Verfahrensgang

Sächsisches OVG (Aktenzeichen 1 D 825/99)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Normenkontrollverfahren gegen einen den Loschwitzer Elbhang in Dresden überplanenden einfachen Bebauungsplan. Hinsichtlich zweier näher umschriebener Teilbereiche hat das Oberverwaltungsgericht den Plan für nichtig, im Übrigen hat es ihn für unwirksam erklärt. Mit ihrer Beschwerde erstrebt die Antragsgegnerin die Zulassung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

1. Soweit das Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan hinsichtlich bestimmter Flächen fürnichtig erklärt hat, hat es seine Entscheidung damit begründet, ein einfacher Bebauungsplan gemäß § 30 Abs. 3 BauGB stelle vorliegend ein ungeeignetes Instrument dar und bewältige die entstehenden Probleme nicht ausreichend. Vor der Planung hätten die betroffenen Flächen im Außenbereich gelegen; daran ändere der Bebauungsplan nichts. In diesen Teilbereichen solle jedoch erstmals Baurecht in einem größeren Zusammenhang geschaffen werden. Auch hinsichtlich der Absicht, dort Wohneigentum zu schaffen, seien die getroffenen Festsetzungen nicht geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen, da gerade keine Bestimmung der Art der baulichen Nutzung erfolge. Ferner sei Hintergrund des Verzichts auf die Festsetzung der Art der Nutzung gewesen, dass die Antragsgegnerin die bauordnungsrechtliche Genehmigungspflicht erhalten wolle; dies sei jedoch eine sachfremde Erwägung.

1.1 Die Beschwerde stellt zunächst in Frage, ob die betroffenen Flächen nach § 35 BauGB zu behandeln seien. Soweit damit eine Aufklärungsrüge erhoben werden soll, bleibt sie ohne Erfolg. Die Beschwerde legt nicht dar, welche Tatsachen das Oberverwaltungsgericht hätte weiter aufklären sollen. Dieses hat einen Ortstermin durchgeführt und die Örtlichkeiten in Augenschein genommen. Dabei haben die Vertreter der Antragsgegnerin offensichtlich selbst die Auffassung geäußert, es handele sich um Außenbereich. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin jetzt von dieser Einschätzung abrücken möchte, gibt für mangelnde Sachaufklärung nichts her.

Auch die hierzu erhobene Divergenzrüge bleibt erfolglos. Die Beschwerde beruft sich insoweit auf das Urteil des beschließenden Senats vom 12. Dezember 1990 – BVerwG 4 C 40.87 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 138 = NVwZ 1991, 879 = BRS 50 Nr. 72. In diesem werden (ebenso wie in anderen Entscheidungen) die Maßstäbe für die Abgrenzung des Außenbereichs vom Innenbereich näher dargestellt; insbesondere ist danach der von einer Straße ausgehende Verkehrslärm kein geeignetes Abgrenzungskriterium.

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines obersten Bundesgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer – vermeintlich – fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt nicht den Anforderungen einer Divergenzrüge (stRspr, vgl. beispielsweise BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26).

Es ist schon zweifelhaft, ob die Beschwerde diese Darlegungsanforderungen erfüllt. Jedenfalls geht die Rüge in der Sache fehl, weil das Oberverwaltungsgericht keinen entgegenstehenden Rechtsgrundsatz aufgestellt hat. Es gelangt auf der Grundlage seines Augenscheins lediglich zu einem Ergebnis, mit dem die Antragsgegnerin jetzt nicht mehr einverstanden ist. Dies begründet keine Divergenz im dargestellten Sinn. Die Frage des Verkehrslärms spielte vorliegend ohnehin keine Rolle.

Soweit die Beschwerde eine Abweichung des Berufungsurteils von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Januar 1995 – BVerwG 4 NB 43.93 – NVwZ 1995, 692 rügt (Beschwerdebegründung S. 50), macht sie lediglich einen Fehler in der Rechtsanwendung geltend. Dies erfüllt nicht die Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

1.2 Die Rechtssache hat auch nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. BVerwGE 13, 90 ≪91 ff.≫; stRspr).

Die Beschwerde meint, es müsse geklärt werden, „ob grundsätzliche, spezielle Kriterien vorliegen müssen, um einen einfachen Bebauungsplan für Außenbereichsflächen aufzustellen”.

Auch stelle sich die Frage, „ob die Antragsgegnerin bei Festsetzungen in Form eines einfachen Bebauungsplans” habe bleiben dürfen, „weil damit ein großes Gesamtgebiet einheitlich überplant” werde, „oder ob bestimmte Konstellationen dazu führen” müssten, „innerhalb eines einfachen Bebauungsplans qualifizierte Festsetzungen zu wählen”.

Dies rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans gemäß § 30 Abs. 3 BauGB richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben „im Übrigen”, also soweit Festsetzungen nicht getroffen werden, nach § 34 oder § 35 BauGB. Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile sind die weiteren Maßstäbe somit insbesondere nach § 34 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB zu bestimmen. Klärungsbedürftige Fragen hierzu stellen sich schon deswegen nicht, weil das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der streitigen Teilflächen das Vorliegen eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils gerade verneint hat. Die Beschwerde zeigt jedoch auch nichts dafür auf, welcher weiterer grundsätzlicher Klärungsbedarf hinsichtlich derjenigen Fälle besteht, bei denen ein einfacher Bebauungsplan im Außenbereich aufgestellt wird. Im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit der in Betracht kommenden Ausgangssituationen erscheint eine übergreifende grundsätzliche Klärung kaum möglich; jedenfalls arbeitet die Beschwerde keine konkreten Fragen heraus, die zu einer höchstrichterlichen Aussage von allgemeiner Tragweite führen könnten. Bei der Erweiterung eines privilegierten, beispielsweise landwirtschaftlichen, Anwesens werden sich gänzlich andere Fragen stellen, als bei Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB. Es bedarf auch keiner weiteren Klärung, dass Festsetzungen in einem Bebauungsplan, mit denen das vom Satzungsgeber angestrebte Ziel verfehlt wird, an einem Abwägungsmangel leiden. Im Übrigen beruht die angegriffene Entscheidung des Normenkontrollgerichts vorliegend auf der oben dargestellten Würdigung einer Reihe von Besonderheiten des Einzelfalls, die sich dementsprechend einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren entziehen.

Auch hinsichtlich der Anwendung von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB lässt die Beschwerde keine über die Besonderheiten des Einzelfalls hinaus reichende Frage erkennen, die grundsätzlicher Klärung fähig und bedürftig wäre.

2.1 Soweit das Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan im Übrigen insgesamt fürunwirksam erklärt hat, hat es seine Entscheidung tragend unter anderem darauf gestützt, der seinerseits bereits in einem ergänzenden Verfahren gefasste Beschluss, in dem die Prüfung der eingegangenen Anregungen erfolgt ist, sei nicht vom dafür allein zuständigen Rat der Antragsgegnerin getroffen worden (OVG-Urteil 1.2). Denn diesem hätten zwar die früheren (nichtigen) Beschlüsse des Rats, nicht aber die eingegangenen Anregungen und die Abwägungsvorschläge der Verwaltung vorgelegen. Dies genüge nicht den Anforderungen an ein ergänzendes Verfahren. Zum einen sei nicht davon auszugehen, dass die personelle Zusammensetzung des Rates identisch sei. Zum anderen müsse jedenfalls bei früherer Beschlussfassung unter Mitwirkung eines befangenen Ratsmitglieds der unwirksame Satzungsbeschluss für das ergänzende Verfahren hinweggedacht werden. Die Vorgehensweise der Antragsgegnerin mache deutlich, „dass sie den ergänzenden Beschluss für eine bloße ‚Formsache’ gehalten” habe.

2.1.1 Die Beschwerde meint, das Verfahren gebe Gelegenheit, „zu verdeutlichen, welche Unterlagen einem gemeindlichen Beschlussorgan vorliegen müssen, wenn dieses im Rahmen (des) … § 215 a BauGB einen Verfahrensfehler beseitigt”. Insbesondere fragt sie, ob sich ein gemeindliches Beschlussorgan „auf sich selbst verlassen und berufen” dürfe.

Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Leidet ein Bebauungsplan an einem Mangel, kommt unter den in der Rechtsprechung näher umschriebenen Voraussetzungen (vgl. hierzu z.B. das Urteil vom 16. Dezember 1999 – BVerwG 4 CN 7.98BVerwGE 110, 193 m.w.N.) ein ergänzendes Verfahren in Betracht. Ist der Satzungsbeschluss einschließlich der mit ihm untrennbar verbundenen (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 25. November 1999 – BVerwG 4 CN 12.98BVerwGE 110, 118) Prüfung der zum Entwurf eines Bebauungsplans eingegangenen Anregungen wegen Verstoßes gegen die (landesrechtlichen) Vorschriften über den Ausschluss befangener Ratsmitglieder unwirksam, so hat eine erneute Beschlussfassung zu erfolgen. Es versteht sich von selbst und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass der Rat sich auch inhaltlich mit dem Bebauungsplan befassen muss und es sich dabei nicht um eine bloße „Formsache” handeln darf. Dies setzt auch die Möglichkeit entsprechender Vorbereitung auf die Sitzung voraus. Die Maßstäbe für die Beantwortung der Frage, ob den Ratsmitgliedern hierfür die im früheren Verfahren bereits übermittelten Unterlagen erneut zuzusenden sind, sind zunächst dem nicht revisiblen Landesrecht zu entnehmen. Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen; denn es hat einen Verfahrensfehler nach Landesrecht erkannt und offen gelassen, ob gleichzeitig auch ein Abwägungsdefizit nach Bundesrecht vorliegt. Im Übrigen mag der Beschwerde darin beizupflichten sein, dass unter bestimmten Voraussetzungen die erneute Übersendung bereits bekannter Unterlagen entbehrlich sein kann. Vorliegend hat das Oberverwaltungsgericht jedoch gerade aus mehreren Umständen die Schlussfolgerung gezogen, die Antragsgegnerin habe den ergänzenden Beschluss für eine bloße „Formsache” gehalten. Dies verdeutlicht, dass es überdies stets auf die Besonderheiten des Vorgehens in der Gemeinde oder auf weitere Umstände, beispielsweise (wie ersichtlich vorliegend) eine veränderte Zusammensetzung des Rats nach Kommunalwahlen, ankommt, so dass sich die Frage einer rechtsgrundsätzlichen über den Einzelfall hinausgreifenden Klärung entzieht.

2.1.2. Eine Zulassung der Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geboten. Vorliegend rügt die Beschwerde lediglich, das Oberverwaltungsgericht habe § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB nicht beachtet. Das Beschwerdevorbringen genügt nicht den oben zu 1.1 genannten Anforderungen einer Divergenzrüge. Davon abgesehen hat das Oberverwaltungsgericht hier, wie bereits ausgeführt, einen Fehler nach Landesrecht bejaht und ist davon ausgegangen, dass daher ein wirksamer Beschluss des Rats nicht vorliege. Somit handelt es sich nicht (lediglich) um einen Fehler im Abwägungsvorgang; auch kann kaum ernstlich in Frage gestellt werden, dass ein unwirksamer Beschluss im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB auf das Abwägungsergebnis „von Einfluss” sein kann.

2.2 Das Normenkontrollgericht hat seine Entscheidung, der Bebauungsplan sei unwirksam, ferner (vgl. 1.1 des Urteils) darauf gestützt, der Bebauungsplan verstoße gegen § 246 Abs. 1 a BauGB i.V.m. § 86 SächsBO. Es vertritt hierzu die Rechtsauffassung, § 246 Abs. 1 a BauGB 1998 räume der höheren Verwaltungsbehörde anders als § 11 Abs. 3 BauGB 1987 nicht mehr die Möglichkeit ein, vor Ablauf der (jetzt nur noch einen Monat betragenden) Frist zu erklären, dass sie keine Verletzung von Rechtsvorschriften geltend mache. Die Beschwerde ist der Auffassung, diese Frage rechtfertige die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung.

Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn selbst wenn in dem Verhalten des Regierungspräsidiums als höherer Verwaltungsbehörde eine fehlerhafte Verfahrensweise zu sehen sein sollte, wäre diese – entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts – für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans nach § 214 Abs. 1 BauGB unbeachtlich. In einem Revisionsverfahren des Antragstellers, in dem es um die Wirksamkeit des Bebauungsplans geht, wäre mithin die angesprochene Frage nicht klärungsbedürftig. Nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB ist eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften bei Erlass eines Bebauungsplans (unter anderem) nur beachtlich, wenn „eine Genehmigung nicht erteilt … worden ist”. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Erlass eines Bebauungsplans genehmigungsbedürftig ist (vgl. § 8 Abs. 2 BauGB). Ein Genehmigungserfordernis bestand nach den Feststellungen des Normenkontrollgerichts hier nicht. Ob § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB auf Anzeigeverfahren (entsprechend) anzuwenden ist, kann offen bleiben. Die Durchführung eines Anzeigeverfahrens wird in § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB nicht mehr erwähnt (vgl. demgegenüber § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB 1987). Ob dies auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers beruht, das dadurch entstanden ist, dass die Ermächtigung an die Länder, eine Anzeigepflicht vorzusehen, erst im Vermittlungsverfahren eingefügt worden ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben (vgl. hierzu Jäde in: Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, Rn. 13 zu § 214; Berliner Schwerpunkte-Kommentar zum BauGB 1998, Rn. 4 zu § 214). Denn jedenfalls „fehlt es” vorliegend nicht an einem Anzeigeverfahren; ein solches ist vielmehr durchgeführt worden. Der vom Oberverwaltungsgericht gesehene Mangel „vorzeitiger” Entscheidung ist auch nicht so schwerwiegend, dass daraus die Schlussfolgerung gezogen werden könnte, es habe überhaupt kein Anzeigeverfahren stattgefunden. Vielmehr hat das Regierungspräsidium in seinem Bescheid ausdrücklich erklärt, dass Beanstandungen nicht geltend gemacht würden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Bebauungsplan der Genehmigungsbehörde aus zahlreichen früheren Verfahrensschritten bekannt war. Unter anderem war es bereits zu Beanstandungs- und Widerspruchsverfahren gekommen. Dies wird im Tatbestand des Urteils des Normenkontrollgerichts eingehend dargestellt.

Daher bedarf es keiner Vertiefung der Frage, ob einer grundsätzlichen Klärung der von der Antragsgegnerin genannten Fragestellung zugleich entgegensteht, dass § 246 BauGB nur noch für eine Übergangszeit, die in Sachsen bereits mit dem 31. Dezember 2000 abgelaufen ist, von Bedeutung ist und ob vorliegend die besonderen Voraussetzungen für die grundsätzliche Klärung auslaufenden Rechts erfüllt sind (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712 m.w.N.).

2.3 Das Oberverwaltungsgericht stützt seine Entscheidung ferner auf mehrere materiellrechtliche Verstöße gegen höherrangiges Recht (Urt. 1.4.1 bis 1.4.7), die in ihrem Zusammenwirken zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans führen (Urt. 1.4.8).

2.3.1 Hinsichtlich eines Grundstücks (Flurstück 305 a) führt das Normenkontrollgericht aus, die Festsetzung der zulässigen Grundfläche verstoße gegen § 17 Abs. 1 BauNVO (Urt. 1.4.1). Dabei legt es die Größe des vorhandenen Grundstücks zugrunde und stellt diese in ein Verhältnis zu der vom Bebauungsplan erlaubten Grundfläche der baulichen Anlagen. Die Beschwerde hält dem entgegen, Bebauungspläne setzten keine Grundstücksgrenzen fest, so dass sich die höchst zulässige Grundfläche erst im Zeitpunkt einer konkreten Baugenehmigung ergebe. Dies bedürfe grundsätzlicher Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht.

Damit wird eine Frage, die grundsätzlicher Klärung fähig und bedürftig wäre, jedoch nicht aufgeworfen. § 17 Abs. 1 BauNVO setzt dem Plangeber Schranken. Diese hat er bei der Aufstellung des Bebauungsplans zu beachten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die hierbei geltenden Voraussetzungen in mehreren Entscheidungen näher umschrieben (vgl. Urteile vom 31. August 2000 – BVerwG 4 CN 6.99 – Buchholz 406.12 § 17 BauNVO Nr. 9 und vom 25. November 1999 – BVerwG 4 CN 17.98 – BRS 62 Nr. 26 = Buchholz 406.12 § 17 BauNVO Nr. 8; Beschluss vom 23. Januar 1997 – BVerwG 4 NB 7.96 – BRS 59 Nr. 72 = Buchholz 406.12 § 17 BauNVO Nr. 7). Nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO kann das Maß der baulichen Nutzung neben der Bestimmung der Grundflächenzahl auch durch die Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen bestimmt werden. Das Normenkontrollgericht hat festgestellt, dass die Antragsgegnerin von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und dadurch eine Bebaubarkeit ermöglicht hat, die mit § 17 Abs. 1 BauNVO nicht im Einklang steht. Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung wird damit nicht aufgeworfen. Die Gemeinde muss auch dann sicherstellen, dass die Obergrenzen des § 17 BauNVO eingehalten werden, wenn sie sich auf die Festsetzung eines absoluten Werts, wie die Grundfläche, beschränkt. Dies hat die Antragsgegnerin nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht getan. Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang angeführte Situation des Zusammentreffens von Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung einerseits und Baugrenzen andererseits betrifft einen anderen Sachverhalt. Aus diesem Grunde erfüllt die Beschwerde auch nicht die oben bereits dargestellten Anforderungen an eine Divergenzrüge.

2.3.2 Das Normenkontrollgericht hält es ferner für einen Verstoß gegen das Gebot der Konfliktbewältigung, dass hinsichtlich dreier Grundstücke vergessen worden sei, die zulässige Zahl der Vollgeschosse festzusetzen (Urt. 1.4.4). Die Beschwerde hält dem entgegen, dies sei im Hinblick auf die vorhandenen denkmalgeschützten Gebäude nicht geschehen. Damit wird eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung nicht erkennbar. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, die Festsetzung sei vergessen worden. Dann entsprach es der eigentlichen Regelungsabsicht der Antragsgegnerin, die Zahl der Vollgeschosse unabhängig vom Denkmalcharakter der bestehenden Gebäude festzusetzen. Ein derartiges Auseinanderfallen zwischen Regelungsabsicht und Regelungsinhalt wird regelmäßig einen Abwägungsfehler begründen. Dabei wird es jedoch stets auf die Besonderheiten des Einzelfalls ankommen, die sich einer grundsätzlichen Klärung entziehen. Dasselbe gilt für die Frage, ob es sich um einen erheblichen Mangel im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB handelt oder nicht. Die in diesem Zusammenhang erhobene Divergenzrüge ist unzulässig, weil keine miteinander in Widerspruch stehenden Rechtssätze formuliert werden.

2.3.3 Das Normenkontrollgericht hat ferner einen Verstoß gegen das Abwägungsgebot darin gesehen, dass für die sog. Remise auf dem Grundstück Flurstück 301 b kein Baufenster vorgesehen worden ist (Urt. 1.4.6). Die Antragsgegnerin habe sich nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob das Gebäude als denkmalgeschützter Bestand anzusehen und ob deshalb ähnlich wie bei anderen Grundstücken eine überbaubare Fläche festzusetzen sei. Die Beschwerde hält hierzu Fragen der Auslegung von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB für grundsätzlicher Klärung fähig und bedürftig. Das Urteil führt hierzu aus, es sei „nicht ausgeschlossen – wenn auch keineswegs zwingend –, dass die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre”. Diese Schlussfolgerung am Ende des näher dargelegten Abwägungsfehlers stützt sich ersichtlich auf die Einschätzung des Inhalts der dem Oberverwaltungsgericht vorliegenden Akten und der näher bezeichneten Zusammenstellung des Abwägungsmaterials. Das Normenkontrollgericht ist gerade auf der Grundlage der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls zu seinem Ergebnis gelangt; Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, die über die bisherige Rechtsprechung einer Klärung bedürften, stellen sich demgegenüber nicht. Sollte die Beschwerde die Frage aufwerfen wollen, ob Erkenntnisse, die allgemein bekannt sind, in einer Gemeinderatssitzung verwertet werden dürfen, so bedürfte es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, da die in dieser Form gestellte Frage ohne weiteres bejaht werden kann.

Auch die Divergenzrüge greift nicht durch; denn die Beschwerde wirft dem Oberverwaltungsgericht lediglich eine in ihren Augen fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall vor, genügt aber nicht den oben dargestellten Anforderungen an eine Divergenzrüge.

2.3.4 Weiterhin sieht das Normenkontrollgericht den Bebauungsplan als zu unbestimmt und abwägungsdefizitär an, soweit für zwei Grundstücke keine Festsetzungen getroffen worden sind (Urt. 1.4.7). Dem Satzungsgeber habe wohl vorgeschwebt, dass sich die Bebaubarkeit dieser Grundstücke nach §§ 34, 35 BauGB bestimme. Dies sei jedoch nicht der Fall. Im Hinblick auf andere Festsetzungen im Bebauungsplan müsse dieser dahin ausgelegt werden, dass eine Bebauung auf den genannten Grundstücken überhaupt nicht möglich sei. Indem der Satzungsgeber sich nicht entschieden habe, verstoße er zugleich gegen das Gebot der Konfliktbewältigung.

Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlicher Klärung fähig und bedürftig, ob im Bereich eines einfachen Bebauungsplans einzelne Grundstücke formell von den Festsetzungen des einfachen Bebauungsplans ausgenommen werden dürfen. Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren in dieser Form jedoch nicht stellen. Denn das Normenkontrollgericht ist in Auslegung der Festsetzungen des konkreten streitbefangenen Bebauungsplans zu dem Ergebnis gelangt, dass im Ergebnis eine Regelung – nicht überbaubare Fläche – getroffen worden ist, die vom Willen des Satzungsgebers so nicht gedeckt war. Im Hinblick auf die dadurch entstandene Unklarheit hat es den Plan als nicht hinreichend bestimmt angesehen; außerdem sei er abwägungsdefizitär. Hinzu kommt, dass auch der Unterschied zwischen dem vom Satzungsgeber Gewollten – Bebaubarkeit anhand von § 34 oder 35 BauGB zu beurteilen – und dem in Wahrheit Festgesetzten – unüberbaubare Fläche – einen Rechtsfehler begründet. Wenn der Satzungsgeber ein Ergebnis normiert hat, das er in Wahrheit so nicht gewollt hat, stellt dies kein ordnungsgemäßes Ergebnis seiner Abwägung dar. Auf die von der Beschwerde ganz allgemein gestellte Frage nach der Zulassigkeit von Flächen, hinsichtlich derer der Satzungsgeber (zu ergänzen wäre: bewusst und gewollt) die Bebaubarkeit ungeregelt lassen möchte, kommt es daher vorliegend nicht an. Aus denselben Gründen kann auch die zu § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB gestellte Frage die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Sie beruht auf Prämissen, die das Oberverwaltungsgericht nicht teilt; auf der Grundlage seiner Feststellungen ist der Fehler im Übrigen sowohl erheblich als auch offensichtlich. Auch die Voraussetzungen für eine Divergenzrüge werden mit den Hinweisen auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht erfüllt.

2.3.5 Auch die zur Frage der teilweisen oder vollständigen Unwirksamkeit des Bebauungsplans gestellten Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Ebenso wie ein Bebauungsplan lediglich hinsichtlich eines Teils seiner Regelungen nichtig sein kann, kommt eine teilweise Unwirksamkeit in Betracht. Dies versteht sich von selbst und bedarf jedenfalls keiner Klärung in einem Revisionsverfahren (vgl. auch den Beschluss des Senats vom 25. Mai 2000 – BVerwG 4 BN 17.00NVwZ 2000, 1053 = Buchholz 406.11 § 215 a BauGB Nr. 6 sowie VGH Mannheim, Normenkontrollbeschluss vom 5. Oktober 1999, BRS 62 Nr. 55). Im Übrigen beruht die Schlussfolgerung des Normenkontrollgerichts im vorliegenden Fall, eine nur teilweise Unwirksamkeit scheide im Hinblick auf die Verteilung der Mängel auf das gesamte Plangebiet aus, auf den Besonderheiten des hier zu behandelnden Einzelfalls. Hinsichtlich der Divergenzrüge gelten die obigen Ausführungen erneut.

3. Schließlich lässt das Normenkontrollgericht hinsichtlich einiger Fragen ausdrücklich offen, ob sich aus ihnen ebenfalls Gründe für eine Unwirksamkeit des Bebauungsplans ableiten lassen. Insoweit scheidet eine Zulassung der Revision von vornherein aus, da die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts unter keinem Gesichtspunkt auf diesen Ausführungen beruhen kann. Das gilt auch für die in Abschnitt E der Beschwerdebegründung erhobenen Rügen. Daher bedarf es keines Eingehens auf die hierzu geltend gemachten Rügen; sie können nicht zur Zulassung der Revision führen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Paetow, Rojahn, Jannasch

 

Fundstellen

Dokument-Index HI666499

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