Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 06.02.2007; Aktenzeichen 1 B 04.497) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 160 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht zuzulassen, soweit sich die Beschwerde dagegen wendet, dass das Berufungsgericht die Anordnung zur Beseitigung des Rundturms und die Versagung der beantragten Baugenehmigung als rechtmäßig bestätigt hat. Die von der Beschwerde geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
a) Die Frage, ob ein Aussichtsturm nur dann nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich privilegiert zulässig ist, wenn er der Öffentlichkeit uneingeschränkt zugänglich ist, und die Frage, ob ein Vorhaben, das nach seiner Funktion im Außenbereich verwirklicht werden soll, der erforderlichen Singularität entbehrt bzw. diese Singularität verliert, wenn es gleichzeitig der Unterbringung eines Museums dient, rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Das Berufungsgericht hat die Privilegierung des umstrittenen Rundturms als Aussichtsturm mit einer zweifachen Begründung verneint. Zum einen sei der Rundturm nach dem Bauantrag des Klägers ein Sammlungs- und Museumsgebäude. Die von dem Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingeführte und seitdem zunehmend in den Vordergrund gerückte Etikettierung als Aussichtsturm diene erkennbar nur dazu, dem Vorhaben eine planungsrechtliche Privilegierung zu verschaffen, die ihm aufgrund seiner Zweckbestimmung und tatsächlichen Nutzung als Sammlungsgebäude nicht zukomme. Zum anderen bestünde eine Privilegierung des Vorhabens auch dann nicht, wenn man dem Rundturm – der Darstellung des Klägers folgend – eine gegenüber der musealen Zweckbestimmung eigenständige Funktion als Aussichtsturm zubilligte. Dies wird im Berufungsurteil im Einzelnen ausgeführt. Beide Grundsatzrügen des Klägers beziehen sich auf das zweite Begründungselement. In Bezug auf das erste Begründungselement legt der Kläger keinen Grund für die Zulassung der Revision dar. Ist die vorinstanzliche Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision aber nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4; stRspr). Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert.
Die Rechtsfrage, ob es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, vor Erlass einer Beseitigungsverfügung für ein Gesamtvorhaben zu prüfen, ob ein milderes Mittel zur Herstellung der materiellen Legalität in Betracht kommt, betrifft kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Rechtsgrundlage für baurechtliche Beseitigungsanordnungen findet sich im Landesrecht, vorliegend in Art. 89 Satz 1 BayBO 1994 (= Art. 82 Satz 1 BauBO 1998). Eine Frage des Landesrechts ist es damit auch, nach welchen Grundsätzen die Baugenehmigungsbehörde ihr Ermessen zu betätigen hat. Im Übrigen ergibt sich die Antwort aus dem Gesetz selbst. Nach Art. 89 Satz 1 BayBO 1994 kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Auf “andere” Weise bedeutet auf eine “weniger belastende” Weise. Mehr ist verallgemeinernd nicht zu sagen.
b) Die Revision ist ferner nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die vorinstanzliche Entscheidung weicht nicht von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 1983 – BVerwG 4 C 19.81 – (BVerwGE 67, 33) und vom 26. Mai 1967 – BVerwG 4 C 25.66 – (BVerwGE 27, 137) ab.
Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – NVwZ-RR 1996, 712; stRspr). Der Tatbestand der Divergenz muss nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt werden. Hieran lässt es die Beschwerde fehlen. Sie arbeitet keine Rechtssätze aus dem Berufungsurteil heraus, mit denen die Vorinstanz höchstrichterlichen Rechtssätzen die Gefolgschaft verweigert hat.
Im Urteil vom 18. Februar 1983 hat der Senat zu § 35 Abs. 3 Satz 1 tiré 8 BBauG (= § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) den Rechtssatz formuliert, dass sich der Begriff der Splittersiedlung, der weit zu fassen sei, nicht nur auf Wohnhäuser erstrecke, sondern – zumindest – auch auf (gewerbliche) Anlagen, selbst wenn diese nur zum gelegentlichen Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmt seien. Das Berufungsgericht hat keinen davon abweichenden Rechtssatz entwickelt, sondern ihn im Gegenteil übernommen (UA S. 16). Die Beschwerde beanstandet, das Berufungsgericht habe den streitigen Rundturm zu Unrecht nicht wie eine Windenergieanlage behandelt, die nach dem Urteil vom 18. Februar 1983 den Begriff der (Splitter-)Siedlung nicht erfüllt. Mit § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hat das nichts zu tun.
Auch dem Rechtssatz aus dem Urteil vom 26. Mai 1967, die Entstehung einer Splittersiedlung sei nur zu befürchten, wenn ein Vorgang der Zersiedlung eingeleitet oder gar schon vollzogen werde, hat das Berufungsgericht keinen anders lautenden Rechtssatz entgegengesetzt. Vielmehr hat es sich ihn zu eigen gemacht. Im Berufungsurteil wird die Entstehung einer Splittersiedlung nämlich “vor allem” damit begründet, dass sich “bereits ein handgreiflicher Vorgang der Zersiedlung vom Rundturm aus in den südlich und südwestlich gelegenen, insoweit auch nach Osten und Westen hin offenen Außenbereich ≪vollzieht≫” (UA S. 17).
c) Das Berufungsurteil leidet schließlich nicht an dem behaupteten Verfahrensmangel der fehlenden Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO). Deshalb scheidet auch die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO aus.
Aus der unterlassenen (zweiten) Ortsbesichtigung lässt sich ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO nicht herleiten. Das Berufungsgericht hat anhand des vorliegenden Kartenmaterials und der Fotografien den Eindruck gewonnen, dass das Vorhaben des Klägers die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten lässt. Karten und Lichtbilder sind im Rahmen des § 86 VwGO unbedenklich verwertbar, wenn sie die räumlichen Gegebenheiten in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig ausweisen, dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen lässt. Ist dies der Fall, so bedarf es unter dem Aspekt des Untersuchungsgrundsatzes zusätzlich der Durchführung einer Ortsbesichtigung nur dann, wenn ein Beteiligter geltend macht, dass die Karten und Fotos in Bezug auf bestimmte, für die Entscheidung wesentliche Merkmale keine Aussagekraft besitzen (Beschluss vom 30. Oktober 1996 – BVerwG 4 B 195.96 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 276). Die Beschwerde legt nicht dar, dass die in der Entscheidung benannten Pläne, Karten und Fotografien die Größe, Lage und Entfernung der die Umgebungsbebauung prägenden Gebäude fehlerhaft abbilden und sich dieses Defizit nur durch eine Augenscheinseinnahme hätte ausgleichen lassen. Die Begebenheiten der Topografie (annähernd höchster Punkt auf der Maxhöhe), die nach Darstellung der Beschwerde nicht dokumentiert sein sollen, waren für das Berufungsgericht nicht entscheidungserheblich und mussten nicht ermittelt werden. Keine Frage des § 86 Abs. 1 VwGO ist es, ob ein Gericht aus den tatsächlichen Gegebenheiten zutreffende rechtliche Schlussfolgerungen gezogen hat.
2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, die Anordnung der Beseitigung des Stadels und des Erweiterungsbaus sei rechtmäßig, ist der Kontrolle in einem Revisionsverfahren ebenfalls nicht zugänglich.
Der Kläger greift mit sämtlichen Zulassungsgründen des § 132 Abs. 2 VwGO die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs an, der Stadel und der Erweiterungsbau seien nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert. Im Berufungsurteil wird das Vorliegen der Voraussetzungen der Vorschrift mit der Begründung verneint, der Kläger führe – erstens – keinen landwirtschaftlichen Betrieb und die beiden Gebäude würden – zweitens – einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb nicht dienen.
Die Beschwerde konzentriert sich mit ihren Angriffen auf den ersten Teil der Begründung. Ob die insoweit geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegen, müsste nur dann geprüft werden, wenn hinsichtlich des zweiten Teils der Begründung ein Grund für die Zulassung der Revision dargelegt ist. Das ist jedoch nicht der Fall.
Ihren Befund, das Tatbestandsmerkmal des Dienens sei nicht erfüllt, stützt die Vorinstanz darauf, dass es an einer funktionalen Zuordnung der Gebäude zum Schwerpunkt des behaupteten Betriebes fehle. Das Merkmal der funktionalen Zuordnung schließe eine gewisse räumliche Nähe zum Schwerpunkt des Betriebes, das heiße in der Regel zur Hofstelle, ein. Daran fehle es bei beiden Gebäuden, die weitab von der Hofstelle des Enzianhofs errichtet seien.
Mit dieser Argumentation beschäftigt sich die Beschwerde ausschließlich im Rahmen der Abweichungsrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Sie sieht eine Divergenz zwischen dem Berufungsurteil und dem Urteil des Senats vom 19. Juni 1991 – BVerwG 4 C 11.89 – (NVwZ-RR 1992, 402). Die behauptete Divergenz, d.h. eine Abweichung in Rechtssätzen, liegt indes nicht vor. Nach Ansicht des Senats soll das Tatbestandsmerkmal des Dienens sicherstellen, dass das Bauvorhaben dem privilegierten Betrieb funktional zugeordnet und nach seiner Gestaltung und Ausstattung durch den betrieblichen Zweck erschöpfend geprägt ist. Verhindert werden sollten Vorhaben, die zwar an sich objektiv geeignet wären, einem privilegierten Betrieb zu dienen, mit denen aber in Wirklichkeit andere Zwecke verfolgt würden. Die Schlussfolgerung des Senats, dass danach die Wahl des Standorts keine Frage des Dienens ist, gibt die Beschwerde zutreffend wieder. Sie verschweigt aber, dass nach Auffassung des Senats der beabsichtigte Standort ein Indiz im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung sein kann und eine zu große Entfernung des Vorhabens von der Hofstelle dazu führen mag, dass das Vorhaben nicht durch eine – auch äußerlich erkennbare – Zuordnung zu dem Betrieb geprägt ist. An dieser Rechtsprechung hat sich der Verwaltungsgerichtshof orientiert. Ob er im Rahmen der Sachverhaltswürdigung zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, wegen der Größe der Betriebsfläche stehe die Entfernung zwischen Stadel, Erweiterungsbau und Hofstelle des Enzianhofs einer Privilegierung nicht entgegen, ist für den Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde ohne Belang. Subsumtionsfehler, so sie denn vorlägen, vermögen den Tatbestand des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Gatz, Dr. Jannasch
Fundstellen
Haufe-Index 1772079 |
BauR 2007, 2039 |
BauR 2008, 405 |