Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 20.04.2005; Aktenzeichen 22b A 3612/02.BDG) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. April 2005 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und des Verfahrensmangels gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde ist nicht begründet.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst für geboten gehalten, weil der Beklagte dem Dienst in der Zeit vom 8. März 2001 bis 13. November 2001 ohne Genehmigung und schuldhaft ferngeblieben sei. In dem Berufungsurteil hat es ausgeführt, der Beklagte sei im fraglichen Zeitraum dienstfähig gewesen und habe zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt. Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit seien nicht beeinträchtigt gewesen. Insoweit komme dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. November 2001 – BVerwG 1 DB 30.01 –, der in dem Verfahren wegen des Verlusts der Dienstbezüge ergangen sei, Bindungswirkung gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG zu. Die beiden in diesem Verfahren eingeholten amtsärztlichen Gutachten und das neurologisch-psychiatrische fachärztliche Gutachten vom 5. November 2001 ließen keine Zweifel an der Schuldfähigkeit des Beklagten erkennen. Die Gutachter hätten die Dienstfähigkeit des Beklagten übereinstimmend bejaht. Auch der Bericht der den Beklagten behandelnden Fachärztin vom 2. Mai 2001 gebe für eine Einschränkung der Schuldfähigkeit nichts her.
Mit der Grundsatzrüge macht der Beklagte geltend, es müsse geklärt werden, in welchem Verhältnis die von § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG angeordnete Bindungswirkung einer gerichtlichen Entscheidung, die den festgestellten Verlust der Dienstbezüge aufrechterhalte, und die Pflicht des Disziplinargerichts zur eigenverantwortlichen Sachaufklärung stehen.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Einzelfall erhebliche Frage des revisiblen Rechts von über diesen Fall hinausgehender Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫; stRspr). Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 69 BDG muss der Beschwerdeführer darlegen, dass diese Voraussetzungen gegeben sind.
Die Beschwerdebegründung des Beklagten genügt diesen Darlegungsanforderungen nicht. Der Beklagte hat bereits keine klärungsbedürftige allgemeine Rechtsfrage zur Auslegung von § 57 Abs. 1 Satz 1 und 2 BDG formuliert. Zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage nach der inhaltlichen Reichweite der Bindungswirkung gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG bedarf es keines Revisionsverfahrens. Nach dieser Vorschrift sind die tatsächlichen Feststellungen der aufgeführten gerichtlichen Entscheidungen im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für das Gericht bindend. Daraus folgt zwangsläufig, dass die Reichweite der Bindungswirkung davon abhängt, welchen Inhalt die dem Disziplinarverfahren vorangehende gerichtliche Entscheidung hat. Das Disziplinargericht muss gegebenenfalls durch Auslegung der Gründe dieser Entscheidung ermitteln, welche tatsächlichen Feststellungen getroffen worden sind. Wenn diese Feststellungen nicht gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG offensichtlich unrichtig sind, scheidet insoweit eine Sachaufklärung des Disziplinargerichts aus.
In der Sache wendet sich der Beklagte gegen die Anwendung des § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG im vorliegenden Einzelfall. Er macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. November 2001 nach dessen Inhalt keine Bindungswirkung hinsichtlich der Schuldfähigkeit des Beklagten beimessen dürfen. Die damit aufgeworfene Frage ist nicht verallgemeinerungsfähig, weil es für die Beantwortung allein auf die Auslegung der konkreten Beschlussgründe ankommt.
Darüber hinaus kommt die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht in Betracht, weil sich Fragen der Bindungswirkung gemäß § 57 Abs. 1 BDG in einem Revisionsverfahren nicht stellen würden. Denn das Berufungsurteil ist hinsichtlich der Frage der Schuldfähigkeit auf weitere Erwägungen gestützt, die es selbstständig tragen. Mit diesen Erwägungen hätte es auch dann Bestand, wenn dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. November 2001 keine Bindungswirkung hinsichtlich der Schuldfähigkeit zukäme. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Frage eigenverantwortlich geprüft. Es ist aufgrund einer Würdigung der beiden amtsärztlichen Gutachten, des ärztlichen Berichts der den Beklagten behandelnden Fachärztin vom 2. Mai 2001 und des neurologisch-psychologischen fachärztlichen Gutachtens vom 5. November 2001 zu dem Ergebnis gekommen, es lägen keine Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Schuldfähigkeit des Beklagten begründen könnten. Die gegen diese Feststellung erhobene Verfahrensrüge des Beklagten greift nicht durch.
Mit dieser Verfahrensrüge macht der Beklagte geltend, das Oberverwaltungsgericht habe ihm das rechtliche Gehör versagt. Es habe entgegen seinem Antrag kein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob aufgrund seines gesundheitlichen Zustands im fraglichen Zeitraum seine Schuldfähigkeit ausgeschlossen oder vermindert gewesen sei.
Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, einem Beweisangebot nachzugehen, dessen Ablehnung im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerfGE 50, 32 ≪36≫; 60, 250 ≪252≫; 69, 141 ≪144≫). Das Gericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen über Art und Zahl der einzuholenden Sachverständigengutachten zu bestimmen (vgl. § 98 VwGO, § 412 Abs. 1 ZPO, § 3 BDG). Seine Weigerung, ein weiteres Gutachten einzuholen, findet im Prozessrecht nur dann keine Stütze, wenn vorliegende Gutachten nicht verwertbar sind. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Gutachten von unrichtigen tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder sich Gutachten inhaltlich widersprechen. Demnach folgt die Verpflichtung zur Einholung eines weiteren Gutachtens nicht schon daraus, dass ein Beteiligter ein vorliegendes Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält. Vielmehr muss er aufzeigen, aus welchen Gründen dieses Gutachten nicht genügt (Beschlüsse vom 30. März 1995 – BVerwG 8 B 167.94 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 48 S. 5; vom 30. August 2000 – BVerwG 2 B 28.00 – juris; vom 28. Januar 2003 – BVerwG 4 B 4.03 – Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 53; stRspr).
Das Oberverwaltungsgericht hat den ihm vorliegenden amtsärztlichen und fachärztlichen Stellungnahmen Aussagekraft für die Frage der Schuldfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB beigemessen, weil sie sich mit der Persönlichkeitsstruktur des Beklagten und den daher rührenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen befassen. Dementsprechend hat das Oberverwaltungsgericht aus dem Umstand, dass das amtsärztliche Gutachten vom 16. Juli 2001 und das neurologisch-psychiatrische fachärztliche Gutachten vom 5. November 2001 dem Beklagten Arbeits- und Leistungsfähigkeit bescheinigen, folgerichtig geschlossen, durch diese übereinstimmenden ärztlichen Erkenntnisse seien Zweifel an der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB sachkundig ausgeschlossen worden. Dies hat es dadurch bestätigt gesehen, dass nach seinen Feststellungen auch der Bericht der behandelnden Fachärztin vom 2. Mai 2001 keinen Hinweis auf eine mögliche Verminderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit enthält.
Der Beklagte leitet mögliche Zweifel an seiner Schuldfähigkeit aus den gesundheitlichen Beeinträchtigungen her, die in den verwerteten Gutachten amtsärztlich und fachärztlich gewürdigt werden. In Anbetracht der vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Aussagen dieser Gutachten hätte das Oberverwaltungsgericht die Einholung eines weiteren neurologisch-psychiatrischen Gutachtens nur in Betracht ziehen müssen, wenn der Beklagte aufgezeigt hätte, dass die verwerteten Gutachten, insbesondere die Gutachten vom 16. Juli 2001 und vom 5. November 2001 Mängel aufweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtsgebühren werden gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 BDG nicht erhoben.
Unterschriften
Albers, Groepper, Dr. Heitz
Fundstellen