Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 21.11.2002; Aktenzeichen 4 N 4633/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. November 2002 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 000 €festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen ist.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragsteller beimessen.
Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob “das Normenkontrollgericht bei Vorliegen von tatsächlich zwei möglichen planungsrechtlichen Verhaltensweisen einer Gemeinde gleichwohl ein bestimmtes Abwägungsergebnis zugunsten der Gemeinde und damit notwendigerweise zu Lasten des Antragstellers bei seiner Bewertung des Sachverhalts im Rahmen von § 214 Abs. 3 BauGB zugrunde legen” darf. Die Frage zielt auf die Rechtsansicht des Normenkontrollgerichts, der festgestellte Abwägungsmangel sei nicht im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Es lägen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsgegnerin, auch wenn sie die bisher gegebene eingeschränkte Bebaubarkeit des Grundstücks der Antragsteller zu landwirtschaftlichen Zwecken erkannt hätte, gleichwohl das (gesamte) Grundstück der Antragsteller als “private Grünfläche/Rasen” festgesetzt hätte.
Die aufgeworfene Frage wäre in einem Revisionsverfahren weder klärungsfähig noch klärungsbedürftig. Die Fragestellung der Beschwerde beruht auf einem unzutreffenden Verständnis des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB. “Auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen” sind im Sinne dieser Vorschrift Mängel im Abwägungsvorgang, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen wäre. Eine solche konkrete Möglichkeit besteht immer dann, wenn sich anhand der Planunterlagen oder erkennbarer oder nahe liegender Umstände die Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel im Abwägungsvorgang von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen sein kann (BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1992 – BVerwG 4 B 71.90 – Buchholz 406.11 § 214 BauGB Nr. 5 = NVwZ 1992, 663, im Anschluss an das Senatsurteil vom 21. August 1981 – BVerwG 4 C 57.80 – BVerwGE 64, 33). Es kommt also einerseits nicht auf den positiven Nachweis eines Einflusses auf das Abwägungsergebnis an. Auf der anderen Seite genügt aber auch nicht die (wohl stets zu bejahende) abstrakte Möglichkeit, dass ohne den Mangel anders geplant worden wäre. Auf diese abstrakte Möglichkeit stellt die Beschwerde jedoch ab, wenn sie “von tatsächlich zwei möglichen planungsrechtlichen Verhaltensweisen” bzw. von Planungsalternativen spricht, die “denkbar” gewesen seien (S. 3 und 5 der Beschwerdebegründung). Das Normenkontrollgericht ist unter Würdigung der konkreten Gegebenheiten im Streitfall, insbesondere im Hinblick auf die Darstellungen des Flächennutzungsplans, zu dem Ergebnis gelangt, dass der festgestellte Mangel im Abwägungsvorgang nicht auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist. Die Beschwerde setzt diesem Rechtsstandpunkt in Gestalt einer Grundsatzrüge eine eigene abweichende Beurteilung der Kausalitätsfrage entgegen. Die darin liegende Entscheidungskritik ist jedoch nicht geeignet, der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu verleihen.
Der Beschwerde ist einzuräumen, dass ein Normenkontrollgericht, das den Einfluss eines Mangels im Abwägungsvorgang auf das Abwägungsergebnis in Anwendung von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB verneint, nicht der Aufgabe enthoben ist, das mit dem Normenkontrollantrag angegriffene Abwägungsergebnis auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Dieser Aufgabe hat sich das Normenkontrollgericht im vorliegenden Fall jedoch nicht entzogen. Es kommt zu dem Ergebnis, dass die Antragsgegnerin, hätte sie den Fehler im Abwägungsvorgang erkannt, unter Berücksichtigung der von ihr verfolgten städtebaulichen Belange, insbesondere der Erhaltung und Aufwertung des vorhandenen Grünzuges, und der Vorgaben des Flächennutzungsplanes berechtigt gewesen wäre, die Interessen der Antragsteller an der Beibehaltung der bisherigen Festsetzung ihres Grundstücks als Fläche für die Landwirtschaft hinter den von ihr verfolgten städtebaulichen Zielen und planerischen Erwägungen zurückzustellen, zumal die Antragsteller das Grundstück nicht zu Zwecken der Landwirtschaft nutzten und eine Nutzung zu landwirtschaftlichen Zwecken zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses weder beabsichtigt noch konkret absehbar gewesen sei. Die Beschwerde wirft hierzu keine Rechtsfragen auf, die über den konkreten Streitfall hinaus einen revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf auslösen könnten.
2. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
2.1 Die Beschwerde rügt einen “Aufklärungsmangel”. Sie macht geltend, das Normenkontrollgericht habe die Rechtmäßigkeit der “hypothetischen” Planung nicht hinreichend überprüft. Den Antragstellern gehe es in erster Linie um eine “Gleichbehandlung” mit jenen Planbegünstigten, die – obwohl sie Eigentümer von Grundstücken im Außenbereich gewesen seien, die sie ebenfalls nur landwirtschaftlich hätten nutzen dürfen – nach Abschluss des Bauleitplanverfahrens über Baugrundstücke verfügten. Die Antragsteller hätten von Anfang an darauf hingewiesen, dass ihre Belange nur deshalb zurückgesetzt worden seien, weil es sich bei jenen Baugrundstücken um “kirchliche und städtische Grundstücke gehandelt hat, die man nicht als Ausgleichsfläche im Bebauungsplan habe festsetzen wollen”.
Dieses Vorbringen könnte der Beschwerde auch dann nicht zum Erfolg verhelfen, wenn es über die inhaltliche Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung hinaus die förmliche Verfahrensrüge mangelnder Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) enthielte. Diese Rüge genügte nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Eine ordnungsgemäße Aufklärungsrüge setzt voraus, dass substantiiert und schlüssig aufgezeigt wird, welche Sachverhaltsermittlungen sich dem Tatsachengericht in Bezug auf welche entscheidungserheblichen Tatsachen, mit welchen Beweismitteln und mit welchem für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26; Beschluss vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265; stRspr). Daran fehlt es hier. Die Behauptung, die Vorinstanz habe bestimmte Umstände verkannt oder nicht gewürdigt, genügt nicht.
Im Übrigen geht das Normenkontrollgericht davon aus (vgl. UA S. 12), dass die Festsetzung des Grundstücks der Antragsteller als “private Grünfläche/Rasen” abwägungsfehlerfrei sei, weil die Antragsgegnerin dem von ihr verfolgten städtebaulichen Konzept (Erhaltung und Aufwertung des vorhandenen Grünzuges), das den Vorgaben des Flächennutzungsplanes entspreche, in der Abwägung den Vorrang vor den Nutzungsinteressen der Antragsteller habe einräumen dürfen. Diese rechtliche Beurteilung beschränkt sich offensichtlich auf den nördlichen und nordwestlichen Teil des Bebauungsplangebiets, in dem das Grundstück der Antragsteller liegt. Die mit dieser Beurteilung verbundene Annahme des Normenkontrollgerichts, die städtebauliche Leitvorstellung der Antragsgegnerin werde den tatsächlichen Gegebenheiten (“ortsnaher Grünbereich”, “grünes Stadtbild”) in diesem Bereich gerecht, greift die Beschwerde nicht mit Verfahrensrügen an. Die Außenbereichsgrundstücke, die die Antragsgegnerin als Bauland ausgewiesen hat, liegen im Osten des Plangebiets. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund zeigt die Beschwerde nicht auf, dass das Normenkontrollgericht Anlass gehabt hätte, der Frage einer etwaigen sachwidrigen “Ungleichbehandlung” der Antragsteller im Verhältnis zu anderen Grundeigentümern nachzugehen.
2.2 Das Normenkontrollgericht hat die Begründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht verletzt. Nach dieser Vorschrift sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Begründungsgebot ist verletzt, wenn die Beteiligten nicht erkennen können, welche Gründe für die Entscheidung maßgeblich gewesen sind. Ein Verstoß gegen die Begründungspflicht liegt insbesondere vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf unverständliche, verworrene oder sich in wesentlichen Punkten widersprechende Gründe stützt, die nicht erkennen lassen, welche tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen für das Gericht maßgebend waren (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1993 – BVerwG 2 C 14.91 – DVBl 1993, 955; Urteil vom 30. Juni 1992 – BVerwG 9 C 5.91 – DVBl 1993, 47 – jeweils m.w.N.).
Das Normenkontrollurteil leidet entgegen der Beschwerde nicht an einem solchen Begründungsmangel. Die Beschwerde nimmt zwar zu Recht Anstoß an der Formulierung auf S. 8 der Urteilsgründe, ein Abwägungsfehler liege vor, weil die Antragsgegnerin die Bedeutung der betroffenen privaten Belange der Antragsteller verkannt und dementsprechend auch zu einem fehlerhaften Abwägungsergebnis gelangt sei. Diese Formulierung widerspricht der Aussage auf S. 12 der Urteilsgründe, der festgestellte Abwägungsmangel sei auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss gewesen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist für die Beteiligten jedoch ohne weiteres und eindeutig erkennbar, dass sich das Berufungsgericht auf S. 8 der Urteilsgründe in der Wortwahl vergriffen hat und zum Ausdruck bringen wollte, dass die bauleitplanerische Abwägung der Antragsgegnerin an einem Fehler im Abwägungsvorgang leidet. Daran lassen die Ausführungen auf S. 10 ff. der Urteilsgründe ebenso wie der Entscheidungstenor keinen Zweifel. In seinem den Beteiligten bekannten Nichtabhilfebeschluss vom 16. Juli 2003 hat das Normenkontrollgericht klargestellt, dass es sich bei der von der Beschwerde gerügten Formulierung auf S. 8 der Urteilsgründe (“Abwägungsergebnis”) um einen offensichtlichen Schreibfehler handele.
2.3 Soweit die Beschwerde geltend macht, die Annahme des Normenkontrollgerichts, die Antragsgegnerin hätte die streitbefangene Festsetzung auch dann getroffen, wenn sie den “Entzug einer eingeschränkten baulichen Ausnutzbarkeit des Grundstücks der Antragsteller … erkannt hätte”, sei mit dem Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht vereinbar, greift sie wiederum im Gewand einer Verfahrensrüge die vorinstanzliche Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung an. Eine Verletzung der Begründungspflicht aus § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist damit nicht dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Paetow, Rojahn, Gatz
Fundstellen
Haufe-Index 1063971 |
BauR 2004, 1130 |
FuBW 2004, 842 |