Entscheidungsstichwort (Thema)
Miteigentum
Leitsatz (redaktionell)
Wird eine im Miteigentum nach Bruchteilen stehende Sache durch eine schädigende Maßnahme i.S.d. § 1 VermG entzogen, so wird mit dem Verlust des Eigentums auch die Gemeinschaft nach Bruchteilen der bisherigen Miteigentümer aufgehoben.
Normenkette
VermG §§ 1, 2 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
VG Weimar (Urteil vom 11.10.2000; Aktenzeichen 6 K 1746/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 11. Oktober 2000 wird verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage hinsichtlich des Flurstücks 504/3 wendet.
Insoweit wird der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Im Übrigen wird der Klägerin für das Verfahren der Beschwerde Prozesskostenhilfe bewilligt. Ihr wird Rechtsanwalt Olaf M. in … beigeordnet.
Auf die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 11. Oktober 2000 wird dieses insoweit aufgehoben, als die Klage hinsichtlich einer Teilfläche des Flurstücks 504/1, Flur 2 der Gemarkung Seega abgewiesen wurde.
Insoweit wird der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin 10/11, im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 22 500 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist teilweise unzulässig. Mit der Beschwerde hat die Klägerin das verwaltungsgerichtliche Urteil angegriffen, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und angekündigt, für den Fall der Zulassung der Revision auch die Rückübertragung des Flurstücks 504/3 der Flur 3 der Gemarkung Seega zu beantragen. Hinsichtlich dieses Grundstücks ist die Beschwerde aber nicht begründet worden. Insoweit war auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Beschwerde abzulehnen (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung vor (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO). Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, dass sie zur Zahlung der Prozesskosten nicht in der Lage ist.
Die Beschwerde ist teilweise zulässig und insoweit auch begründet. Zwar kommt der Rechtssache entgegen der Ansicht der Beschwerde keine grundsätzliche Bedeutung zu (1.). Es liegt aber ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, der einen absoluten Revisionsgrund (§ 138 VwGO) darstellt (2.). Dies führt zur Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, soweit diese angefochten worden ist, und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht (§ 133 Abs. 6 VwGO).
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde hält sinngemäß die Frage für klärungsbedürftig,
ob die rechtzeitige Erhebung einer Klage auf Rückübertragung eines Grundstücks durch einen früheren Miteigentümer den Eintritt der Bestandskraft eines die Rückübertragung ablehnenden Bescheids gegenüber einem anderen früheren Miteigentümer verhindert.
Diese Frage lässt sich auf der Grundlage der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 16. Oktober 2000 – BVerwG 8 B 208.00 – ZOV 2001, 109 ≪zur Veröffentlichung in Buchholz unter 428 § 30 VermG vorgesehen≫) ohne weiteres verneinen. Wurde eine im Miteigentum nach Bruchteilen stehende Sache durch eine schädigende Maßnahmen im Sinne des § 1 VermG entzogen, wurde mit dem Verlust des Eigentums auch die Gemeinschaft nach Bruchteilen (§ 741 BGB) der bisherigen Miteigentümer aufgehoben. Anders als bei Unternehmen (vgl. § 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG) und bei Erbengemeinschaften (vgl. § 2 a Abs. 4 VermG) enthält das Vermögensgesetz keine Bestimmung, aus der sich ein Fortbestehen dieser Gemeinschaft nach Bruchteilen ergeben könnte. Die für die Gemeinschaft nach Bruchteilen im Allgemeinen und für das Miteigentum nach Bruchteilen im Besonderen geltenden Vorschriften des BGB (§§ 741 ff. und §§ 1008 ff.) sind daher insoweit nicht anwendbar.
Es besteht auch kein einheitlicher Anspruch auf Rückübertragung des gesamten Vermögenswerts, der den früheren Eigentümern gemeinschaftlich zusteht, und damit keine Gemeinschaft nach Bruchteilen (§ 741 BGB) an einem Rückübertragungsanspruch. Vielmehr hat jeder frühere Miteigentümer einen Anspruch auf Rückübertragung seines Miteigentumsanteils. Jeder frühere Miteigentümer ist Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG, weil sein Miteigentumsanteil von einer Maßnahme gemäß § 1 VermG betroffen wurde. Soweit die Rückübertragung nicht ausgeschlossen ist, kann jeder frühere Miteigentümer die Rückübertragung seines Anteils verlangen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VermG; vgl. Beschluss vom 16. Oktober 2000 – BVerwG 8 B 208.00 – a.a.O. S. 110).
Da die Vorschrift des § 1011 BGB – entgegen der Auffassung der Beschwerde – also weder unmittelbar noch analog anwendbar ist, kann die Klage eines früheren Miteigentümers den Eintritt der Bestandskraft eines vermögensrechtlichen Bescheids gegenüber einem anderen früheren Miteigentümer nicht verhindern.
2. Es liegt jedoch ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) greift durch. Das Verwaltungsgericht hätte in Abwesenheit der Klägerin nicht verhandeln und auf der Grundlage dieser mündlichen Verhandlung nicht in der Sache entscheiden dürfen. Die Klägerin ist nämlich zu dieser Verhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden. Die Ladung ist ihr nicht wirksam zugestellt worden. Ausweislich der Gerichtsakten (Bl. 89) wurde die Klägerin mit Schreiben vom 6. September 2000 unter der Anschrift Bengdbruchstraße 8 in … geladen. Die Ladung wurde von der Post an das Verwaltungsgericht zurückgesandt (vgl. Gerichtsakten Bl. 90). Eine wirksame Zustellung durch Niederlegung ist nicht erfolgt. Die Klägerin wohnte damals nämlich nicht in dem Anwesen Bengdbruchstraße 8 in … Dies hat sie mit ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 22. Mai 2001 glaubhaft gemacht. Dass dem Verwaltungsgericht dies im Zeitpunkt der Ladung nicht bekannt war und der Fehler für das Gericht daher unvermeidbar war, ändert nichts daran, dass der Verfahrensmangel vorliegt.
Das angefochtene Urteil ist folglich gemäß § 138 Nr. 3 VwGO als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs erfasst bei derartigen Fallkonstellationen den gesamten Prozessstoff. Der festgestellte Verfahrensfehler haftet daher der vorinstanzlichen Entscheidung insgesamt an. Die Klägerin musste deshalb nicht näher dartun, was sie im Falle der Gewährung rechtlichen Gehörs in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hätte und inwiefern dies für sie zu einem günstigeren Ergebnis geführt hätte.
Auf die anderen geltend gemachten Verfahrensmängel kommt es wegen des Erfolgs der Gehörsrüge nicht mehr an.
Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Verwaltungsgericht Folgendes zu berücksichtigen haben: In dem Tatbestand des aufgehobenen Urteils wird festgestellt, 1998 sei die Beigeladene zu 2 als Eigentümerin des Grundstücks Fl.-Nr. 504/1 im Grundbuch eingetragen worden. Sie habe es mit notariellem Kaufvertrag vom 7. August 1995 von Herrn Ralf T. erworben. Es ist fraglich, ob diese Feststellung mit dem Akteninhalt übereinstimmt. Im Tatbestand wird nämlich ebenfalls festgestellt, Herr Ralf T. habe 1981 das auf dem Flurstück 504/1 befindliche Wohngebäude zusammen mit Nebengebäuden gekauft und ihm sei ein Nutzungsrecht an diesem Grundstück verliehen worden. Herr Ralf T. war danach nicht Eigentümer des Grundstücks. Deshalb ist fraglich, ob die Beigeladene zu 2 von ihm das Eigentum an dem Grundstück oder nur das Gebäudeeigentum erworben hat. Für Letzteres spricht unter anderem, dass nach dem Akteninhalt (vgl. u.a. Antragsakte 01, Bl. 179) die Beigeladene BVVG Berlin 1997 als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen wurde.
War der Erwerb des Gebäudeeigentums und des Nutzungsrechts durch Herrn Ralf T. im Jahre 1981 redlich, ist deswegen die Rückübertragung ausgeschlossen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 VermG). Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Rückübertragungsausschluss könne wegfallen, wenn nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland der Eigentümer eines Grundstücks oder eines Gebäudes dieses an einen Dritten verkauft, entbehrt jeder Grundlage. War dagegen der Rechtserwerb durch Herrn Ralf T. im Jahre 1981 als unredlich anzusehen (vgl. § 4 Abs. 3 VermG), bestand zunächst ein Rückübertragungsanspruch der Berechtigten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG). Dieser könnte durch eine wirksame Veräußerung untergegangen sein. An seine Stelle wäre dann ein Anspruch auf den Erlös getreten (§ 3 Abs. 4 Satz 3 VermG). Dies könnte auch dann gelten, wenn der Verfügungsberechtigte unter Verletzung seiner Unterlassungspflicht (§ 3 Abs. 3 Satz 1 VermG) wirksam über das Eigentum verfügt haben sollte (vgl. Urteil vom 28. August 1997 – BVerwG 7 C 63.96 – Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 20, S. 25 ≪27≫ und Beschluss vom 23. Mai 2000 – BVerwG 8 B 31.00 – n.v.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, dass von dem Gesamtstreitwert 20 000 DM auf das Flurstück 504/3 und 5 000 DM auf die streitige Teilfläche des Flurstücks 504/1 entfallen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 und 14 GKG. In auf Rückübertragung gerichteten vermögensrechtlichen Klagen bemisst sich der Streitwert nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach dem Verkehrswert der betroffenen Grundstücke. Diese wurden vom Verwaltungsgericht auf insgesamt 25 000 DM geschätzt. Aus der Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts ergibt sich, dass 9/10 hiervon noch im Streit sind.
Unterschriften
Dr. Pagenkopf, Krauß, Golze
Fundstellen