Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 24.10.2013; Aktenzeichen 2 A 2.12) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen einer Abweichung des angefochtenen Urteils von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen.
Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – NVwZ-RR 1996, 712; stRspr). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass der Tatbestand der Divergenz nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt wird.
Der Senat hat im Urteil vom 3. Juli 1998 – BVerwG 4 CN 5.97 – (Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr. 4), das die Antragstellerin in Bezug nimmt, den Rechtssatz formuliert, dass eine Prognoseentscheidung für die planerische Praxis nur tauglich ist, wenn die Prognose in einer der jeweiligen Materie angemessenen, methodisch einwandfreien Weise erarbeitet wird bzw. auf einer zuverlässigen Tatsachenbasis beruht und in sich schlüssig ist. Im Beschluss vom 16. Februar 2001 – BVerwG 4 BN 55.00 – (Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr. 9) hat er bekräftigt, dass eine Prognose nur dann den rechtlichen Anforderungen genügt, wenn sie auf zuverlässigen Fakten und Daten beruht. Die Antragstellerin hält dem Oberverwaltungsgericht vor, sich dieser Rechtsprechung mit dem Rechtssatz widersetzt zu haben, dass eine planerische Prognose auch dann nicht zu beanstanden sein könne, wenn weder die Grundlage noch die konkreten Ermittlungen, auf denen die Prognose beruhe, dokumentiert seien und damit die Prognose nicht überprüfbar sei.
a) Die Divergenzrüge scheitert bereits daran, dass die angeblich unvereinbaren Rechtssätze nicht zu derselben Vorschrift aufgestellt worden sind. Die Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts beziehen sich auf § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB, der Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts auf § 1 Abs. 7 BauGB. Dass die rechtlichen Anforderungen an eine Prognose im Anwendungsbereich der beiden Vorschriften identisch sind, ist unerheblich (vgl. Beschluss vom 16. Oktober 1979 – BVerwG 2 B 61.79 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 184). Darüber hilft der Verweis der Antragstellerin auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach sich das Gebot gerechter Abwägung aller von einer staatlichen Planungsentscheidung berührten öffentlichen und privaten Belange unabhängig von einer gesetzlichen Positivierung aus dem Wesen einer rechtsstaatlichen Planung ergibt, nicht hinweg. Die vermeintlich divergierenden Entscheidungen sind nicht zu Art. 20 Abs. 3 GG, sondern zu unterschiedlichen Vorschriften des Baugesetzbuchs ergangen.
b) Davon abgesehen hat das Oberverwaltungsgericht auch keinen Rechtssatz gebildet, der von den Rechtssätzen des Senats abweicht. Dem vorinstanzlichen Urteil ist ein Rechtssatz des Inhalts, eine Prognoseentscheidung sei für die planerische Praxis auch dann tauglich, wenn die Prognose nicht in einer der jeweiligen Materie angemessenen, methodisch einwandfreien Weise erarbeitet wird bzw. nicht auf einer zuverlässigen Tatsachenbasis beruht und in sich nicht schlüssig ist, nicht zu entnehmen. Dass weder die Grundlagen noch die konkreten Ermittlungen, auf denen eine Prognoseentscheidung beruht, im Aufstellungsvorgang dokumentiert und damit im Einzelnen nicht überprüfbar sind, hat das Oberverwaltungsgericht nicht generell gebilligt, sondern nur „unter den hier gegebenen Umständen” nicht beanstandet und diese Umstände benannt und gewürdigt (UA S. 28 f.). Mit einer Kritik hieran lässt sich weder der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO noch die grundsätzliche Bedeutung der Sache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1VwGO darlegen.
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen.
a) Die Antragstellerin rügt,das Oberverwaltungsgericht habe gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, wonach das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet.
aa) Das Oberverwaltungsgericht hat dem von der Fa. GMA erstellten und der Antragsgegnerin beschlossenen Einzelhandelskonzept für die Stadt Templin seine Tauglichkeit als Grundlage für den angefochtenen Bebauungsplan attestiert (UA S. 16 ff.). Anhaltspunkte dafür, dass ungeeignete bzw. wissenschaftlich nicht anerkannte Methoden angewandt worden seien, seien weder ersichtlich noch von der Antragstellerin vorgetragen (UA S. 28 f.). Letzterem hält die Antragstellerin entgegen, aus den Aufstellungsvorgängen sowie dem schriftsätzlichen Vorbringen im Normenkontrollverfahren ergebe sich das Gegenteil. Sie habe im Planaufstellungsverfahren ein Standortgutachten der Fa. BBE eingereicht, das sich mit dem Einzelhandelskonzept kritisch auseinandersetze, und sich im Normenkontrollverfahren nochmals auf das Gutachten berufen sowie eine ergänzende Stellungnahme der Fa. BBE vorgelegt.
Der Vorwurf gegen die tatrichterlichen Feststellungen ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht ist auf das BBE-Gutachten der Antragstellerin eingegangen (UA S. 17 f., S. 34) und hat sich ausdrücklich mit methodischen Einwänden befasst (UA S. 17 f.). Es hat ihm aber wegen der Wahl eines anderen Untersuchungsansatzes die Eignung abgesprochen, die Ergebnisse des GMA-Gutachtens zu erschüttern. Die Kritik der Antragstellerin, das Oberverwaltungsgericht habe sich nur unzureichend mit ihren methodischen Bedenken gegen das Einzelhandelskonzept befasst, ist nicht geeignet, einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1VwGO aufzuzeigen.
bb) Das Oberverwaltungsgericht hat dem Einwand der Antragstellerin, eine Vermietung frei gewordener Flächen (in dem von ihr betriebenen Stadt Center) sei derzeit nicht möglich und durch den damit einhergehenden Leerstand drohten Sonderkündigungen, die eine Abwärtsspirale in Gang setzten, entgegengehalten, die Antragstellerin habe unabhängig davon, dass ihr während einer Übergangszeit die mit Umstrukturierungsmaßnahmen naturgemäß verbundenen Nachteile und Einbußen zuzumuten seien, nicht vorgetragen, mit der Realisierung bisher nicht genutzter Kapazitäten und durch die streitgegenständliche Planung eingeräumter Möglichkeiten überhaupt begonnen zu haben. Zudem sei die Argumentation der Antragstellerin nicht schlüssig, da bereits bei Inkrafttreten des Bebauungsplans Leerstand im Stadt Center zu verzeichnen gewesen sei, der nicht auf die vorgenommenen Sortimentsbeschränkungen zurückgeführt werden könne (UA S. 33). Die Antragstellerin bemängelt, dass die Bewertung ihres Vortrags als unschlüssig auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage beruhe. Zum Zeitpunkt des Inkrafttreten des Bebauungsplans seien die Verkaufsflächen zu 97,6 % vermietet gewesen und der verbliebene Leerstand durch die Sortimentsbeschränkungen bedingt.
Der Senat kann offen lassen, ob die Rüge, die Vorinstanz habe den Sachverhalt aktenwidrig festgestellt, den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt (vgl. dazu Beschluss vom 19. November 1997 – BVerwG 4 B 182.97 – Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1); denn das Urteil beruht nicht auf dem – als gegeben unterstellten – Verfahrensfehler. Das Oberverwaltungsgericht hat, die Entscheidung insoweit selbständig tragend, auf die Zumutbarkeit von Umsatzeinbußen während der Umstrukturierung und einen fehlenden Vortrag zur Inangriffnahme der Realisierung bisher nicht genutzter Kapazitäten und durch die streitgegenständliche Planung eingeräumter Möglichkeiten abgestellt. Das zusätzliche („zudem”) Verdikt der Unschlüssigkeit der Argumentation der Antragstellerin zur Leerstandsproblematik kann hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Rechtsstreits ändert.
Hiervon unabhängig kam es dem Oberverwaltungsgericht in der angegriffenen Passage des Urteils erkennbar auf die Feststellung an, dass es Leerstand im Stadt Center gegeben hat, der, da er zeitlich vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplans aufgetreten war, nicht auf die vorgenommenen Sortimentsbeschränkungen zurückgeführt werden konnte. Dies zieht auch die Beschwerde nicht in Zweifel.
b) Die Antragstellerin bemängelt ferner einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG). Das Oberverwaltungsgericht habe sie nicht darauf hingewiesen, dass es ihren Vortrag zum Vorliegen eines Abwägungsfehlers wegen dauerhaft fehlender Realisierbarkeit der planerischen Festsetzungen für unzureichend bzw. unschlüssig halte.
Die Gehörsrüge bleibt erfolglos. Die Antragstellerin räumt mit ihrer Beschwerde ein, dass der abwägungsrelevante Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Auswirkungen der Festsetzungen des Bebauungsplans auf das Stadt Center in der mündlichen Verhandlung zur Sprache gekommen ist und sie deutlich gemacht hat, dass die planerischen Festsetzungen auf Dauer zum wirtschaftlichen Ruin führten. Das Oberverwaltungsgericht hat ihren Vortrag zur Kenntnis genommen und in den Entscheidungsgründen des Urteils verarbeitet. Damit hat es seine Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs erfüllt. Wie es das Vorbringen der Antragstellerin zu würdigen gedenke, brauchte es in der mündlichen Verhandlung nicht offen zu legen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschlüsse vom 8. August 1994 – BVerwG 6 B 87.93 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 335 = juris Rn. 5, vom 26. Juni 1998 – BVerwG 4 B 19.98 – juris Rn. 5, vom 28. Dezember 1999 – BVerwG 9 B 467.99 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 = juris Rn. 2, vom 13. März 2003 – BVerwG 5 B 253.02 – NVwZ 2003 1125 = juris Rn. 17 und vom 29. Januar 2010 – BVerwG 5 B 21.09, 5 PKH 16.09 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 61 Rn. 18) muss ein Gericht die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt. Dass vorliegend ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, ist nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Gatz, Dr. Külpmann
Fundstellen