Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenfestsetzung. Kostenerstattung für Privatgutachten. vorläufiger Rechtsschutz. Verfahren der Hauptsache. Planfeststellung, luftverkehrsrechtliche
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens, das im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und für die Klage im Verfahren der Hauptsache betreffend einen (hier: luftverkehrsrechtlichen) Planfeststellungsbeschluss Bedeutung erlangt hat, sind im Rahmen der Kostenfestsetzung grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren zuzuordnen.
Normenkette
VwGO §§ 161-162
Tenor
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 bis 3 tragen die Antragstellerinnen zu 1 bis 4 jeweils zu 1/4.
Tatbestand
I
Die Antragstellerinnen haben die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 13. August 2004 zur Planfeststellung des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld begehrt. Mit Beschluss vom 19. April 2005 hat der beschließende Senat die aufschiebende Wirkung ihrer Klagen im Wesentlichen angeordnet und den Antragstellerinnen jeweils 1/40, dem Antragsgegner 9/20 und den drei Beigeladenen jeweils 3/20 der Verfahrenskosten auferlegt.
Mit Schriftsatz vom 14. September 2005 haben die Antragstellerinnen beantragt, außergerichtliche Kosten i.H.v. 48 654,08 € festzusetzen. Darin waren 45 313,94 € für Aufwendungen für eingeholte Privatgutachten sowie Reisekosten für Besprechungen mit einem Gutachter i.H.v. 173,52 € enthalten. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. Juli 2006, den Antragstellerinnen zugestellt am 2. August 2006, erkannte diese Aufwendungen nicht als erstattungsfähig an. Mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 3. August 2006, eingegangen bei Gericht am 7. August 2006, fordern die Antragstellerinnen eine Berücksichtigung der Aufwendungen für Privatgutachten sowie der Reisekosten.
Entscheidungsgründe
II
Der nach §§ 165, 151 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung bleibt erfolglos.
Über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 165 Satz 2, § 152 Abs. 2, § 151 Satz 1 VwGO entscheidet der Senat in der Besetzung von drei Richtern (§ 10 Abs. 3 VwGO). Eine Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 87a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 VwGO scheidet aus, weil das vorbereitende Verfahren mit der verfahrensabschließenden Entscheidung geendet hat (vgl. Beschluss vom 29. Dezember 2004 – BVerwG 9 KSt 6.04 – Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 40; VGH Mannheim, Beschluss vom 5. Februar 1991 – 9 S 2930/90 – NVwZ 1991, 593 ≪594≫).
1. Der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss setzt die Kosten für die eingeholten Privatgutachten der Antragstellerinnen i.H.v. 45 313,94 € zu Recht ab. Diese Kosten sind im Eilverfahren nicht erstattungsfähig.
1.1 Nach § 162 Abs. 1 VwGO sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten erstattungsfähig. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung der Beteiligten, sondern danach, wie ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage seine Interessen wahrgenommen hätte (Beschlüsse vom 17. März 2003 – BVerwG 4 A 28.01 – und vom 3. Juli 2000 – BVerwG 11 KSt 2.99 – Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 35). Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung; ohne Belang ist, ob sich die Handlung im Nachhinein als unnötig herausstellt (Beschluss vom 3. Juli 2000 a.a.O.). Nach diesen Maßgaben können auch Aufwendungen für private, also nicht vom Gericht bestellte Sachverständige ausnahmsweise erstattungsfähig sein (Beschluss vom 11. April 2001 – BVerwG 9 KSt 2.01 – Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 37).
Die von den Antragstellerinnen im Eilverfahren vorgelegten Privatgutachten sollten ihren Standpunkt stützen, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 insgesamt rechtswidrig sei und auf ihre Anfechtungsklage im Verfahren der Hauptsache aufzuheben sein werde. Aus der Sicht eines verständigen Antragstellers entspricht es einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, mit dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu den Erfolgsaussichten einer Anfechtungsklage und damit auch zur Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses vorzutragen. Die Verwaltungsgerichte entscheiden über Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen Planfeststellungsbeschlüsse nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO auf der Grundlage einer Interessenabwägung. Diese Interessenabwägung geht regelmäßig zu Lasten eines Antragstellers aus, wenn die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage keine Aussicht auf Erfolg verspricht (stRspr, Beschlüsse vom 30. Juni 2003 – BVerwG 4 VR 2.03 – Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 10, vom 19. Mai 2005 – BVerwG 4 VR 2000.05 – Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 22 und vom 12. April 2005 – BVerwG 9 VR 41.04 – Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 16). Lässt sich die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme bei summarischer Überprüfung dagegen nicht hinreichend übersehen, darf sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzugs einer behördlichen Maßnahme auf die Durchführung einer Interessenabwägung beschränken, bei der das Interesse der beklagten Behörde (und des Vorhabenträgers) an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts dem Interesse der Antragsteller gegenüberzustellen ist, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern (BVerfG, Beschluss vom 22. Februar 2002 – 1 BvR 300/02 – NJW 2002, 2225). Bei Stellung des Eilantrags war für die Antragstellerinnen nicht erkennbar, ob der beschließende Senat die gebotene Interessenabwägung nach den Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache vornehmen oder – wie in dem Beschluss vom 19. April 2005 geschehen – zugunsten einer hiervon losgelösten Interessenabwägung auf eine solche Prognose verzichten würde. Es diente daher einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, innerhalb der Begründungsfrist des § 10 Abs. 6 Satz 2 LuftVG zur Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses vorzutragen.
Kosten von Privatgutachten sind als außergerichtliche Kosten nach § 162 Abs. 1 VwGO jedoch nur in Ausnahmefällen erstattungsfähig (Beschluss vom 17. März 2003 – BVerwG 4 A 28.01 –). Das gilt in besonderem Maße für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die in der Regel auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache beschränkt sind. Die Einholung eines Privatgutachtens kann gleichwohl als notwendig anzuerkennen sein, wenn ein Beteiligter mangels ausreichender eigener Sachkunde die sein Begehren tragenden Behauptungen nur mit Hilfe des eingeholten Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Zudem muss die jeweilige Prozesssituation das Gutachten herausfordern; dessen Inhalt muss auf die Förderung des jeweiligen Verfahrens zugeschnitten sein (vgl. Beschluss vom 11. April 2001 a.a.O.).
1.2 Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung. Die Kosten der eingeholten Privatgutachten sind jedenfalls deshalb nicht erstattungsfähig, weil ihnen der spezifische Bezug zum Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes fehlt. Sie waren nicht zur Rechtsverfolgung gerade im Eilverfahren notwendig (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 11. Februar 1997 – 3 S 156/97 – NVwZ-RR 1998, 691 ≪692≫).
Die im Eilverfahren vorgelegten Privatgutachten zielten darauf, die Einwände der Antragstellerinnen gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 in verfahrens- und materiellrechtlicher Hinsicht zu substantiieren. Die Gutachten äußern sich umfassend und detailliert zu Kernfragen der erhobenen Anfechtungsklage. Sie erlangten daher sowohl im Eilverfahren als auch im Klageverfahren Bedeutung. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen hat im Klageverfahren ausdrücklich ergänzend auf den gesamten Vortrag im vorläufigen Rechtsschutzverfahren Bezug genommen (Schriftsatz vom 22. August 2005 in der Rechtssache BVerwG 4 A 1001.04, S. 3). Die Ergebnisse der im Eilverfahren vorgelegten Gutachten sind in das Klagevorbringen übernommen worden. Eine Erstattung der nur einmal angefallenen Gutachterkosten ist indes nur einmal möglich. Die geltend gemachten Kosten für Privatgutachten sind dem Hauptsacheverfahren zuzuordnen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Dienen Aufwendungen in gleicher Weise dem Hauptsache- und dem Eilverfahren, kann die Zuordnung zu dem einen oder dem anderen Verfahren nicht dem Belieben eines Beteiligten überlassen sein (so mit Recht OVG Münster, Beschluss vom 12. Januar 1981 – 14 B 1244.80 – VerwRspr Bd. 32 ≪1981≫ Nr. 223). Auch dem zur Kostenerstattung verpflichteten Beteiligten kann in einem solchen Fall nicht der Einwand eröffnet sein, die Kosten seien im jeweils anderen Verfahren entstanden. Ansonsten könnte in den Fällen, in denen im Eil- und im Hauptsacheverfahren unterschiedliche Kostengrundentscheidungen ergangen sind, jeder Beteiligte geltend machen, die fraglichen Kosten seien in dem für ihn hinsichtlich der Kostengrundentscheidung günstigeren Verfahren angefallen und zu erstatten. Das Verfahren der Kostenfestsetzung ist von derartigen Konfliktsituationen möglichst freizuhalten.
Kosten, die im Hauptsache- und im Eilverfahren angefallen sind, sind daher jedenfalls in Verfahren der hier vorliegenden Art Kosten des Hauptsacheverfahrens. Erst in diesem wird rechtskräftig darüber entschieden, ob der Betroffene einen Anspruch auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses hat. Wegen des Grundsatzes der mündlichen Verhandlung (§ 101 Abs. 1 VwGO) und der fehlenden Beschränkung auf eine – allenfalls – summarische Prüfung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses bietet das Hauptsacheverfahren eine höhere Richtigkeitsgewähr, auch und gerade hinsichtlich der Beurteilung von privatgutachtlich substantiierten Einwendungen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat es daher – in Übereinstimmung mit diesen Erwägungen – gebilligt, dass die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines privaten Gutachtens nicht bei der Kostenfestsetzung im Eilverfahren fällt, sondern der Kostenfestsetzung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt (VGH München, Beschluss vom 23. November 1998 – 20 A 93.40082 – NVwZ-RR 1999, 614).
Einen spezifischen Bezug zum Eilverfahren gewinnen die von den Antragstellerinnen eingeholten Privatgutachten nicht deshalb, weil der für die richterliche Sachverhaltsaufklärung geltende Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aus Gründen der Eilbedürftigkeit Einschränkungen unterliegt und die Erfolgsaussichten der Antragstellerinnen im Eilverfahren ohne fachlich substantiierten Vortrag eher gering gewesen wären (vgl. hierzu VGH München, Beschlüsse vom 26. Juli 2000 – 22 C 00.1767 – NVwZ-RR 2001, 69 ≪70≫ und vom 7. Oktober 2003 – 26 C 03.1647 – juris; in diese Richtung auch OVG Münster, Beschlüsse vom 21. Mai 1982 – 11 B 1629/81 – KostRsp. VwGO § 162 Nr. 52 und vom 25. Juni 2001 – 7 E 747/99 – juris). Denn den Antragstellerinnen dieses Verfahrens oblag es nach § 10 Abs. 7 Satz 1 LuftVG, auch im Hauptsacheverfahren die zur Begründung ihrer Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben.
Diese Sichtweise des beschließenden Senats entspricht im Planfeststellungsrecht auch praktischen Bedürfnissen. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO können nur die Erfolgsaussichten des Aufhebungsanspruchs bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden. Mit der Verpflichtungsklage zu verfolgende Ansprüche auf Planergänzung sind dagegen grundsätzlich nicht in diese Interessenabwägung einzustellen. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn die gerügten Abwägungsdefizite so gravierend sind, dass sie die Ausgewogenheit der Planung insgesamt in Frage stellen und diese nicht im Wege der Planergänzung behoben werden können (Beschluss vom 19. Mai 2005 – BVerwG 4 VR 2000.05 – NVwZ 2005, 940 ≪943≫). Regelmäßig – so auch im vorliegenden Fall – machen Antragsteller im Hauptsacheverfahren klageweise Ansprüche auf Planaufhebung und – hilfsweise – Planergänzungsansprüche geltend. Zur Eingrenzung der auf das Eilverfahren entfallenden Gutachterkosten wäre danach zu fragen, in welchem Umfang die privatgutachtlich behaupteten Mängel für sich genommen oder in ihrer Gesamtheit geeignet waren, einen Anspruch auf Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses zu tragen. Diese materiellrechtliche Prüfung kann im Verfahren der Kostenfestsetzung, die dem Urkundsbeamten des Gerichts übertragen ist (§ 164 VwGO), in der Regel nicht geleistet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie vorliegend – die Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sich zu diesen Fragen nicht verhält. Eine anteilige Kostenteilung (so Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., 2005, § 162 Rn. 1a) hält der beschließende Senat nicht für angemessen, weil es an greifbaren Maßstäben fehlt, nach denen sich beurteilen ließe, welche Anteile jeweils auf das Eil- und das Hauptsacheverfahren entfallen sollten. Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – in der Hauptsache hilfsweise Verpflichtungsansprüche geltend gemacht werden, die für den Erfolg eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO außer Betracht zu bleiben haben.
2. Der Kostenfestsetzungsbeschluss setzt aus den vorgenannten Gründen auch zutreffend die Kosten ab, die als Reisekosten anlässlich der Erstellung des Privatgutachtens i.H.v. 173,52 € angefallen sein sollen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch
Fundstellen