Verfahrensgang
Thüringer OVG (Urteil vom 15.08.2007; Aktenzeichen 1 KO 1127/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 15. August 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Die Klägerin möchte auf einer Fläche von 6,7 ha Kiessand abbauen. Nachdem das Bergamt ihren Antrag auf Zulassung des Hauptbetriebsplans wegen der Lage des Standorts in einem Landschaftsschutzgebiet abgelehnt hatte, beantragte sie die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Befreiung. Der Beklagte lehnte dies ab und führte zur Begründung insbesondere aus: Das Gebiet sei in der DDR unter Schutz gestellt worden. Die Unterschutzstellung sei gemäß Art. 9 Abs. 1 des Einigungsvertrags i.V.m. § 26 ThürNatG weiterhin gültig. Gemäß § 56b Abs. 1 Ziff. 1 ThürNatG sei der Abbau von Bodenbestandteilen in Landschaftsschutzgebieten verboten. Die Voraussetzungen einer Befreiung lägen nicht vor.
Dagegen hat die Klägerin nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat diese abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin beantragt, festzustellen, dass sie – wegen Unwirksamkeit der Schutzverordnung – keiner naturschutzrechtlichen Befreiung für den geplanten Kiesabbau bedarf, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, ihr die Befreiung zu erteilen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung insgesamt zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 1.); ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, vgl. 2.).
1. Grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
a) Die Beschwerde hält zunächst folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:
Liegt eine die Aufnahme vorkonstitutionellen Rechts in den Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers begründende Befassungs- und Bestätigungshandlung des nachkonstitutionellen Gesetzgebers auch dann vor, wenn sich der entsprechend gesetzlich ermächtigte Rechtsverordnungsgeber inhaltlich ändernd oder bestätigend mit dem vorkonstitutionellen Recht befasst?
Wie sich aus dem weiteren Beschwerdevorbringen ergibt, möchte die Klägerin geklärt haben, ob die hier maßgebliche zunächst zweifellos vorkonstitutionelle Landschaftsschutzverordnung dadurch zu nachkonstitutionellem Recht geworden ist, dass in den Jahren 1994 bis 1999 drei Änderungsverordnungen erlassen wurden, durch die jeweils der Umfang des Landschaftsschutzgebiets verkleinert wurde.
Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich:
Wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist das Landschaftsschutzgebiet nur wirksam übergeleitet worden, wenn bei der Unterschutzstellung die in der DDR geltenden Verfahrens- und Formvorschriften beachtet wurden. Selbst wenn, wie die Klägerin meint, durch spätere Änderungsverordnungen die Landschaftsschutzverordnung zu nachkonstitutionellem Recht geworden sein sollte, würde insoweit nichts anderes gelten. Die im Freistaat Thüringen geltenden Verfahrens- und Formvorschriften waren nur bei Erlass der Änderungsverordnungen zu beachten. Wird aus vorkonstitutionellem Recht nachkonstitutionelles, gelten dagegen nicht rückwirkend andere Verfahrens- oder Formvorschriften für den erstmaligen Erlass der jeweiligen Rechtsvorschriften.
Auch übergeleitetes vorkonstitutionelles Recht ist nur dann weiterhin wirksam, wenn es mit dem heute geltenden höherrangigem Recht vereinbar ist. Auch davon ist das Berufungsgericht ausgegangen und hat die Vereinbarkeit der Landschaftsschutzgebietsverordnung mit den Regelungen des Thüringer Naturschutzgesetzes, den rahmenrechtlichen Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes und des Art. 14 GG überprüft und bejaht. Auch die hinreichende Bestimmtheit der Verordnung hat das Oberverwaltungsgericht geprüft und -soweit hier entscheidungserheblich- bejaht. Wird auf Grund nachfolgender Rechtsänderungen aus vorkonstitutionellem Recht nachkonstitutionelles, ändert sich auch daran nichts.
b) Weiter hält die Beschwerde folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:
Genügte für die ordnungsgemäße Bekanntmachung einer DDR-Landschaftsschutzverordnung nach DDR-Verfahrensrecht und nach den nachvollziehbaren Maßstäben der Rechtswirklichkeit der DDR die innerbehördliche Bekanntgabe der Verordnung ohne jeglichen Publizitätsakt gegenüber den Betroffenen?
In dieser Form stellt sich die Frage hier nicht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die staatlichen bzw. gesellschaftlichen Organisationen (u.a. Betriebe), welche an der Umsetzung der Unterschutzstellung mitzuwirken hatten, hierüber informiert wurden.
Vor allem kann die Revision zur Klärung dieser Frage schon deshalb nicht zugelassen werden, weil sich deren Beantwortung nach dem irrevisiblen Recht der DDR richtet. Zwar darf – worauf die Beschwerde insoweit zutreffend hinweist – die Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts Bundesrecht nicht verletzen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache kann aber eine Revision nur dann zugelassen werden, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts aufzeigt (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 3. März 1994 – BVerwG 1 B 97.93 – Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 26 S. 5 ≪6≫). Eine Frage des Bundesrechts stellt die Beschwerde weder ausdrücklich noch sinngemäß. Vielmehr macht sie allein geltend, das Oberverwaltungsgericht habe bei Auslegung und Anwendung des irrevisiblen Rechts der DDR sich aus dem Bundesrecht ergebende Auslegungsregeln nicht beachtet. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht insbesondere nicht verkannt, dass zur Auslegung des Rechts der DDR maßgeblich auf die gelebte Rechtswirklichkeit abzustellen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat zu dieser Rechtswirklichkeit lediglich tatsächliche Feststellungen getroffen, welche die Klägerin für unzutreffend hält. Das führt nicht auf eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
c) Schließlich hält die Beschwerde folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:
Kann aus der Erwähnung eines Landschaftsschutzgebietes in Fachzeitschriften der Schluss gezogen werden, dass der Beschluss über die Festsetzung des Landschaftsschutzgebietes auch in einem Sonderdruck zum DDR-Gesetzblatt veröffentlicht worden ist, ohne dass dieser Sonderdruck selbst vorliegt?
Diese Frage lässt sich nicht allgemein beantworten. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist Aufgabe des Tatsachengerichts. Dieses kann dabei aus bestimmten Tatsachen (Indizien) den Schluss ziehen, dass auch weitere Tatsachen vorliegen. Ob ein derartiger Schluss gezogen werden kann, ist grundsätzliche eine Frage des Einzelfalls.
Im übrigen hat das Berufungsgericht den Schluss, dass der hier maßgebende Beschluss in Form eines Sonderdrucks des Gesetzblatts der DDR veröffentlicht wurde, aus den ihm vorliegenden Unterlagen des Staatsarchivs Leipzig gezogen und ausdrücklich auch darauf abgestellt, dass der Beschluss im Wortlaut im Staatsarchiv vorhanden ist.
2. Ein Verfahrensmangel (§132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) wird schon deshalb nicht ordnungsgemäß dargelegt, weil die Beschwerde keine Tatsache benennt, die nach ihrer Meinung weiter aufklärungsbedürftig gewesen wäre.
Selbst wenn man zu Gunsten der Beschwerde annimmt, sie wolle eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) rügen, fehlt es an einer ordnungsgemäßen Darlegung. Die Beschwerde macht nicht geltend, das Berufungsgericht habe sich mit wesentlichem Sachvortrag der Klägerin nicht auseinander gesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Sailer, Krauß, Neumann
Fundstellen