Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Beschluss vom 11.01.2023; Aktenzeichen 34 A 716/22.PVL)

VG Köln (Entscheidung vom 02.03.2022; Aktenzeichen 34 K 3172/20.PVL)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen - Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen - vom 11. Januar 2023 wird verworfen.

 

Gründe

Rz. 1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg, da sie unzulässig ist. Die Rechtsbeschwerde ist weder wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache noch wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs zuzulassen, weil die Beschwerdebegründung den Darlegungsanforderungen des § 79 Abs. 2 LPVG NW i. V. m. § 92a Satz 2 und § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 3 ArbGG nicht gerecht wird.

Rz. 2

1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 79 Abs. 2 LPVG NW i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kommt einer Rechtsfrage nur zu, wenn mit ihr eine für die erstrebte Rechtsbeschwerdeentscheidung erhebliche Frage aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf. Die Rechtsfrage muss zudem klärungsfähig sein, was der Fall ist, wenn sie in der Rechtsbeschwerdeinstanz beantwortet werden kann. Nach § 79 Abs. 2 LPVG NW i. V. m. § 92a Satz 2 i. V. m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG muss die Begründung der auf den Zulassungsgrund des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG gestützten Nichtzulassungsbeschwerde die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten. Dieses Darlegungserfordernis setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerdeentscheidung erheblichen Rechtsfrage sowie die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss substantiiert erläutern, dass und inwiefern die Rechtsbeschwerdeentscheidung zur Klärung einer bisher vom Bundesverwaltungsgericht nicht beantworteten, fallübergreifenden und entscheidungserheblichen Rechtsfrage führen kann. Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Beschlusses, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt. Es bedarf auch der substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen bereits ergangener einschlägiger Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Soweit sich die Vorinstanz mit der von der Beschwerde als grundsätzlich angesehenen Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffes die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die erstrebte Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtlich Bedeutung haben können. In der Begründung ist auch substantiiert aufzuzeigen, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt, zu folgen ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2019 - 5 PB 7.18 - juris Rn. 15 m. w. N.). Den vorgenannten Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

Rz. 3

Die Beschwerde wirft als Rechtsfrage von vermeintlich grundsätzlicher Bedeutung auf,

"ob ein Beteiligter auf die Geltendmachung eines [Wahl-]Fehlers verzichten kann, insbesondere, wenn dieser unstreitig und allen Beteiligten bekannt ist."

Rz. 4

Zu ihrer Erläuterung führt sie sinngemäß aus, es sei klärungsbedürftig, ob § 22 LPVG NW eine Einschränkung der Offizialmaxime dahingehend umfasse, dass eine Absprache der Beteiligten vor Durchführung der Wahl nicht als Berichtigung eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 WO-LPVG NW anzuerkennen sei. Das Gesetz selbst lasse Nachfristen zu, wenn auch unter anderen Voraussetzungen. Das Ziel - eine repräsentative Vertretung des Personals - sei jedoch dasselbe. Habe das Verhalten der Beteiligten vor der Wahl keinerlei Konsequenzen in Bezug auf den Ausschluss der Geltendmachung bestimmter Rechte, könnte damit solange ein Wahlwiederholungsjoker gesetzt werden, bis das Ergebnis dem jeweiligen Beteiligten passe.

Rz. 5

Mit diesen Erwägungen zeigt die Beschwerde einen grundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf. Sie setzt sich insbesondere weder damit auseinander, dass auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die gerichtliche Überprüfung einer Personalratswahl nicht auf die gerügten Wahlrechtsverstöße begrenzt ist, noch damit, dass danach das Wahlanfechtungsverfahren nicht dem Einzelinteresse, sondern dem Allgemeininteresse dient, und damit einen objektiven Charakter aufweist, der nicht die Verfolgung subjektiver Rechte zum Gegenstand hat. Die Beschwerde befasst sich demzufolge auch nicht mit der darauf aufbauenden naheliegenden Schlussfolgerung, dass die Einwände des Rechtsmissbrauchs oder der unzulässigen Rechtsausübung einem Wahlanfechtungsantrag grundsätzlich nicht entgegengehalten werden können (vgl. insgesamt dazu BVerwG, Beschluss vom 23. Februar 2018 - 5 PB 6.17 - juris Rn. 17 f. m. w. N.). Sie legt damit auch nicht nachvollziehbar dar, dass auf die Rüge eines Wahlfehlers überhaupt wirksam verzichtet werden und ein etwaiger Verzicht überdies zur Folge haben könnte, dass eine (spätere) Geltendmachung prozessual oder materiell-rechtlich unbeachtlich wäre.

Rz. 6

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht wegen des geltend gemachten Gehörsverstoßes zuzulassen.

Rz. 7

Der verfassungsrechtlich durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist allerdings nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht den von ihm entgegengenommenen Vortrag der Beteiligten in seine Erwägungen einbezogen hat. Nur wenn besondere Umstände den eindeutigen Schluss zulassen, dass es die Ausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat, wird der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte auch nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen. Im Fall der Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet § 79 Abs. 2 LPVG NW i. V. m. § 92a Satz 2 und § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG, dass in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die Verletzung dieses Anspruchs und deren Entscheidungserheblichkeit dargelegt wird. Die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes sind substantiiert aufzuzeigen. Rügt der Beschwerdeführer das Übergehen eines Vortrags, muss er konkret und im Einzelnen schlüssig dartun, welches wesentliche und entscheidungserhebliche Vorbringen die Vorinstanz übergangen haben soll. Mit Blick auf die Entscheidungserheblichkeit muss nachvollziehbar aufgezeigt werden, dass die Vorinstanz auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung bei der angeblich versäumten Gewährung rechtlichen Gehörs möglicherweise anders entschieden hätte (stRspr, vgl. zum Ganzen etwa BVerwG, Beschlüsse vom 13. Januar 2022 - 5 PB 9.21 - juris Rn. 2 m. w. N. und vom 16. Juni 2022 - 5 PB 18.21 - NZA-RR 2022, 604 Rn. 17).

Rz. 8

Die Beschwerde rügt, ein Gehörsverstoß liege vor, weil das Oberverwaltungsgericht den Vortrag des Beteiligten zu 2 (zur behaupteten Zustimmung der Antragstellerin zur Zulassung des verfristeten Wahlvorschlags) lediglich im Rahmen der Zulässigkeitsvoraussetzungen, nicht aber hinsichtlich der Reichweite der Offizialmaxime gewürdigt habe. Ein Verfahrensfehler liegt hierin schon deshalb nicht, weil das Oberverwaltungsgericht auch nach der Darlegung der Beschwerde den betreffenden Vortrag zur Kenntnis genommen hat. Soweit es ihn in materiell-rechtlicher Hinsicht implizit für unerheblich gehalten hat, beanstandet die Beschwerde der Sache nach keinen Verfahrensfehler, sondern rügt im Gewand der Verfahrensrüge allein eine unrichtige Rechtsanwendung.

Rz. 9

Soweit die Beschwerde darüber hinaus als Gehörsverstoß rügt, in der Argumentation des Beschwerdegerichts habe der Vortrag des Beteiligten zu 2 keine Berücksichtigung gefunden, dass alle Verfahrensbeteiligten mit einer Verschiebung der Wahl gerechnet hätten, nachdem es kurz zuvor den ersten coronabedingten Lockdown gegeben habe, fehlt es jedenfalls an jeder Darlegung der Entscheidungserheblichkeit eines etwaigen Verstoßes.

Rz. 10

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 79 Abs. 2 LPVG NW i. V. m. § 92a Satz 2 i. V. m. § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16225162

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