlust des für die weitere Berufsausübung benötigten Vertrauens der Vorgesetzten und der Allgemeinheit lasse sich nicht feststellen.
Mit diesen Ausführungen wird eine Divergenz nicht dargelegt, sondern allenfalls deutlich gemacht, das Berufungsgericht habe die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Bemessungskriterien nicht fehlerfrei angewandt. In Disziplinarverfahren kann eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 69 BDG grundsätzlich nicht damit begründet werden, das Tatsachengericht habe die be- und entlastenden Umstände im Rahmen der Gesamtwürdigung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG fehlerhaft gewürdigt und gewichtet (vgl. Beschluss vom 3. Juli 2007 – BVerwG 2 B 18.07). Letztlich beanstandet die Beklagte die tatrichterliche Würdigung des Dienstvergehens, legt jedoch nicht dar, dass sich das Berufungsgericht dabei von einem Maßstab habe leiten lassen, der mit dem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten unvereinbar ist.
Hiervon abgesehen trifft der Vorwurf auch in der Sache nicht zu. Das Berufungsgericht hat, wie seine Ausführungen auf Seite 16/17 der angegriffenen Entscheidung zeigen, das Urteil des Senats vom 20. Oktober 2005 (a.a.O.) ausdrücklich zur Kenntnis genommen und die darin aufgestellten Maßstäbe nicht nur formal, sondern auch inhaltlich zur Grundlage seiner eigenen Rechtsfindung gemacht. Es hat die nach Lage der Dinge in Betracht zu ziehenden entlastenden Gesichtspunkte – lange beanstandungsfreie Dienstzeit, wirtschaftliche Lage der Familie, dauernde Arbeitslosigkeit des Ehemanns, Einsicht und Reue gegenüber dem zur Last gelegten Dienstvergehen, lasche Kontrolle durch die Klägerin, angebliche Gedankenlosigkeit der Beklagten – nicht nur unter dem hergebrachten Blickwinkel der “anerkannten Milderungsgründe” gewürdigt, sondern sich auch unter Lösung von diesem Begriff mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Würdigung dieser entlastenden Gesichtspunkte in ihrer Gesamtheit die Prognose zu rechtfertigen vermag, die Beklagte habe das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren. Das Berufungsgericht ist in tatrichterlicher Würdigung dieser Umstände zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Frage zu verneinen und die Beklagte deshalb aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist. Da bereits das Verwaltungsgericht – vom Ansatz her zutreffend – eine Gesamtwürdigung vorgenommen hatte, hat es sich darauf beschränkt, die beiden Hauptgesichtspunkte, die im Vordergrund der erstinstanzlichen Würdigung gestanden hatten, anders zu würdigen. Die verbleibenden und weniger gewichtigen entlastenden Gesichtspunkte hat es mit dem zusammenfassenden Satz gewürdigt: “Sonstige Gründe in der Person der Beklagten, die eine Entfernung aus dem Dienst hier nicht angemessen erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich.” In der Gesamtschau beider Entscheidungen und der jeweils zutreffenden Obersätze lässt sich bei dem gegebenen Zusammenhang noch nicht feststellen, dass sich das Berufungsgericht bei der Rechtsanwendung zu den eigenen Rechtssätzen (und denen des Bundesverwaltungsgerichts) in Widerspruch gesetzt hätte. Etwaige Unvollkommenheiten oder Fehler bei der Anwendung der Rechtssätze auf den Einzelfall vermögen jedenfalls eine Divergenz nicht zu begründen.
2. Der Sache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, was unter “Rest an Vertrauen in die Person des Beamten” zu verstehen sei, ist keine klärungsfähige Rechtsfrage. Ob trotz des festgestellten Dienstvergehens noch ein Rest an Vertrauen in den Beamten besteht oder schon ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist, ist das Ergebnis einer Gesamtabwägung und damit eine Frage der Würdigung des Einzelfalls. Die hierfür von § 13 BDG aufgestellten begrifflichen Voraussetzungen und anzuwendenden Bemessungsmaßstäbe sind bereits höchstrichterlich geklärt. Der Senat hat in mehreren Entscheidungen (vgl. Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O., vom 3. Mai 2007 – BVerwG 2 C 9.06 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 und vom 24. Mai 2007 – BVerwG 2 C 25.06 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 4) deutlich gemacht, dass die prognostische Frage nach dem Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung die Erwartung betrifft, der Beamte werde sich aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit so verhalten, wie es von ihm in Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich (§ 54 Satz 3, § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG) erwartet wird. Das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die Person des Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen allgemeinen Status als Beamter, daneben aber auch auf dessen konkreten Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung, z.B. als Polizei- oder Zollbeamter, und auf dessen konkret ausgeübte Funktion, z.B. als Vorgesetzter. Ob und gegebenenfalls inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Betrachtung unter Würdigung des Gewichts des Dienstvergehens in Auslegung aller festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde (vgl. Berufungsurteil S. 15 f.).
Wenn § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis von einem prognostisch zu beurteilenden endgültigen Vertrauensverlust durch ein schweres Dienstvergehen abhängig macht, greift er die generell geltenden Bemessungskriterien des § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG – Schwere des Dienstvergehens – und des § 13 Abs. 1 Satz 4 BDG – Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit – sowie als drittes Kriterium für die Bestimmung einer Disziplinarmaßnahme das Persönlichkeitsbild des Beamten auf. Diesen Anforderungen wird die fallbezogene Handhabung der Bemessungskriterien des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG und damit die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG dann gerecht, wenn die bereits in der bisherigen Disziplinarrechtsprechung unter Geltung der Bundesdisziplinarordnung als bemessungserheblich eingestuften und auch in § 38 Abs. 1 WDO erwähnten Umstände einschließlich sogenannter Erschwerungs- und Milderungsgründe berücksichtigt werden.
Einen hierüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 77 Abs. 4 BDG. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben (§ 78 Abs. 1 Satz 1 BDG).
Unterschriften
Albers, Dr. Müller, Groepper
Fundstellen