Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 11.12.2007; Aktenzeichen 1 C 10304/07) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
Der Kläger wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Industrieheizkraftwerks mit maximal 100 MW Feuerungswärmeleistung. Der Beklagte hat neben Erdgas den Einsatz von jährlich maximal 140 000 t Ersatzbrennstoff und rund 15 000 t anderer Abfälle genehmigt. Der Standort des Kraftwerks befindet sich rund 1 000 m südwestlich der Wohnung des Klägers auf der anderen Rheinseite. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens erhob der Kläger Einwendungen insbesondere gegen die Schadstoffemission. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Oberverwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob im Fall atypischer Ausbreitungsverhältnisse einem Drittbetroffenen ein Abwehranspruch aus einem Verstoß gegen die Vorsorgepflicht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG) zusteht. Die Frage ist zu verneinen, ohne dass es der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entfaltet die immissionsschutzrechtliche Vorsorgepflicht grundsätzlich keine Drittwirkung, weil die Regelung nicht der Begünstigung eines bestimmten Personenkreises, sondern dem Interesse der Allgemeinheit daran dient, potentiell schädlichen Umwelteinwirkungen generell und auch dort vorzubeugen, wo sie keinem bestimmten Emittenten zuzuordnen sind (Urteil vom 11. Dezember 2003 – BVerwG 7 C 19.02 – BVerwGE 119, 329 ≪332 f.≫). Das gilt auch bei den vom Kläger unterstellten atypischen Ausbreitungsverhältnissen. Diese gehen in die Ausbreitungsrechung ein, deren Ergebnisse der Auswahl der Beurteilungspunkte dienen, die für die Ermittlung der Zusatzbelastung und der Gesamtbelastung der Luft maßgeblich sind (Anhang 3 der TA Luft). Die Ausbreitungsverhältnisse, seien sie typisch oder atypisch, sind damit eine Grundlage für die Bestimmung der Immissionswerte, die der Konkretisierung der Schutzpflicht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG) dienen. Schon aus diesem Grund geben sie für die Anerkennung eines Drittschutzes in Bezug auf die Vorsorgepflicht nichts her.
Davon abgesehen ist der Beigeladenen in der angefochtenen Genehmigung aufgegeben worden, die Emissionsgrenzwerte des § 5 der 17. BImSchV einzuhalten, die nach dem Konzept der gruppenspezifischen Generalisierung für den Regelfall die an Abfallverbrennungsanlagen zu stellenden Vorsorgeanforderungen festlegen (Beschluss vom 10. Juni 1998 – BVerwG 7 B 25.98 – Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 24). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, die nicht mit einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge angegriffen sind, wäre mit schädlichen Umwelteinwirkungen zum Nachteil des Klägers selbst dann nicht zu rechnen, wenn in der im Neuwieder Becken vorherrschenden Wetterlage besondere Umstände gesehen werden müssten, die eine Abweichung vom Regelfall rechtfertigten. Angesichts dessen besteht von vornherein kein Grund dafür, trotz Wahrung der Schutzpflicht und Einhaltung der Vorsorgepflicht dem Drittbetroffenen einen Anspruch auf Verpflichtung des Anlagenbetreibers zum Einsatz einer Abgasreinigungsanlage einzuräumen, um die Emissionen über die festgelegten Grenzwerte hinaus zu minimieren.
2. Die Revision ist auch nicht wegen der behaupteten Verfahrensfehler zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Mit ihren Angriffen gegen die Würdigung der fachlichen Stellungnahme des Sachverständigen Z… und des Gutachtens der Sachverständigen G…/K… durch das Oberverwaltungsgericht macht die Beschwerde keinen Verfahrensfehler geltend, da die Beweiswürdigung grundsätzlich dem materiellen Recht zugeordnet ist. Anhaltspunkte dafür, dass das Oberverwaltungsgericht Erkenntnisse des Gutachtens G…/K… nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hätte, sind angesichts der eingehenden Auseinandersetzung mit den jeweiligen Ergebnissen der sachverständigen Äußerungen nicht ersichtlich. Das gilt namentlich für die Beurteilung der Geländegliederung und die zugrunde gelegten Windverhältnisse. Da das Oberverwaltungsgericht von den Äußerungen des Sachverständigen Z… zur Geländegliederung und zur Berücksichtigung von Änderungen des Windfelds im Rahmen des verwendeten Programms AUSTAL2000 überzeugt war, musste sich ihm eine weitere Aufklärung dieser Tatsachen auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung auch nicht aufdrängen. Verfahrensfehler bei der Würdigung der gutachterlichen Stellungnahmen macht die Beschwerde nicht geltend. Ihre Angriffe richten sich vorrangig dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht die sachverständigen Äußerungen anders gewürdigt hat, als sie es für richtig hält. Derartige Angriffe sind zur Zulassung der Verfahrensrevision ungeeignet. Die in diesem Zusammenhang vorgebrachte Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist unzulässig. Die Beschwerde legt nicht dar, dass das Oberverwaltungsgericht ihr Vorbringen zu den Windverhältnissen nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hat. Sie begnügt sich damit, die Würdigung ihrer Einwendungen gegen die Stellungnahme des Sachverständigen Z… als “nicht substantiiert” zu beanstanden. Daraus ergibt sich kein Gehörsverstoß.
Wenn die Beschwerde, wie sie vorträgt, die Äußerungen des Sachverständigen Z… nicht für sachkundig hielt, hätte der anwaltlich vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht einen Antrag auf gerichtliche Einholung eines Sachverständigengutachtens stellen müssen. Dass er dies versäumt hat, lässt sich nicht mit einer nachträglichen Rüge im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde wettmachen. Wenn sich der anwaltlich vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht mangels vorangegangenen Hinweises auf die Erörterung der Ergebnisse der sachverständigen Äußerungen in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt gesehen hat, hätte er sich durch einen Antrag auf Befragung auch der Sachverständigen G…/K… das rechtliche Gehör verschaffen können und müssen. Da er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, ist sein Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Guttenberger
Fundstellen