Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 29.01.2009; Aktenzeichen 11 LC 480/07) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. Januar 2009 wird verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 354 945,98 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Klägerin verlangt von der beklagten Stadt Emden die Erstattung von 354 945,98 € für Kampfmittelsondierungsmaßnahmen, die zwischen 1996 bis 2001 im Zusammenhang mit Bauvorhaben im Hafen Emden auf Veranlassung des Niedersächsischen Hafenamtes durchgeführt worden sind.
Rz. 2
Das Oberverwaltungsgericht hat die Abweisung der Klage auf Berufung der Klägerin hin bestätigt. Einer Kostenpflicht der Beklagten stehe entgegen, dass im maßgeblichen Zeitraum das Land Niedersachsen, dessen Rechtsnachfolgerin die Klägerin hinsichtlich des Hafens Emden geworden sei, für die Kampfmittelsondierung zuständig gewesen sei. Nach § 2 der niedersächsischen Verordnung über die Zuständigkeiten für die Gefahrenabwehr in Hafen-, Fähr- und Schifffahrtsangelegenheiten (ZustVOHafen) vom 19. Dezember 1984 (Nds. GVBl. S. 289) seien die Landkreise und kreisfreien Städte für die Gefahrenabwehr in Hafen-, Fähr- und Schifffahrtsangelegenheiten (nur) in den Binnenhäfen zuständig gewesen, in den Seehäfen hingegen nach § 1 ZustVOHafen die Niedersächsischen Hafenämter als Vertreter des Landes. Entsprechend sei in § 1 Nr. 5 ZustVOHafen für den (See)Hafen Emden die Zuständigkeit des Hafenamtes Emden festgelegt gewesen. Der Begriff der Gefahrenabwehr sei weit zu verstehen und betreffe nach Sinn und Zweck der Regelung nicht nur hafentypische, sondern auch allgemeine Gefahren innerhalb des Hafenbereichs, auch soweit ihnen mit Kampfmittelsondierungsmaßnahmen der durchgeführten Art hätte begegnet werden sollen. Die früher und derzeit für Häfen geltenden niedersächsischen Rechtsgrundlagen gäben keinen Anlass zu einer anderen Auslegung.
Rz. 3
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist unzulässig. Weder ist in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat (1.) noch dass die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts von einer Entscheidung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte abweicht (2.).
Rz. 4
1. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht schlüssig dargelegt. Dies erfordert, dass eine Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und näher ausgeführt wird, inwiefern sie der höchstrichterlichen Klärung bedarf, inwiefern mit dieser Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu rechnen ist und inwiefern hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht. Das leistet die Klägerin nicht. Die Klägerin bezeichnet schon keine Frage des revisiblen Rechts, die dem Revisionsgericht Gelegenheit zu weitergehenden Klärungen bieten könnte. In der Beschwerdebegründung werden Rechtsvorschriften angeführt, auf deren Verletzung eine Revision nicht gestützt werden kann. Im Kern geht es der Klägerin um die Auslegung des Gefahrenabwehrbegriffs nach der – für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zentralen – niedersächsischen Verordnung über die Zuständigkeiten für die Gefahrenabwehr in Hafen-, Fähr- und Schifffahrtsangelegenheiten, die aufgrund eines Landesgesetzes, nämlich § 1 des niedersächsischen Gesetzes über Zuständigkeiten für die Gefahrenabwehr in Hafen-, Fähr- und Schifffahrtsangelegenheiten vom 15. Juli 1971 (Nds. GVBl. S. 256) erlassen worden ist. Diese Bestimmungen sind niedersächsisches Landesrecht, das weder gemäß § 137 Abs. 1 VwGO von sich aus der Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht unterliegt noch durch Bundesgesetz für revisibel erklärt ist. Dasselbe gilt für die weiteren vom Oberverwaltungsgericht zur Auslegung herangezogenen landesrechtlichen Bestimmungen und erst recht für die von der Klägerin angeführten Normen der Niedersächsischen Verfassung.
Rz. 5
Die Beschwerde stützt sich auch nicht insoweit auf revisibles Recht, als sie geklärt wissen will, ob das Oberverwaltungsgericht bei der Norminterpretation den Grundsatz verfassungskonformer Auslegung gewahrt hat, und dabei ganz allgemein schwierige Abgrenzungsfragen zwischen revisiblem Bundes- und Landesrecht sieht, das von ihr grundsätzlich als irrevisibel anerkannt wird. Es ist schon überaus zweifelhaft, ob das Gebot verfassungskonformer Auslegung – im Unterschied zu anderen Auslegungsmethoden (dazu etwa BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24. Oktober 2001 – BVerwG 6 C 3.01 – BVerwGE 115, 189 ≪197≫ = Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 70 S. 16) – von seinem konkreten rechtlichen Umfeld gelöst und durchgehend zu einem Grundsatz des Bundesverfassungsrechts erhoben werden kann oder ob es nicht vielmehr einen verfassungsrechtlichen Grundsatz darstellt, der die Qualität des Landesrechts oder des Bundesrechts besitzt, je nachdem in welchem Rechtskreis er wirksam werden soll. Selbst wenn aber der Grundsatz als Ausfluss des bundesverfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzips selbst bundesrechtliche Qualität haben sollte, so könnte die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache darauf gestützt doch allenfalls dann beansprucht werden, wenn die Entscheidung des Revisionsgerichts der Fortentwicklung eben jenes Grundsatzes dienen würde oder zumindest die Maßstabsnorm, die zur verfassungskonformen Auslegung zwingen soll, dem Bundesrecht angehören würde. Dazu legt die Beschwerde jedoch nichts dar.
Rz. 6
Die Klägerin stützt sich zur Begründung ihrer Ansicht, bei richtiger Auslegung sei die Kampfmittelsondierung eine Aufgabe der beklagten Gemeinde, wohl mit Bedacht nur auf Art. 57 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung (NV), weil die dort garantierte Selbstverwaltung ihrer Ansicht nach weiter reicht als diejenige des Art. 28 Abs. 2 GG, der – wie die Klägerin zugrunde legt – angesichts der Beschränkung auf Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft die Gefahrenabwehr als Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises nicht zugeordnet werden könnte (vgl. §§ 4, 5 der Niedersächsischen Gemeindeordnung ≪NGO≫). Indes wäre dem Bundesverwaltungsgericht die Auslegung einer Norm der Niedersächsischen Verfassung verwehrt und könnte in der Konsequenz nicht dazu berechtigen, eine Verletzung des Grundsatzes der (bundes)verfassungskonformen Auslegung anzunehmen.
Rz. 7
2. Die Divergenzrüge ist nicht gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ordnungsgemäß erhoben. Die Beschwerde macht insoweit eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung geltend. Dabei arbeitet sie keine sich widersprechenden Rechtssätze des angefochtenen Urteils und einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts heraus, sondern behauptet der Sache nach nur, das Berufungsgericht habe den Grundsatz übersehen oder auf den zu entscheidenden Fall nicht richtig angewendet. Dadurch werden jedoch die von der Beschwerde herangezogenen verfassungsgerichtlichen Grundsätze nicht infrage gestellt.
Rz. 8
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Kley, Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, Dr. Wysk
Fundstellen