Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Aktenzeichen 9 B 98.35722) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Dezember 1999 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung in der Hauptsache bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Gründe
Der Klägerin kann nach § 166 VwGO, § 114, § 115 Abs. 3 ZPO Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, da die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vorliegen. Nach § 115 Abs. 3 ZPO wird Prozesskostenhilfe nicht bewilligt, wenn die Prozesskosten vier der aus dem Einkommen aufzubringenden Monatsraten nicht übersteigen. Das ist hier der Fall. Nach den eingereichten Unterlagen müsste die Klägerin nach § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO Monatsraten in Höhe von 270 DM aufbringen. Die Anwaltskosten erreichen bei einem Gegenstandswert von 3000 DM (§ 83 b Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG; vgl. den Beschluss vom 20. Januar 1994 – BVerwG 9 B 15.94 – Buchholz 402.25 § 83 b AsylVfG Nr. 1 = DVBl 1994, 537) die zumutbare Eigenbelastung nach § 115 Abs. 3 ZPO offensichtlich nicht; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.
Die Beschwerde ist im Hinblick auf den geltend gemachten Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Ablehnung eines Beweisantrags (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) zulässig und begründet. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung verweist der Senat die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an das Berufungsgericht zurück.
Die Klägerin beanstandet zu Recht, dass der Beweisantrag im Schriftsatz vom 29. November 1999 (dort unter 1. bis 3.) mit einer Begründung abgelehnt worden ist, die im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (zu den Voraussetzungen eines Gehörsverstoßes bei der Ablehnung eines Beweisantrags vgl. zuletzt etwa BVerfG, Beschluss vom 22. November 1996 – 2 BvR 1753/96 – AuAS 1997, 6 unter Hinweis auf BVerfGE 69, 141, 144). Dabei kann offen bleiben, inwieweit die Ablehnungsbegründung in der Berufungsentscheidung (BA S. 11)
– „Den Beweisangeboten der Klägerseite (Einholung weiterer Auskünfte des AA, des UNHCR und von ai) brauchte nicht nachgegangen zu werden, weil damit nicht konkrete Tatsachen unter Beweis gestellt
– diese sind unbestritten bzw. können als wahr unterstellt werden –, sondern bestimmte Wertungen und Prognosen belegt werden sollen, die jedoch der gerichtlichen Würdigung vorbehalten sind; es handelt sich nicht um echte Beweisanträge.” –
überhaupt geeignet wäre, die Ablehnung des Beweisantrags zu tragen. Das käme wohl nur hinsichtlich der Wahrunterstellung der im Schriftsatz der Klägerin vom 29. November 1999 unter 2. unter Beweis gestellten „Tatsachenfeststellungen bezüglich der Ereignisse in Äthiopien” in Betracht. Hingegen konnte die unter 3. des Schriftsatzes vom 29. November 1999 beantragte Beweiserhebung zu den in den zuvor zitierten Passagen der erstinstanzlichen Entscheidung „enthaltenen Wertungen bzgl. einer Verfolgungsgefahr einschließlich aus den Exilaktivitäten” nicht deswegen abgelehnt werden, weil damit „bestimmte Wertungen und Prognosen belegt” werden sollten, die „der gerichtlichen Würdigung vorbehalten” seien. Mit einer derartigen Begründung hätte das Berufungsgericht den Beweisantrag nur dann prozessrechtlich ordnungsgemäß als unzulässig ablehnen können, wenn und soweit er tatsächlich auf etwas gerichtet gewesen wäre, was „der gerichtlichen Würdigung vorbehalten” gewesen ist. So ist es etwa unzulässig, die Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage zum Gegenstand einer Beweisaufnahme mit anderen Beweismitteln zu machen (vgl. den zur Veröffentlichung bestimmten Beschluss des Senats vom 27. März 2000 – BVerwG 9 B 518.99 – ≪juris≫). Die freie Beweiswürdigung und die freie richterliche Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sind nämlich weder durch eine weitere Beweiserhebung ersetzbar noch selbst einer Beweiserhebung zugänglich. Entsprechendes gilt ferner vor allem für die richterliche Rechtsanwendung durch Subsumtion unter das Gesetz im Einzelfall. Hierauf war der Beweisantrag der Klägerin bei verständiger Würdigung indes nicht gerichtet. Der Klägerin ging es vielmehr ersichtlich darum, die vom Verwaltungsgericht in erster Instanz zu ihren Gunsten angenommene Verfolgungsgefahr durch eine sachverständige Gefährdungseinschätzung bestätigen zu lassen, um auf diese Weise auf die freie richterliche Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts Einfluss zu nehmen. Das verbietet das Prozessrecht nicht. Einen hierauf gerichteten Beweisantrag auf Einholung von Sachverständigengutachten oder einer amtlichen Auskunft kann das Tatsachengericht allerdings besonders in Asylverfahren, in denen regelmäßig eine Vielzahl amtlicher Auskünfte und sachverständiger Stellungnahmen über die politischen Verhältnisse im Heimatstaat zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden, im Allgemeinen nach tatrichterlichem Ermessen entweder gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO oder mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen und die Gefährdungsprognose im Einzelfall aufgrund tatrichterlicher Beweiswürdigung dann selbständig vornehmen. Das setzt allerdings voraus, dass die in das Verfahren eingeführte Erkenntnisgrundlage zur Beurteilung der geltend gemachten Verfolgungsgefahren ausreicht und dies gegebenenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt und belegt wird (vgl. den zitierten Beschluss vom 27. März 2000, a.a.O. und die Beschlüsse vom 11. Februar 1999 – BVerwG 9 B 381.98 – Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 42 = DVBl 1999, 1206 sowie vom 10. Juni 1999 – BVerwG 9 B 81.99 – ≪juris≫). Eine derartige Begründung hat das Berufungsgericht für sein Vorgehen nicht gegeben. Seine Auffassung schließlich, es handle sich „nicht um echte Beweisanträge”, ist unter keinem prozessrechtlichen Gesichtspunkt geeignet, eine Beweiserhebung abzulehnen.
Der Senat weist schließlich noch darauf hin, dass die Berufungsentscheidung auch deshalb verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist, weil nach der Stellung des Beweisantrags im Schriftsatz vom 29. November 1999 eine weitere Anhörung des Klägers nach § 130 a VwGO erforderlich gewesen wäre (vgl. den Beschluss vom 18. Juni 1996 – BVerwG 9 B 140.96 – Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 16; stRspr).
Auf die weiteren mit der Beschwerde erhobenen Zulassungsrügen kommt es danach nicht an. Der Senat bemerkt hierzu gleichwohl, dass weitere Revisionszulassungsgründe nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt worden sind. So verkennt die Beschwerde die Anforderungen an das Vorliegen eines groben Formmangels nach § 138 Nr. 6 VwGO (vgl. dazu etwa den Beschluss des Senats vom 5. Juni 1998 – BVerwG 9 B 412.98 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 32 = NJW 1998, 3290). Die vermisste förmliche „Beiziehung der mit Schriftsatz des Klägers vom 29. November 1999 zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen” kann einen Verfahrensmangel schon deshalb nicht bilden, weil diese Unterlagen vom Kläger selbst zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind und damit ohne weiteres im Ausgangsverfahren zu verwerten waren; erst recht bedurfte es nicht der vom Kläger als unterlassen gerügten „Aufnahme in die Erkenntnisliste des Gerichts”. Für die Divergenzrüge fehlt es an der Darlegung einander widersprechender Rechtssätze in der Berufungsentscheidung und in den lediglich pauschal benannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.
Unterschriften
Dr. Paetow, Hund, Richter
Fundstellen