Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Aktenzeichen 12 S 1891/97)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. Juli 1999 wird verworfen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

Die auf alle Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

Die Beschwerde hält für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) die Frage,

ob „der Einsatz von Kurden in der Osttürkei während des Militärdienstes (der damit verbunden sein kann, daß diese gegen die eigenen Landsleute eingesetzt werden) gegen die Menschenwürde (verstößt), d.h. (ob) … bereits darin ein Asylgrund bzw. zumindest ein Abschiebungshindernis nach Art. 1 GG (liegt)”.

Die Beschwerde legt jedoch nicht hinreichend dar, daß sich diese Frage in einem Revisionsverfahren stellen würde. Dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Beschwerde weist zutreffend darauf hin, daß das Berufungsgericht die Frage „weder aufgeworfen noch entschieden” habe. Es habe lediglich erwähnt, daß Kurden aus der Südosttürkei während des Wehrdienstes „nicht gezielt” im dortigen Krisengebiet eingesetzt würden (UA S. 72). Dies mache nicht hinreichend deutlich, ob das Berufungsgericht davon ausgehe, daß „Kurden überhaupt im Osten der Türkei eingesetzt” würden oder nicht. Nach der eigenen Auffassung der Beschwerde fehlen daher – ohne daß damit ein Verfahrensmangel verbunden wäre (s. dazu im folgenden) – entsprechende tatsächliche Feststellungen des Berufungsgerichts, auf deren Grundlage sich die aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren klären ließe. Der Hinweis der Beschwerde, aus einem nach Erlaß des Berufungsurteils ergangenen Lagebericht des Auswärtigen Amts ergebe sich, daß Kurden im Kurdengebiet eingesetzt würden, geht fehl. Denn dabei handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen bzw. ein neues Erkenntnismittel, das in einem Revisionsverfahren grundsätzlich nicht berücksichtigt werden könnte (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO).

Auch die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht schlüssig erhoben. Denn die Entscheidung, von der das Berufungsgericht abgewichen sein soll, stammt ebenfalls vom Berufungsgericht und damit nicht von einem der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte. Zudem macht die Beschwerde keine Abweichung in den Rechtssätzen, sondern in der Sachverhaltsfeststellung geltend.

Schließlich sind auch die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht hinreichend dargelegt. Bei ihrem Hinweis, die Berufung hätte nicht zugelassen werden dürfen, geht die Beschwerde nur unzureichend auf die im Berufungszulassungsverfahren beanstandete (Tatsachen-)Divergenz hinsichtlich der vom Bundesbeauftragten benannten Berufungsurteile ein. Im übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, daß etwaige Mängel des Berufungszulassungsverfahrens grundsätzlich nicht zu einer Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen können, weil die Zulassung der Berufung eine im Revisionszulassungsverfahren nicht mehr anfechtbare Vorentscheidung darstellt (§ 173 VwGO i.V.m. § 548 ZPO; vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. Mai 1999 – BVerwG 9 B 252.99 und BVerwG 9 B 259.99 –). Die Rüge, das Berufungsgericht habe die Berufungsbegründung des Bundesbeauftragten zu Unrecht als fristgerecht angesehen, ist deshalb unzulänglich, weil die Beschwerde nicht darauf eingeht, daß der Berufungszulassungsbeschluß dem Bundesbeauftragten weder zugestellt wurde noch eine Rechtsmittelbelehrung enthielt. Ähnliches gilt für die Rüge, die Berufungsbegründung des Bundesbeauftragten genüge nicht den Anforderungen des § 124 a VwGO. Auch hier setzt die Beschwerde sich mit keinem Wort mit der vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung des beschließenden Senats auseinander, nach der die Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen im Berufungsbegründungsschriftsatz zulässig ist und – je nach den Umständen des Einzelfalles – für eine ordnungsgemäße Begründung ausreichen kann (vgl. BVerwGE 107, 117 ≪121≫). Soweit die Beschwerde die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht anspricht (unter II 3. der Beschwerdebegründung), macht sie keinen Verfahrensfehler, sondern Verstöße gegen materielles Recht geltend, die nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels führen können (vgl. dazu BVerwG, Beschluß vom 2. November 1995 – BVerwG 9 B 710.94 –, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266).

Soweit die Beschwerde einen Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 GG) darin sieht, daß das Berufungsgericht den in der Berufungsverhandlung gestellten Beweisanträgen der Kläger nicht nachgekommen sei, genügt sie gleichfalls nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Es trifft zwar zu, daß die Ablehnung eines Beweisantrages das rechtliche Gehör verletzt, wenn der Antrag nach der insoweit maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung des Tatsachengerichts erheblich war und die Ablehnung des Beweisantrages im Prozeßrecht keine Stütze findet. Die Beschwerde muß jedoch substantiiert darlegen, aus welchen Gründen dies der Fall sein soll. Solch eine Darlegung ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Auch ansonsten ist nicht erkennbar, daß das Berufungsgericht die Beweisanträge prozeßrechtswidrig abgelehnt hätte. Dies gilt zunächst für den ersten Beweisantrag, der sich auf das Vorfluchtschicksal der Kläger in der Türkei bezieht. In dem Beweisantrag werden Ereignisse zwischen 1990 und 1993 angesprochen. Das Berufungsgericht hat es in diesem Zusammenhang abgelehnt, den Bruder der Kläger als Zeugen zu hören, da er bereits 1988 aus der Türkei ausgereist sei und deshalb als Beweismittel ungeeignet sei. Rechtliche Bedenken gegen diese Begründung hat die Beschwerde nicht dargelegt; sie sind auch nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat es ferner abgelehnt, die Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens durch einen Sachverständigen begutachten zu lassen. Es hat die Auffassung vertreten, es sei Sache des Gerichts, die Glaubhaftigkeit des Vorbringens zu würdigen. Auch hiergegen erhebt die Beschwerde keine einen Verfahrensmangel aufzeigenden rechtlichen Bedenken. Die Beschwerde erweckt allerdings den Eindruck, der erste Beweisantrag habe sich primär auf die Traumatisierung der Kläger bezogen, aufgrund derer „eine 100 %ige tatsachengetreue Wiedergabe” der Erlebnisse nicht erwartet werden könne. Dies trifft jedoch nicht zu. Von einer Traumatisierung der Kläger und einer dadurch eingeschränkten Fähigkeit zur detailgetreuen Schilderung ihres Vorfluchtschicksals ist im ersten Beweisantrag keine Rede. Hinsichtlich des zweiten Beweisantrages trägt die Beschwerde zutreffend vor, daß das Berufungsgericht das unter Beweis gestellte Vorbringen über die exilpolitische Betätigung der Kläger in Deutschland als wahr unterstellt habe. Unzutreffend ist aber, daß sich „diese Wahrunterstellung und entsprechende Tatsachenwürdigung” im Urteil nicht wiederfänden. Vielmehr hat das Berufungsgericht das entsprechende Vorbringen der Kläger seiner rechtlichen Bewertung uneingeschränkt zugrunde gelegt (vgl. UA S. 72 f.). Hinsichtlich des dritten Beweisantrages ergibt der Beschwerdevortrag nicht, aus welchen Gründen sich dem Berufungsgericht – über die bereits in das Verfahren eingeführten Gutachten und amtlichen Auskünfte hinaus – die Einholung der beantragten weiteren Gutachten zur landesweiten Gefährdung der Kläger in der Türkei hätte aufdrängen müssen. So legt die Beschwerde insbesondere nicht dar, daß das Berufungsgericht irgendeinen Anhalt dafür hatte, daß Kurden im Rahmen der Ableistung ihres Militärdienstes „gegen die eigenen Landsleute” eingesetzt würden. Die Beschwerde bezieht sich hierzu jedenfalls ausschließlich auf einen Lagebericht des Auswärtigen Amts, der – wie ausgeführt – nach Erlaß des Berufungsurteils ergangen ist.

Soweit die Beschwerde schließlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger darin sieht, daß das Berufungsgericht auf den Vortrag der drohenden politischen Verfolgung im Rahmen der Ableistung des Militärdienstes nicht ausreichend eingegangen sei, ist ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht schlüssig dargetan. Die Beschwerde zeigt nämlich nicht auf, daß das Gericht wesentliches Parteivorbringen nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hat. Sie behauptet selbst nicht, daß die Kläger sich bereits im Berufungsverfahren auf den jetzt mit der Beschwerde geltend gemachten Aspekt des Einsatzes von kurdischen Wehrpflichtigen gegen eigene Landsleute ausdrücklich berufen, geschweige denn ihn als Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG angeführt hätten. Dies läßt sich auch den Akten nicht entnehmen. Bei dieser Sachlage genügte es, wenn das Berufungsgericht nach eingehender Erörterung und Verneinung asylerheblicher Verfolgung im Zusammenhang mit der Wehrpflicht (UA S. 71 f.) sinngemäß ausgeführt hat, daß auch unter dem Gesichtspunkt des Einsatzes kurdischer Wehrpflichtiger im Südosten der Türkei aus seiner materiellrechtlichen Sicht eine an asylerhebliche Merkmale anknüpfende Verfolgung nicht anzunehmen sei, weil eine solche allenfalls bei einem gezielten Einsatz kurdischer Wehrpflichtiger im Krisengebiet in Betracht zu ziehen sei, ein derartiger gezielter Einsatz aber nicht erfolge (UA S. 72).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

 

Unterschriften

Dr. Paetow, Richter, Beck

 

Fundstellen

Dokument-Index HI567378

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