Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 18.12.2008; Aktenzeichen 10 D 104/06.NE) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Antragsteller beimisst.
Rz. 3
a) Die Frage,
ob regelmäßig dann von der (formellen) Unwirksamkeit einer vom Rat einer Gemeinde beschlossenen Entwicklungssatzung i.S.v. § 165 Abs. 6 BauGB auszugehen ist, wenn dieser städtebauliche Maßnahmen zunächst auf der Grundlage einer beabsichtigten Sanierungsmaßnahme (zwecks Beschlussfassung über eine Sanierungssatzung) eingeleitet und das Verfahren auf dieser Grundlage weiter durchgeführt hat und erst im weiteren Verlauf nach Abschluss der vorbereitenden Untersuchungen i.S.v. § 141 BauGB ohne nochmalige Beteiligung der Planbetroffenen gemäß § 165 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 i.V.m. §§ 137 – 141 BauGB und deren vorheriger Information über die wesentliche Änderung der städtebaulichen Zielsetzung statt einer Sanierungssatzung eine Entwicklungssatzung beschlossen hat,
ist zu verneinen, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Dabei kann offen bleiben, ob das Normenkontrollgericht zu Recht die Auffassung vertreten hat, die Planbetroffenen hätten trotz des Wechsels der Planungsabsichten der Antragsgegnerin nicht erneut nach § 165 Abs. 4 Satz 2 BauGB i.V.m. § 141 Abs. 4 Satz 1, § 137 Satz 1 BauGB beteiligt werden müssen; denn ein – unterstellter – Verstoß gegen die Beteiligungsregelung wäre unbeachtlich, weil § 137 BauGB – aus welchen Gründen auch immer – nicht zu den Verfahrensvorschriften zählt, deren Verletzung nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beachtlich ist (Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 137 Rn. 68; Roeser, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, § 137 Rn. 2; Schmitz, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 2009, § 137 Rn. 15). Die angefochtene Entscheidung ist deshalb jedenfalls im Ergebnis richtig. Dies ist nach § 144 Abs. 4 VwGO, der im Beschwerdeverfahren analog gilt (Beschluss vom 17. März 1998 – BVerwG 4 B 25.98 – NVwZ 1998, 737), zu berücksichtigen.
Rz. 4
Die Revision ist nicht zur Klärung der im Beschwerdeverfahren von den Beteiligten kontrovers erörterten Frage zuzulassen, ob eine Verletzung von § 165 Abs. 4 Satz 2 und § 141 Abs. 4 Satz 1, § 139 Abs. 2 BauGB wegen der Inbezugnahme von § 4 Abs. 2 und § 4a Abs. 1 bis 4 und 6 BauGB nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beachtlich ist (verneinend: Krautzberger, in: Ernst u.a., a.a.O., § 139 Rn. 72). Diese Frage hat der Antragsteller innerhalb der Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht gestellt. Im Schriftsatz zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hat er die Frage aufgeworfen, ob der Wechsel der Planungsabsichten einer Gemeinde zu einer erneuten Beteiligung der Planbetroffenen nötigt. Zu den Planbetroffenen gehört der in § 137 Satz 1 BauGB bezeichnete Personenkreis. Die in § 139 Abs. 2 Satz 1 BauGB angesprochenen Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange zählen in Abgrenzung zu den Planbetroffenen zu den öffentlichen Aufgabenträgern. Gründe für die Zulassung der Revision, die nach Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden, darf das Revisionsgericht nicht berücksichtigen (vgl. Beschluss vom 14. Juni 1995 – BVerwG 1 B 132.94 – NVwZ 1995, 1134; stRspr).
Rz. 5
b) Die Frage,
ob städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen durchgeführt werden dürfen und eine städtebauliche Entwicklungssatzung i.S.v. § 165 Abs. 6 BauGB zur Auflösung einer (unvertretbaren) Gemengelage auch dann beschlossen werden darf, wenn die die Entwicklungsmaßnahme durchführende und die eine Entwicklungssatzung beschließende Gemeinde zuvor zum Entstehen einer (unvertretbaren) Gemengelage ganz entscheidend beigetragen und dadurch gegenüber den betroffenen Bewohnern einer die Gemengelage mit ausmachender Wohnsiedlung erhebliche Vertrauenstatbestände geschaffen hat, d.h.: ob sich bei einer solchen Ausgangslage nicht eine entsprechende Entwicklungsplanung nach dem auch im Verwaltungs- und Planungsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben verbietet,
führt gleichfalls nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision. Da sie in der angefochtenen Entscheidung nicht aufgeworfen worden ist, fehlt es an einem Anknüpfungspunkt für eine revisionsgerichtliche Klärung des Inhalts des Gebots, sich so zu verhalten, wie Treu und Glauben es verlangen. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO besteht nämlich nur, wenn für die Entscheidung der Vorinstanz eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich wäre und deren höchstrichterliche Klärung im Interesse der Einheit oder Fortbildung des Rechts geboten erscheint (Beschluss vom 23. April 1996 – BVerwG 11 B 96.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 10). In Wahrheit geht es dem Antragsteller auch nicht um die Klärung einer fallübergreifenden Rechtsfrage, sondern darum, einzelfallbezogen an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung Kritik zu üben. Darüber kann nicht hinwegtäuschen, dass die Kritik in das Gewand einer Grundsatzrüge gekleidet wird.
Rz. 6
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Der behauptete Verstoß gegen die Pflicht zur vollständigen Klärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht schlüssig aufgezeigt.
Rz. 7
Eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Dem wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie legt nicht dar, welche Tatsachen das Normenkontrollgericht hätte ermitteln müssen und durch Einsichtnahme in die beim Amtsgericht Marl zum Aktenzeichen 23 C 407/08 geführten Akte hätte ermitteln können. Mit der unspezifischen Rüge, das Normenkontrollgericht habe nicht anhand der Akte erforscht, “was es mit dem vom Antragsteller behaupteten lebenslänglichen Wohnrecht an seiner im Entwicklungsgebiet gelegenen Wohnung auf sich hat”, ist es nicht getan. Soweit die Beschwerde der Sache nach geltend macht, das Normenkontrollgericht hätte sich die rechtliche Auffassung des Antragstellers, wie sie sich aus der Akte ergibt, zu Eigen machen müssen, verkennt sie, dass Rechtsfragen, von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 86 Rn. 1b), einer Aufklärungsrüge nicht zugänglich sind, weil der Untersuchungsgrundsatz gemäß § 86 VwGO grundsätzlich nur für die Ermittlung und Bewertung von Tatsachen gilt (vgl. Geiger, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 86 Rn. 7).
Rz. 8
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Gatz, Petz
Fundstellen
ZfBR 2009, 692 |
BBB 2009, 43 |