Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 28.03.2008; Aktenzeichen 2 A 11193/07) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. März 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben.
Der Kläger hält es für unzulässig, dass die langjährige Bearbeiterin seiner Beihilfesachen bei der Zentralen Besoldungs- und Versorgungsstelle (ZBV) der Oberfinanzdirektion Koblenz, Regierungsdirektorin R…, weiterhin seine Widersprüche bearbeitet und den Beklagten in nachfolgenden Klageverfahren vertritt, obwohl sie nicht mehr in der Beihilfestelle (Dezernat 18 der ZBV) tätig ist, sondern die Familienkasse (Dezernat 13 der ZBV) leitet. Aufgrund dieser Umsetzung sei der Beamtin die für die Bearbeitung erforderliche Einsicht in die Beihilfeakte des Klägers verwehrt. Der Zugang zu den Beihilfeakten sei aus Gründen des Datenschutzes Beschäftigten der Beihilfestelle vorbehalten. Das Oberverwaltungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch mit der Begründung verneint, die dienstliche Tätigkeit von Regierungsdirektorin R… in den Beihilfesachen des Klägers stehe mit dem gesetzlichen Personalaktenrecht, insbesondere mit den Regelungen über die Einsicht in die Beihilfeakte gemäß § 102a Abs. 1 Satz 3 und 4 LBG RP in Einklang. Die Beamtin sei nach wie vor in der für Beihilfesachen zuständigen ZBV beschäftigt; ihre Tätigkeit in den Verfahren des Klägers sei erforderlich im Sinne von § 102 Abs. 1 Satz 4 LBG RP.
Mit seiner Beschwerde wirft der Kläger sinngemäß die Fragen auf,
– ob es für die Einsicht von Beschäftigten der Familienkasse in Beihilfeakten im Hinblick auf das grundrechtlich geschützte informationelle Selbstbestimmungsrecht einer speziellen gesetzlichen Grundlage bedürfe;
– ob die Beschäftigten der Familienkasse als Dritte im Sinne des § 102d Abs. 2 LBG RP anzusehen seien.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO obliegt es dem Beschwerdeführer darzulegen, worin der allgemeine über den Einzelfall hinausgehende Bedarf an der Klärung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage bestehen soll (Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫; stRspr).
Danach rechtfertigen die vom Kläger aufgeworfenen Fragen die Revisionszulassung nicht. Sie können anhand der gesetzlichen Regelungen ohne Weiteres beantwortet werden, soweit sie im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblich sind:
1. Die Vorschriften gemäß §§ 102 ff. LBG RP stellen abschließende Sonderregelungen für den Umgang mit personenbezogenen Daten der Beamten dar, die sich im Besitz des Dienstherrn befinden. Sie tragen dem Grundrecht der Beamten auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG Rechnung (vgl. Urteil vom 27. Februar 2003 – BVerwG 2 C 10.02 – BVerwGE 118, 10 ≪12≫). Die Voraussetzungen, unter denen Beschäftigte der für Beihilfesachen zuständigen Behörde Beihilfesachen bearbeiten und zu diesem Zweck Einsicht in die Beihilfeakte nehmen dürfen, sind in § 102a Abs. 1 Satz 3 und 4 LBG RP geregelt.
Nach § 102a Abs. 1 Satz 3 LBG RP soll die Beihilfeakte in einer von der übrigen Personalverwaltung getrennten Organisationseinheit bearbeitet werden; Zugang sollen nur Beschäftigte dieser Organisationseinheit haben. Demnach dürfen im Regelfall nur diejenigen Beschäftigten der für Beihilfesachen zuständigen Behörde Einsicht in die Beihilfeakten nehmen, die der Organisationseinheit Beihilfestelle zur Dienstleistung zugewiesen sind. Daraus folgt, dass die Bearbeitung von Beihilfesachen auf Beschäftigte der Beihilfestelle beschränkt ist. Denn nur ihnen ist die hierfür notwendige Akteneinsicht gestattet. Wie die Verwendung des Wortes “sollen” zeigt, gelten die in Satz 3 aufgestellten Grundsätze für die Einsicht in Beihilfeakten und deren Bearbeitung aber nicht ausnahmslos. So darf die Beihilfeakte gemäß § 102a Abs. 1 Satz 4 LBG RP weitergegeben werden, wenn die Einleitung oder Durchführung eines im Zusammenhang mit einem Beihilfeantrag stehenden behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens dies erfordert. Diese Ausnahmeregelung ermöglicht es, die Bearbeitung von Widersprüchen und die gerichtliche Vertretung in Beihilfesachen auch solchen Beschäftigten der für Beihilfesachen zuständigen Behörde zu übertragen, die nicht der Beihilfestelle zugewiesen sind. Ob der Einsatz von Beschäftigten anderer Behörden möglich ist, kann im vorliegenden Fall dahinstehen.
Von diesem Verständnis der datenschutzrechtlichen Bestimmungen ist das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Es hat den gesetzlichen Begriff der Erforderlichkeit im Sinne von § 102a Abs. 1 Satz 4 LBG RP dahingehend ausgelegt, dass für die Bearbeitung von Widerspruchs- und Klageverfahren außerhalb der Beihilfestelle sachliche Gründe von erheblichem Gewicht vorliegen müssen. Diese Auslegung wird dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gerecht. Sie stellt sicher, dass die Einsicht in Beihilfeakten außerhalb der Beihilfestelle nur aus dringenden sachlichen Gründen zulässig ist, die nur in seltenen Ausnahmefällen vorliegen werden. Der Kläger hat in der Beschwerdebegründung weder den vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegten Bedeutungsgehalt des Begriffs der Erforderlichkeit noch die tatsächlichen Feststellungen in Frage gestellt, auf die es seine fallbezogene rechtliche Würdigung des Einsatzes von Regierungsdirektorin R… gestützt hat. Danach darf diese Beamtin zur Bearbeitung der Widerspruchs- und Klageverfahren des Klägers herangezogen werden, weil sie über langjährige Erfahrungen mit den in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht äußerst schwierigen und konfliktträchtigen Beihilfesachen des Klägers verfügt.
Die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 102a Abs. 1 Satz 4 LBG RP auf Beschäftigte der Familienkasse im Sinne von § 72 Abs. 1 EStG ist nicht generell ausgeschlossen, wenn Familienkasse und Beihilfestelle Organisationseinheiten derselben Behörde sind. Dies ist hier der Fall: Familienkasse und Beihilfestelle sind Dezernate der Abteilung “Zentrale Besoldungs- und Versorgungsstelle” der Oberfinanzdirektion Koblenz.
Eine derartige organisationsrechtliche Gestaltung steht im Organisationsermessen des Dienstherrn, das insoweit nicht durch normative Vorgaben, insbesondere nicht durch § 72 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG, eingeschränkt ist. Satz 1 dieser Vorschrift begründet die Zuständigkeit der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts für die Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes an die in ihrem Dienst stehenden Beschäftigten. Nach Satz 2 sind die juristischen Personen insoweit Familienkasse. Aus diesen Regelungen ergibt sich die Verpflichtung dieser Personen, die kindergeldrechtlichen Verwaltungszuständigkeiten selbst wahrzunehmen. Die Übertragung auf einen anderen Rechtsträger ist ausgeschlossen (vgl. Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, 27. Aufl., § 72 Rn. 5 m.w.N.). Darüber hinausgehende organisationsrechtliche Vorgaben lassen sich § 72 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG nicht entnehmen; aus dem Wortlaut der Vorschrift ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Demnach bleibt es den juristischen Personen überlassen, ob sie die Familienkasse als organisationsrechtlich eigenständige Behörde oder als Organisationseinheit einer bestehenden Behörde einrichten.
Die Forderung des Klägers, Beschäftigte der Familienkasse dürften unter keinen Umständen Zugang zu Beihilfeakten haben, findet weder im Wortlaut des § 102a Abs. 1 Satz 4 LBG RP eine Stütze noch ist sie aus Gründen des Datenschutzes berechtigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Einsicht in die Beihilfeakten außerhalb der Beihilfestelle ohnehin nur in seltenen Ausnahmefällen zulässig ist.
2. Gemäß § 102d Abs. 2 Satz 1 LBG RP dürfen Auskünfte aus der Personalakte an Dritte nur mit Einwilligung des Beamten erteilt werden, sofern kein gesetzlicher Ausnahmetatbestand vorliegt. Es liegt auf der Hand, dass ein Beschäftigter, der in Übereinstimmung mit § 102a Abs. 1 Satz 3 und 4 LBG RP dienstlich mit der Bearbeitung von Beihilfesachen befasst ist, hinsichtlich der dafür erforderlichen Beihilfeakte nicht Dritter im Sinne von § 102d Abs. 2 Satz 1 LBG RP sein kann. Sein Zugang zu dieser Akte hängt nicht von der Einwilligung des betroffenen Beamten ab. Auch kann durch die in § 102d Abs. 2 Satz 1 LBG RP vorgesehene Erteilung von Auskünften eine sachgerechte Bearbeitung nicht sichergestellt werden. Hierfür muss der Bearbeiter selbst Zugang zu der Akte haben, um Einsicht zu nehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Herbert, Groepper, Dr. Heitz
Fundstellen