Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 15.05.2014; Aktenzeichen 2 L 117/12) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 15. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die der Sache nach auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass die angefochtene Genehmigung für die Legehennenanlage des Beigeladenen zu Recht im Verfahren nach § 19 BImSchG erteilt worden und ein förmliches Verfahren nach § 10 BImSchG nicht erforderlich gewesen sei. Mit diesem Vorbringen wird kein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dargelegt. Verfahrensmängel im Sinne dieser Bestimmung sind Verstöße gegen das Prozessrecht, also Fehler, die das Gericht bei der Handhabung seines Verfahrens begeht. Mängel des Verwaltungsverfahrens genügen nicht, es sei denn, der Mangel hätte zu einer auch in das gerichtliche Verfahren hineinwirkenden Verkürzung des rechtlichen Gehörs geführt, ohne dass das Gericht Abhilfe geschaffen hätte (BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 1959 – 6 C 455.56 – BVerwGE 10, 37 ≪43≫; Beschluss vom 17. März 1994 – 3 B 12.94 – Buchholz 316 § 26 VwVfG Nr. 1). Dieser Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die Beschwerde macht lediglich eine fehlerhafte Anwendung der Verfahrensvorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes geltend, die aber – selbst wenn sie vorläge – ersichtlich nicht zu einer Verkürzung des rechtlichen Gehörs geführt hätte.
Rz. 3
2. Ein Verfahrensfehler ergibt sich nicht aus der von der Beschwerde beanstandeten Anwendung des § 5 Abs. 1 BImSchG durch das Berufungsgericht. Bei dieser Norm handelt es sich wiederum nicht um Verfahrensrecht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Im Übrigen hat das Berufungsgericht entgegen dem Vorbringen der Beschwerde § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und nicht § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG als rechtlichen Maßstab herangezogen, was sich unter anderem daraus ergibt, dass das Berufungsgericht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 – 7 C 19.02 – BVerwGE 119, 329 ≪332≫) eine drittschützende Wirkung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ausdrücklich bejaht, eine solche des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG hingegen verneint hat.
Rz. 4
3. a) Ebenso wenig liegt ein Verfahrensfehler im Hinblick darauf vor, dass das Berufungsgericht das vom Beigeladenen vorgelegte Gutachten des Prof. Dr. O. vom 25. Januar 2012 verwertet hat. Die Kritik der Beschwerde an der inhaltlichen Richtigkeit dieses Gutachtens führt nicht auf einen Verfahrensfehler. Mit ihr wird lediglich eine fehlerhafte Würdigung des Vorbringens der Beteiligten und des dem Berufungsgericht vorliegenden Tatsachenmaterials beanstandet, nicht jedoch ein Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bezeichnet. Mit der Rüge einer fehlerhaften Verwertung des dem Gericht vorliegenden Tatsachenmaterials wird zunächst nur ein – angeblicher – Fehler in der Sachverhaltswürdigung angesprochen. Ein solcher Fehler ist revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und kann deshalb einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht begründen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 1995 – 9 B 710.94 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f. und vom 21. September 2011 – 5 B 11.11 – juris Rn. 9). Ausnahmefälle kommen bei einer Aktenwidrigkeit der getroffenen Feststellungen oder bei einer gegen die Denk- oder Naturgesetze verstoßenden oder sonst von Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung in Betracht; das Vorliegen eines derartigen Ausnahmefalles lässt sich der Beschwerde indessen nicht entnehmen.
Rz. 5
b) Sollte die Beschwerde auf eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) zielen, wäre eine solche ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Hierfür wären Darlegungen dazu erforderlich, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1969 – 6 C 52.65 – BVerwGE 31, 212 ≪217 f.≫; Beschluss vom 21. September 2011 – 5 B 11.11 – juris Rn. 15). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Einen Beweisantrag im Sinne des § 86 Abs. 2 VwGO hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht gestellt.
Rz. 6
Zur Begründung ihrer Annahme, dem Oberverwaltungsgericht habe sich eine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufdrängen müssen, verweist die Beschwerde auf die angebliche Unrichtigkeit des Parteigutachtens Prof. Dr. O. zur Frage der Ableitung beeinträchtigender Geruchsstoffe aus der geplanten Anlage. Diese Argumentation erweist sich aber schon deshalb als nicht tragfähig, weil weder dargelegt noch sonst ersichtlich ist, dass es überhaupt zu den Aufgaben des Gutachtens gehörte, die technische Realisierbarkeit der im Genehmigungsantrag zugrunde gelegten Abluftführung zu beurteilen. Im Übrigen beschränkt sich die Beschwerde der Sache nach auf eine inhaltliche Kritik an der Methodik des genannten Parteigutachtens, an seiner Würdigung durch das Oberverwaltungsgericht und an dem Umstand, dass das Oberverwaltungsgericht sich im Ergebnis nicht der Auffassung der Beschwerde angeschlossen hat. Aus diesem Vorbringen ergibt sich nicht die Notwendigkeit einer Beweiserhebung durch das Berufungsgericht. Soweit die Beschwerde hinreichende Ausführungen des Parteigutachtens zu schädlichen Umwelteinwirkungen vermisst, trifft dies nicht zu. Das Gutachten setzt sich in seinem fünften Abschnitt ausführlich mit „Emissionen und Immissionen” auseinander und erörtert dabei auch die von dem Vorhaben ausgehenden Geruchsemissionen (S. 6 ff.). Soweit das Gutachten einen Bezug zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG und nicht zu Nummer 1 dieser Vorschrift herstellt (S. 39), knüpft es gleichwohl an den auch nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG maßgeblichen Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen an, dessen genaue rechtliche Zuordnung ohnehin Sache des Gerichts und nicht eines Parteigutachtens ist.
Rz. 7
4. Das Berufungsgericht hat auch nicht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt.
Rz. 8
a) Das Berufungsgericht hat kein Gutachten verwertet, welches den Beteiligten und auch dem Kläger nicht bekannt gewesen ist. Bei dem Gutachten, von dem der Kläger vermutet, es sei ihm nicht zugänglich gemacht worden, handelt es sich um das Gutachten vom 25. Januar 2012 des Herrn Prof. Dr. O., mit dem sich die Beschwerde selbst inhaltlich auseinandersetzt. Die in dem Berufungsurteil verwendeten, auf das Gutachten bezogenen Seitenzahlen hat das Berufungsgericht den Akten des von den Beteiligten geführten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes (2 M 60/12) entnommen, in die das Gutachten eingeheftet wurde.
Rz. 9
b) Auch im Übrigen lässt sich der Beschwerde ein Gehörsverstoß nicht entnehmen. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet nur, dass das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen wird, nicht aber, dass das Gericht der Ansicht eines Beteiligten folgt (BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 – 2 BvR 678/81 u.a. – BVerfGE 64, 1 ≪12≫), und auch nicht, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befasst (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1995 – 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 ≪209≫). Einen Verstoß gegen diese Grundsätze vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen. Das Berufungsurteil geht umfassend auf die vom Kläger verneinte Vereinbarkeit der dem Beigeladenen erteilten Genehmigung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ein. Dabei hat das Berufungsgericht entgegen den Ausführungen der Beschwerde nicht verkannt, dass die tatsächliche Ausführung des Vorhabens mit der angefochtenen Genehmigung nicht übereinstimmt, sondern ist im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung zu dem Schluss gekommen, dass der Beigeladene auf die ihm erteilte Genehmigung teilweise verzichtet habe. Mit dem Einwand des Klägers, die Verwendung eines Parteigutachtens sei unzulässig, befasst sich das Berufungsgericht ebenfalls ausdrücklich. Ferner trifft es nicht zu, dass das Gericht den Vortrag des Klägers zu dem vom Beigeladenen vorgelegten Parteigutachten nicht zur Kenntnis genommen hat. Ausweislich der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils hat das Gericht diesen Vortrag in Betracht gezogen, aber mangels ausreichender Substanziierung von einer weiteren Würdigung abgesehen (UA S. 9).
Rz. 10
5. Soweit sich die Beschwerde schließlich mit der Annahme des Berufungsgerichts auseinandersetzt, dass die Erschließung des genehmigten Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BauGB gesichert sei, führt ihr Vorbringen weder auf einen Verfahrensfehler noch auf einen der anderen Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO. Insofern werden lediglich eine fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts und eine unrichtige Rechtsanwendung durch das Berufungsgericht geltend gemacht.
Rz. 11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Nolte, Brandt, Dr. Keller
Fundstellen