Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 27.08.2009; Aktenzeichen 2 A 12.06) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. August 2009 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre.
Rz. 3
1.1 Die Beschwerde wirft die Fragen auf,
ob eine Gemeinde auch im ergänzenden Verfahren verpflichtet ist, die Voraussetzungen der Entwicklungsmaßnahme nach § 165 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu prüfen und ob eine erneute Abwägung bei der Beschlussfassung einer Entwicklungssatzung im ergänzenden Verfahren nur dann notwendig ist, wenn das früher gewonnene Abwägungsergebnis wegen nachträglicher Ereignisse unhaltbar geworden ist.
Rz. 4
Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich – soweit sie vorliegend überhaupt entscheidungserheblich sind – auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten.
Rz. 5
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 214 Abs. 4 BauGB. Danach kann eine Satzung nach dem BauGB durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden. Auch die förmliche Festlegung des städtebaulichen Entwicklungsbereichs erfolgt durch Satzung, so dass sich der Geltungsbereich von § 214 Abs. 4 BauGB auf diese Fälle erstreckt.
Rz. 6
Die Frage, welche Prüfungsschritte eine Gemeinde vorzunehmen hat, wenn sie eine Satzung in einem ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB rückwirkend in Kraft setzen will, lässt sich nicht losgelöst von der Art des Fehlers beantworten, der in einem ergänzenden Verfahren behoben werden soll. Gegenüber der früheren Fassung (vgl. § 215a Abs. 2 BauGB 1998) hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der rückwirkenden Inkraftsetzung deutlich erweitert; sie ist nicht mehr auf die Fälle der Verletzung von Verfahrens- oder Formfehlern beschränkt. Die Antragsgegnerin hat sich im vorliegenden Fall darauf beschränkt, Verfahrens- oder Formfehler zu korrigieren. Sie hat die Entwicklungssatzung zunächst (2002) in einem ersten Schritt zur Behebung eines Bekanntmachungsmangels – ohne Beschlussfassung durch die Stadtverordnetenversammlung – mit Rückwirkung erneut bekannt gemacht. Sodann (2004) erfolgte – vorsorglich – eine rückwirkende erneute Beschlussfassung, bei der im Wortlaut die Rathausanschrift, die flurstücksgenaue Aufzählung der betroffenen Grundstücke sowie die Formulierung zum Inkrafttreten geändert wurden. Eine inhaltliche Änderung erfolgte damit nicht. Auch eine erneute Auslegung der Planungsunterlagen (vgl. hierzu Beschluss vom 8. März 2010 – BVerwG 4 BN 42.09 –) ist nicht vorgenommen worden. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen wären in einem Revisionsverfahren daher nur insoweit klärungsbedürftig, als sie sich auf eine rückwirkende Behebung von Verfahrens- oder Formfehlern in einem ergänzenden Verfahren erstrecken.
Rz. 7
Dabei ist im Hinblick auf die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in tatsächlicher Hinsicht die Fragestellung auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen die Entwicklungsmaßnahme “in nicht unbeträchtlichen Teilen” bereits erfolgreich durchgeführt worden ist.
Rz. 8
Für die rückwirkende Behebung von Verfahrens- oder Formfehlern bei einem Bebauungsplan ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse einer Fehlerbehebung nicht entgegen steht, weil gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (ursprünglichen) Beschlussfassung über den Plan maßgebend ist. Nur wenn sich – im Ausnahmefall – die Verhältnisse so grundlegend geändert haben, dass der Bebauungsplan inzwischen insgesamt einen funktionslosen Inhalt hat oder das ursprünglich unbedenkliche Abwägungsergebnis unhaltbar geworden ist, kommt eine Fehlerbehebung nicht mehr in Betracht (Beschluss vom 12. März 2008 – BVerwG 4 BN 5.08 – BauR 2008, 1417 = BRS 73 Nr. 32 S. 180 f. m.w.N.). Mit der rückwirkenden Inkraftsetzung tritt der Bebauungsplan zu dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem er ursprünglich hätte in Kraft treten sollen. Damit wird dem Willen der Gemeinde im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Rechnung getragen (Urteil vom 10. August 2000 – BVerwG 4 CN 2.99 – Buchholz 406.11 § 215a BauGB Nr. 7 S. 20 f. = BRS 63 Nr. 42 S. 238 f.). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ferner geklärt, dass das rückwirkende Inkraftsetzen einer Sanierungssatzung auch dann noch zulässig ist, wenn die Sanierung bereits abgeschlossen und die förmliche Festlegung schon aufgehoben worden ist. Dies darf auch mit der Absicht erfolgen, mit der erneuten Sanierungssatzung für ergangene Ausgleichsbescheide nachträglich eine sichere Grundlage zu schaffen. Das Gesetz will städtebauliche Satzungen nicht daran scheitern lassen, dass sie verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sind (Urteil vom 3. Dezember 1998 – BVerwG 4 C 14.97 – BRS 60 Nr. 223 S. 785 m.w.N.). Maßgebend ist somit die Frage, ob es zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkraftsetzens noch gerechtfertigt ist, dem zum ursprünglichen Zeitpunkt beschlossenen Planungswillen der Gemeinde Geltung zu verschaffen. Bei einer auf ihre städtebauliche Umsetzung zielenden Satzung steht dem rückwirkenden Inkraftsetzen ferner nicht entgegen, dass die planerischen Absichten in der Zwischenzeit teilweise oder vollständig verwirklicht worden sind.
Rz. 9
Diese Grundsätze lassen sich auch auf die rückwirkende Behebung von Verfahrens- oder Formfehlern bei einer – ebenfalls durch Satzung erfolgenden – förmlichen Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs gem. § 165 Abs. 6 BauGB übertragen. Dem stehen die im Vorbringen der Beschwerde herausgestellten Besonderheiten der Entwicklungssatzung nicht entgegen. Insbesondere bedarf es entgegen der Auffassung des Antragstellers keines “am Entwicklungsrecht orientierten Maßstabs”, um beurteilen zu können, ob das ursprüngliche Abwägungsergebnis wegen nachträglich eingetretener Ereignisse unhaltbar geworden ist.
Rz. 10
Allerdings ist – dies ist der Beschwerde einzuräumen – die Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs an eine Reihe von gesetzlichen Voraussetzungen gebunden. Insbesondere benennt § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauGB die Grundbedingungen, die für eine Entwicklungssatzung erfüllt sein müssen, bevor eine Abwägungsentscheidung nach § 165 Abs. 3 Satz 2 BauGB getroffen werden kann. Danach muss das Wohl der Allgemeinheit die Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme erfordern, insbesondere zur Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten, zur Errichtung von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen oder zur Wiedernutzung brachliegender Flächen (vgl. hierzu Urteil vom 12. Dezember 2002 – BVerwG 4 CN 7.01 – BVerwGE 117, 248). Ferner ist bei der Prüfung, ob das Wohl der Allgemeinheit die Entwicklungsmaßnahme erfordert, bereits in Rechnung zu stellen, dass im Grundsatz alle unbebauten Grundstücke des Entwicklungsbereichs in das Eigentum der Gemeinde überführt werden sollen (Urteil vom 12. Dezember 2002 a.a.O. S. 259 im Anschluss an das Urteil vom 15. Januar 1982 – BVerwG 4 C 94.79 – Buchholz 406.15 § 15 StBauFG Nr. 4 S. 16). Daraus resultieren weitergehende verfassungsrechtliche Anforderungen, denen im jeweiligen Verfahrensstadium Rechnung zu tragen ist.
Rz. 11
Diese zusätzlichen Voraussetzungen haben den Gesetzgeber nicht veranlasst, die Entwicklungssatzung aus dem Anwendungsbereich des ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB herauszunehmen. Jedenfalls wenn die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme als solche weiterhin zum Erreichen der mit ihr angestrebten Ziele erforderlich ist oder – wie im vorliegenden Fall – in weiten Teilen erfolgreich durchgeführt worden ist, sind die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auch auf die Entwicklungssatzung übertragbar, so dass eine Gemeinde berechtigt ist, Verfahrens- und Formfehler auch rückwirkend zu heilen und damit den auf der Entwicklungssatzung beruhenden Verfahrensschritten und Entscheidungen nachträglich eine rechtliche Grundlage zu vermitteln. Wenn die Gemeinde – mit oder ohne einen Beschluss des Gemeinderats – einen Verfahrens- und Formfehler heilt, braucht sie nicht zugleich eine inhaltliche Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob wegen in der Zwischenzeit eingetretener Veränderungen einzelne Grundstücke zur Erreichung der Ziele der Entwicklungssatzung noch in Anspruch genommen werden müssen. Diese Prüfung kann vielmehr entweder einer inhaltlichen Änderung der Satzung mit Wirkung für die Zukunft vorbehalten bleiben oder durch die lediglich einzelne Grundstücke betreffende Entscheidung erfolgen, die Durchführung für abgeschlossen zu erklären (§ 163 Abs. 2 i.V.m. § 169 Abs. 1 Nr. 8 BauGB). Von der zweiten Möglichkeit ist vorliegend hinsichtlich des Grundstücks des Antragstellers auch Gebrauch gemacht worden.
Rz. 12
Auch der von der Beschwerde besonders hervorgehobene Gesichtspunkt, wonach bereits bei der Beschlussfassung über eine Entwicklungssatzung in Rechnung zu stellen ist, dass im Grundsatz alle unbebauten Grundstücke des Entwicklungsbereichs in das Eigentum der Gemeinde überführt werden sollen, steht dem nicht entgegen. Denn damit wird lediglich der Gemeinde für den Zeitpunkt ihrer ursprünglichen Entscheidung eine gegenüber dem normalen Bebauungsplanverfahren erhöhte Prüfungs- und Darlegungslast auferlegt, die sich daraus ergibt, dass die Gemeinde die Grundstücke im städtebaulichen Entwicklungsbereich erwerben soll (§ 166 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Der Erwerb selbst und insbesondere eine eventuell erforderlich werdende Enteignung sind jedoch Gegenstand weiterer Entscheidungen, in denen erst für den Einzelfall geprüft werden kann und muss, ob die Voraussetzungen für eine Enteignung (weiterhin) bestehen.
Rz. 13
Angesichts der Großflächigkeit eines Entwicklungsbereichs – vorliegend 95 ha – und mit Rücksicht darauf, dass bei Erlass der Satzung in der Regel noch keine ins einzelne gehende Planungskonzeption vorliegt (vgl. zur Sanierungssatzung auch Beschluss vom 24. März 2010 – BVerwG 4 BN 60.09 – Rn. 10), können zu diesem Zeitpunkt die Enteignungsvoraussetzungen nicht schon für jedes einzelne unbebaute Grundstück abschließend geprüft werden; zu beachten ist aber in diesem Zeitpunkt bereits die potentiell eigentumsumverteilende Wirkung mit der Folge, dass das Wohl der Allgemeinheit generell die geplante Entwicklung einschließlich der gebotenen Enteignungen rechtfertigen muss. Das bedeutet nicht, dass bereits bei Erlass der Satzung festgestellt werden muss, dass die Voraussetzungen für die Enteignung gerade auch bezüglich jedes einzelnen Grundstücks erfüllt sind. Die Gemeinde ist nicht verpflichtet, schon zum Zeitpunkt des Erlasses der Entwicklungssatzung hinsichtlich jedes Grundstücks gleichsam parzellenscharf ein Konzept über die künftige Nutzung vorzulegen. Vielmehr sind die Bebauungspläne, die die Vorstellungen über die bauliche oder sonstige Nutzung im Einzelnen festsetzen, erst nach Erlass der Entwicklungssatzung zu beschließen (§ 166 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Somit darf auch die Entscheidung, ob auf einem Grundstück die bisherige Nutzung im Grundsatz beibehalten werden soll oder ob beispielsweise im Einzelfall eine Bebauung in Betracht kommt, die sich an den vorhandenen Grundstücksgrenzen orientiert und vom Eigentümer selbst realisiert werden kann, auf diesen Zeitpunkt verschoben werden (Urteil vom 12. Dezember 2002 a.a.O. S. 260; Beschluss vom 27. Mai 2004 – BVerwG 4 BN 7.04 – BRS 67 Nr. 229). In bestimmten Fällen soll die Gemeinde überdies bereits nach den gesetzlichen Vorschriften von dem Erwerb eines Grundstücks absehen (§ 166 Abs. 3 Satz 3 BauGB). Mit dem Erlass einer Entwicklungssatzung wird somit die endgültige Prüfung und Entscheidung, ob im Einzelfall ein Grundstück zur Erreichung der Ziele der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme dem bisherigen Eigentümer entzogen werden soll, nicht vorweggenommen.
Rz. 14
Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang betonten Unterschiede zwischen Entwicklungssatzungen und Bebauungsplänen vermindern sich, wenn man in Rechnung stellt, dass auch auf deren Grundlage Enteignungen im Grundsatz möglich sind (§ 85 BauGB). Auch bei einem Bebauungsplan hat eine Gemeinde im Interesse des Eigentümers im Rahmen der Prüfung, ob ein Bebauungsplan erforderlich ist, sowie bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass hinsichtlich aller oder einzelner Grundstücke im Hinblick auf die festgesetzte Nutzung – beispielsweise als öffentliche Verkehrsfläche oder Grünfläche – ein Eigentumsübergang erforderlich werden wird. Dies gilt unbeschadet des Grundsatzes, dass Bebauungspläne keine enteignungsrechtliche Vorwirkung haben (Urteil vom 6. Juni 2002 – BVerwG 4 CN 6.01 – BRS 65 Nr. 8 S. 36).
Rz. 15
1.2 Auch die Frage,
ob aus dem Begründungserfordernis gem. § 165 Abs. 7 BauGB für den Fall der rückwirkenden Inkraftsetzung einer Entwicklungssatzung die Pflicht der Gemeinde folgt, eine neue Abwägung auf der Basis aktualisierter Tatsachengrundlagen vorzunehmen, und ob das Ziel des vereinfachten Verfahrens gem. § 214 Abs. 4 BauGB auch erreicht werden kann, wenn in jedem Fall einer rückwirkenden Inkraftsetzung von Satzungen eine erneute Abwägung erforderlich ist,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
Rz. 16
Das Begründungserfordernis gilt für Bebauungspläne und Entwicklungssatzungen gleichermaßen und steht somit einer Übertragung der Rechtsprechung zum ergänzenden Verfahren bei Bebauungsplänen auf Entwicklungssatzungen in der oben dargestellten Weise nicht entgegen.
Rz. 17
2. Auch die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.
Rz. 18
2.1 Die Beschwerde rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs und trägt vor, das Oberverwaltungsgericht habe seinen Sachvortrag im Schriftsatz vom 26. August 2009 (GA S. 131) nicht zur Kenntnis genommen. Die Rüge greift nicht durch. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet ein Gericht nicht, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Argument auseinanderzusetzen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen sowohl zur Kenntnis genommen als auch in seine Erwägungen einbezogen hat. Nur bei deutlichen gegenteiligen Anhaltspunkten kann ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs angenommen werden (stRspr; vgl. z.B. Beschluss vom 10. Mai 1999 – BVerwG 7 B 300.98 –). Dies ist hier nicht ersichtlich. Unter anderem auf Seite 14 der Entscheidungsgründe geht das Oberverwaltungsgericht sowohl auf die Prognosen aus dem Jahr 1995 als auch auf die zwischenzeitliche Entwicklung ein. In tatsächlicher Hinsicht weist es darauf hin, dass der Antragsteller auf Sanierungsprojekte außerhalb des hier betroffenen Ortsteils der Antragsgegnerin Bezug nimmt; demgegenüber betont das Gericht an anderer Stelle die außergewöhnliche Lage gerade dieses Ortsteils im Grenzbereich zum früheren West-Berlin (UA S. 3). In rechtlicher Hinsicht verdeutlicht das Gericht, auf welchen Zeitpunkt es nach seiner Auffassung ankommt. Somit ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht festzustellen.
Rz. 19
Außerdem bleibt die Rüge erfolglos, weil der Antragsteller es an einer Darlegung fehlen lässt, aus welchen Gründen das Gericht auf der Grundlage seiner – allein maßgeblichen – Rechtsauffassung in der Sache zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen sollen.
Rz. 20
2.2 Die Beschwerde rügt ferner eine Verletzung der aus Art. 14 Abs. 1 GG resultierenden richterlichen Prüfungspflicht (vgl. insbesondere BVerfG, Beschlüsse vom 19. September 2007 – 1 BvR 1698/04 – und vom 15. Februar 2007 – 1 BvR 300/06 – BRS 68 Nr. 4 S. 11). Auch damit dringt sie nicht durch. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob damit überhaupt ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO oder nicht vielmehr eine dem materiellen Recht zuzuordnende Kritik an der sachlich-rechtlichen Würdigung der Entwicklungssatzung im Normenkontrollverfahren vorgetragen wird.
Rz. 21
Das Oberverwaltungsgericht konnte zum Zeitpunkt seiner Normenkontrollentscheidung (August 2009) davon ausgehen, dass die Entwicklungssatzung hinsichtlich der im Eigentum des Antragstellers stehenden Grundstücke aufgehoben worden war (Beschluss vom Mai 2008, berichtigt im September/Oktober 2008). Das gegen den Antragsteller eingeleitete (Teil-)Enteignungsverfahren ist beendet worden (UA S. 5). Schon aus diesem Grund scheiden erhöhte Anforderungen vor dem Hintergrund einer (noch) drohenden Enteignung aus. Davon abgesehen gilt allgemein, dass bei einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme, deren Verwirklichung anders als bei Infrastrukturmaßnahmen oder einer Landesmesse auch durch Baumaßnahmen eines Eigentümers auf seinem eigenen Grundstück verwirklicht werden kann, die Entscheidung, ob die Enteignung eines bestimmten Grundstücks erforderlich ist, nicht mit bindender Wirkung für das Enteignungsverfahren vorweggenommen wird. Das von der Beschwerde befürchtete Rechtsschutzdefizit besteht somit nicht.
Rz. 22
Ferner ist Gegenstand der Normenkontrollentscheidung der im ergänzenden Verfahren zur Behebung eines Form- und Verfahrensfehlers ergangene Beschluss der Antragsgegnerin vom Oktober 2004. Mit ihm wird, wie oben dargestellt worden ist, die 1995 ergangene Entwicklungssatzung geheilt und nachträglich eine sichere Grundlage für darauf beruhende weitere Entscheidungen geschaffen. Dagegen enthält dieser Beschluss keine Entscheidung darüber, dass die 1995 generell bejahten Voraussetzungen, wonach das allgemeine Wohl die Maßnahme rechtfertigt, weiterhin bestehen und auch hinsichtlich sämtlicher Grundstücke weiterhin zu bejahen wären. Zwischenzeitliche Veränderungen, die sich nicht auf den städtebaulichen Entwicklungsbereich insgesamt auswirken, aber die Inanspruchnahme einzelner Grundstücke in einem anderen Licht erscheinen lassen, führen lediglich nicht zur Unwirksamkeit der Gesamtmaßnahme und damit der Entwicklungssatzung.
Rz. 23
Das Oberverwaltungsgericht hat sich einer Prüfung, ob bezogen auf die ursprüngliche – mit Form- oder Verfahrensfehlern behaftete – Beschlussfassung das Wohl der Allgemeinheit die Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme erforderte, nicht entzogen. Es ist allerdings zu dem Ergebnis gelangt, dass die Entwicklungsmaßnahme in nicht unbeträchtlichen Teilen erfolgreich durchgeführt worden ist (UA S. 13). Der Sache nach gelangt es somit zu dem Ergebnis, dass sich die der Entscheidung aus dem Jahre 1995 zugrunde liegende Prognose im Wesentlichen bestätigt habe und damit kein Zweifel angebracht sei, dass die Maßnahme insgesamt durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt sei.
Rz. 24
Da die Beschwerde aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen war, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob – wie die Antragsgegnerin vorträgt – die von Amts wegen zu prüfenden Zulässigkeitsvoraussetzungen des Normenkontrollantrags entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zu verneinen wären; denn selbst wenn dies zuträfe, bleibe die Beschwerde erfolglos, weil die angefochtene Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO jedenfalls im Ergebnis richtig wäre.
Rz. 25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Jannasch, Dr. Bumke
Fundstellen
Haufe-Index 2353672 |
BauR 2010, 1894 |
FuBW 2011, 336 |
FuHe 2011, 336 |