Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 22.01.2014; Aktenzeichen 19 BV 13.1447) |
Tenor
Die Anträge der Kläger, ihnen für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, werden abgelehnt.
Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Januar 2014 werden verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu jeweils einem Drittel.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Prozesskostenhilfeanträge sind mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen, wie sich aus den nachfolgenden Darlegungen ergibt, (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützten Beschwerden genügen hinsichtlich beider Zulassungsgründe nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
1. Wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache begehrt, setzt die hinreichende Darlegung dieses Zulassungsgrundes gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch nicht geklärten und sowohl für das Berufungsgericht als auch die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus und verlangt außerdem die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr, vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Beschwerden nicht.
Bezüglich der verschiedenen von den Beschwerden aufgeworfenen Fragen zur Auslegung der Anordnung des Bundesministeriums des Innern (BMI) über die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion vom 24. Mai 2007 in der Fassung vom 22. Juli 2009 und der früheren Regelung im Teilrunderlass des Auswärtigen Amtes vom 25. März 1997 fehlt es bereits an Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit. Denn das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei der auf § 23 Abs. 2 AufenthG gestützten Anordnung des BMI um eine politische Leitentscheidung handelt, die grundsätzlich keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegt und der nur mittelbar über die Verpflichtung der Behörden zur Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG Außenwirkung zukommt, soweit sich eine entsprechende Behördenpraxis herausgebildet hat. Damit hat sich das Berufungsgericht der Rechtsprechung des Senats in seinem Urteil vom 15. November 2011 – BVerwG 1 C 21.10 – (BVerwGE 141, 151 = Buchholz 402.242 § 23 AufenthG Nr. 2) angeschlossen, wonach die Anordnung keiner eigenständigen richterlichen Auslegung unterliegt und Betroffene unmittelbar aus der Anordnung keine Rechte herleiten können. Für das Berufungsgericht war daher hinsichtlich der inzwischen maßgeblichen Anordnung des BMI allein entscheidungserheblich, ob den Klägern auf der Grundlage der tatsächlichen Verwaltungspraxis und der tatsächlichen Handhabung dieser Anordnung durch das Bundesamt ein Anspruch auf Gleichbehandlung zusteht. Hinsichtlich der Regelungen im Teilrunderlass des Auswärtigen Amtes von 1997 und einer in Anwendung dieses Erlasses in der Vergangenheit für die Kläger möglicherweise günstigeren Verwaltungspraxis setzen sich die Beschwerden nicht damit auseinander, dass der Senat bereits im Beschluss vom 27. Juni 2013 – BVerwG 1 B 3.13 – darauf hingewiesen hat, dass es rechtlich schon deshalb nicht auf die (frühere) Verwaltungspraxis des Auswärtigen Amtes ankommt, weil nach Verlagerung der Zuständigkeit für die Durchführung des Aufnahmeverfahrens von den Ländern auf den Bund inzwischen ausschließlich das Bundesamt für die Erteilung einer Aufnahmezusage zuständig ist.
Soweit die Beschwerden weiter mit Blick auf Art. 6 GG für grundsätzlich klärungsbedürftig halten, ob ein Familienverband trotz erfolgter Zusage, wie geschehen, auseinandergerissen werden darf, wird ein Klärungsbedarf nicht näher dargelegt. In diesem Zusammenhang setzen sich die Beschwerden weder mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts zu den aufenthaltsrechtlichen Wirkungen des grundrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie noch mit dem Umstand auseinander, dass durch die Erstreckung der Aufnahme auf (nichtjüdische) Ehegatten und minderjährige ledige Kinder jedenfalls der Kernfamilie eine Einreise im Familienverband ermöglicht wird (vgl. I 4 der Anordnung) und verbleibende familiäre Härten über einen Familiennachzug nach § 36 Abs. 2 AufenthG Berücksichtigung finden können.
Die weiteren von den Beschwerden aufgeworfenen Rechtsfragen rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Auch insoweit zeigen die Beschwerden keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf, sondern halten den rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts lediglich ihre gegenteilige Auffassung entgegen. Allein der Umstand, dass die Kläger die Entscheidung des Berufungsgerichts in mehrfacher Hinsicht für falsch halten, reicht zur Darlegung einer eine Zulassung der Revision rechtfertigenden grundsätzlichen Bedeutung nicht aus.
2. Die Beschwerden genügen auch hinsichtlich der von ihnen gerügten Verfahrensverstöße nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Ein Verfahrensmangel ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. In diesem Sinne legen die Beschwerden weder eine Verletzung der Aufklärungspflicht noch einen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör noch einen sonstigen Verfahrensmangel schlüssig dar.
Stattdessen wenden sie sich vor allem gegen die von ihrem rechtlichen Standpunkt aus unzureichenden tatrichterlichen Feststellungen. Dabei berücksichtigen sie auch hier nicht in dem gebotenen Maße, dass die Kläger nach der vom Berufungsgericht zugrunde gelegten, für die Aufklärungsrüge maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung weder unmittelbar aus der Anordnung des BMI noch aus einer etwaigen Zusage der Auslandsvertretung oder einer in Anwendung des Teilrunderlasses von 1997 in der Vergangenheit möglicherweise großzügigeren Verwaltungspraxis des Auswärtigen Amtes einen Anspruch auf Aufnahme herleiten können. Hinsichtlich eines möglichen Anspruchs auf Gleichbehandlung ist das Berufungsgericht – mit Blick auf die von den Klägern behauptete mündliche Zusage der Auslandsvertretung – davon ausgegangen, dass es nicht darauf ankomme, ob es unter der Verwaltungspraxis des Auswärtigen Amtes derartige Zusagen tatsächlich gegeben habe, weil das Bundesamt überzeugend dargelegt habe, dass es über die vom Anwendungsbereich der Aufnahmeanordnung erfassten Anträge in jedem Fall nach Maßgabe dieser Anordnung entschieden habe. Weiter ist das Berufungsgericht nach Würdigung des Vorbringens der Beklagten und der Kläger und unter Einbeziehung seiner eigenen Erkenntnisse aus anderen Gerichtsverfahren zu der Überzeugung gelangt, dass das Bundesamt in ständiger, vom Bundesministerium gebilligter Praxis Aufnahmezusagen auf der Grundlage der Aufnahmeanordnung nur Personen erteilt, die eine eigene jüdische Nationalität oder die jüdische Nationalität eines Elternteils mit vor 1990 ausgestellten staatlichen Urkunden nachweisen, allein der Nachweis der Abstammung von einem jüdischen Großelternteil hingegen nicht genügt. Soweit die Beschwerden die tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Verwaltungspraxis des Bundesamts für verfahrensfehlerhaft halten, überspannen sie die Anforderungen an die richterliche Aufklärungspflicht und setzen sich – mit Blick auf die Darlegungslast – nicht damit auseinander, dass die Kläger im Berufungsverfahren das Vorbringen der Beklagten zur Aufnahmepraxis des Bundesamts zwar bestritten, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aber keinerlei substantiierte Anhaltspunkte oder konkrete Einzelfälle für eine andere – für sie günstigere und deshalb von ihnen darzulegende – Verwaltungspraxis des Bundesamts angeführt haben.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Berlit, Fricke, Dr. Maidowski
Fundstellen