Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwaltungsgebühren. Äquivalenzprinzip. Kostendeckungsprinzip;. Gleichbehandlung von Kommunen mit anderen Gebührenschuldnern;. Gebührenbefreiung. Gebührenermäßigung;. Genehmigung einer Wasserversorgungs- oder Abwasseranlage. Ingenieurbauwerk
Leitsatz (amtlich)
Bundesrecht enthält keine Vorgabe, dass von Kommunen beantragte Amtshandlungen der Landesbehörden gebührenfrei bleiben müssen oder zumindest nur mit einem verringerten Gebührensatz belegt werden dürfen, wenn sie im öffentlichen Interesse liegen. Das gilt zumindest dann, wenn die für derartige Amtshandlungen erhobenen Gebühren von den Kommunen auf Dritte abgewälzt werden können.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; VwGO § 132 Abs. 2; HGW § 50 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Aktenzeichen 5 N 1234/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 37 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die für die Zulassung der Revision geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der Rechtssache nicht zu.
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Frage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
a) Als grundsätzlich bedeutsam bezeichnet die Beschwerde die Frage,
„ob es mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass Verwaltungsgebühren, die nur in Erfüllung hoheitlicher und im Allgemeininteresse liegender Pflichtaufgaben anfallen, allein den Gemeinden aufzubürden sind”.
Mit dieser Frage knüpft die Beschwerde an die Aussage des Verwaltungsgerichtshofs an, in der gebührenrechtlichen Gleichbehandlung von privaten und kommunalen Errichtern von Wasserversorgungs- und Abwasseranlagen sei kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG zu sehen. Es sei sachgerecht, wenn der Verordnungsgeber bei der Schaffung des streitigen Gebührentatbestandes, um „eine möglichst nahe Vergleichbarkeit” zu den Fällen zu erreichen, in denen die Prüfung der Genehmigungsunterlagen an außenstehende Sachverständige – also Ingenieure – vergeben werde, die nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) vergütet würden, auch bei Kommunen, die ein Ingenieurbauwerk zur Genehmigung stellten, an einen Prozentsatz eines nach der HOAI berechneten Sachverständigenhonorars und damit an die Investitionskosten angeknüpft habe, um die Gebührenhöhe festzulegen (UA S. 16). Diesem Gedankengang des Verwaltungsgerichtshofs tritt die Beschwerde unter Hinweis darauf entgegen, dass sich der Nutzen einer derartigen Genehmigung einerseits für eine Kommune als Hoheitsträger und andererseits für ein privates Wirtschaftsunternehmen sehr unterschiedlich darstelle. Dabei übersieht die Beschwerde – wie zuvor der Verwaltungsgerichtshof –, dass sich die Antragstellerin als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf einen Grundrechtsschutz aus Art. 3 Abs. 1 GG berufen kann (vgl. BVerfGE 21, 362 ≪369 ff.≫; 45, 63 ≪78≫; 75, 192 ≪200 f.≫). Im Hinblick darauf erscheint die von der Beschwerde aufgeworfene Frage – auch soweit sie in der Beschwerdebegründung noch in andere Formulierungen gekleidet worden ist – als nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig. Es steht fest, dass die streitige Gebührenregelung nicht im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 GG steht, weil diese Verfassungsnorm als Prüfungsmaßstab nicht einschlägig ist.
b) Die Beschwerde bezieht sich ferner auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach aus dem Gleichheitsgrundsatz und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt, dass Gebühren nicht völlig unabhängig von den Kosten der Staatsleistung festgesetzt werden dürfen (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪227≫), und wirft die Frage auf,
„anhand welcher Kriterien sich die bezeichnete Grenze bestimmen lässt, ab der eine zulässige Verwaltungsgebühr unter den genannten Kostendeckungsgesichtspunkten umschlägt in eine verfassungswidrige Gebühr, die von vornherein als zusätzliche Einnahmequelle ausgestaltet ist”.
Soweit diese Frage erneut an Art. 3 Abs. 1 GG anknüpft, ist sie nicht klärungsbedürftig (oben a)). Im Übrigen – nämlich soweit sie sich auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und damit auf das bundesverfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip bezieht – führt sie lediglich zu Fragen des Landesrechts, dessen Nachprüfung dem Revisionsgericht verwehrt wäre (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Ein weitergehender Klärungsbedarf, der die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen würde, wird von der Beschwerde nicht aufgezeigt.
Zwar sind dem bundesrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Vorgaben zu entnehmen, die bei landesrechtlichen Gebührenregelungen auch dann zu beachten sind, wenn – wie hier – Gebührenschuldner eine Gemeinde ist. Dem Landesrecht verbleiben insoweit aber, was die Gebührenhöhe angeht, umfangreiche Gestaltungsspielräume. Insbesondere steht dem Landesrecht zur Wahl, ob es eine sachgerechte Verknüpfung zwischen dem Wert der staatlichen Leistung und der Gebührenhöhe herstellt, indem es eine Wertgebühr oder aber eine Aufwandgebühr normiert. Wie der Senat in seinem – vom Verwaltungsgerichtshof angeführten – Urteil vom 19. Januar 2000 – BVerwG 11 C 5.99 – (UA S. 20) entschieden hat, fordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nämlich nicht die Beachtung des sog. Kostendeckungsprinzips, das besagt, dass die Summe der für eine bestimmte Art von Amtshandlungen erhobenen Gebühren nicht höher sein darf als die Aufwendungen der Behörde für diese Art von Amtshandlungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. März 1961 – BVerwG 7 C 109.60 – BVerwGE 12, 162 ≪169≫). Aus diesem Grunde verbietet das Verhältnismäßigkeitsprinzip es dem Landesrecht nicht, statt den Aufwand, der mit einer Amtshandlung verbunden ist, deren Wert zur Bemessungsgrundlage für die Gebühr zu machen.
Wenn aber – wovon nach der für das Revisionsgericht bindenden Auslegung des Landesrechts hier auszugehen ist (UA S. 13) – eine Wertgebühr normiert worden ist, reicht es aus, wenn diese Gebühr nicht in einem groben Missverhältnis zu der von dem Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung steht (vgl. Urteil vom 19. Januar 2000 – BVerwG 11 C 5.99 – UA S. 19 m.w.N.). Der Beschwerde ist einzuräumen, dass ein Verstoß gegen dieses sog. Äquivalenzprinzip vorliegen würde, wenn – wie das Bundesverfassungsgericht es formuliert hat – die Gebühr „völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt” worden wäre (BVerfGE 50, 217 ≪227≫). Nur muss sich die Beschwerde entgegenhalten lassen, dass die Annahme einer derartigen Fallgestaltung gerade beim vorliegenden Sachverhalt nicht in Betracht kommt.
Wenn – wie hier – der von der Behörde zu erbringende Arbeitsaufwand eine Prüfung umfasst, die auch gegen Entgelt von einem externen Sachverständigen aus dem Ingenieurbereich hätte erbracht werden können, bietet es sich an, die Gebühr durch eine Bezugnahme auf die HOAI an diesem privatrechtlichen Entgelt zu orientieren. Dieses Entgelt ist der Marktwert der in Rede stehenden Ingenieurleistung. Es deckt den Personal- und Sachaufwand des Sachverständigen, garantiert ihm typischerweise aber auch einen Gewinn. Wenn dieser Gewinn bei der Gebührenbemessung ausgeschieden wird, fehlt jeder Anhaltspunkt, dass die Gebühr „völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt” worden sein könnte. Hier setzt sich die Gebührenhöhe von 16,5 v.H des Mittelsatzes des Honorars der jeweiligen Honorarzone nach der Honorartafel zu § 56 Abs. 1 HOAI zusammen aus 14 v.H. des genannten Honorarsatzes als Gebühr für die behördliche „Sachverständigenprüfung” sowie zusätzlich 2,5 v.H. des Honorarsatzes für zusätzlichen Behördenaufwand. Damit bleibt die Gebührenhöhe weit hinter dem privatrechtlichen Entgelt einer vergleichbaren Ingenieurleistung zurück und ist sichergestellt, dass die Gebühr keine Gewinnmarge enthält. Dann steht die Gebühr aber notwendigerweise auch nicht in einem groben Missverhältnis zum Verwaltungsaufwand. Denn dieser wird bei der „Sachverständigenprüfung” einer Behörde typischerweise nicht geringer als bei einem externen Sachverständigen sein.
Die Beschwerde stellt letztlich auch nicht in Abrede, dass die streitige Gebührenregelung mit dem Äquivalenzprinzip in Einklang steht, soweit sie von anderen Gebührenschuldnern zu tragen ist. Sie beanstandet vielmehr die Gleichbehandlung der Kommunen mit anderen Gebührenschuldnern, die sie im Hinblick darauf für unangemessen hält, dass die Kommunen beim Ausbau ihrer Wasserversorgungs- und Abwasseranlagen aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung im öffentlichen Interesse tätig werden. Dem Bundesrecht ist insoweit aber keine Vorgabe zu entnehmen. Es richtet sich ausschließlich nach Landesrecht, ob von Kommunen beantragte Amtshandlungen von Landesbehörden gebührenfrei bleiben oder zumindest nur mit einem verringerten Gebührensatz belegt werden, wenn sie im öffentlichen Interesse liegen. Das gilt zumindest dann, wenn die für derartige Amtshandlungen erhobenen Gebühren von den Kommunen auf Dritte abgewälzt werden können. Das trifft bei der in Rede stehenden Verwaltungsgebühr zu, weil die Kosten für kommunale Wasserversorgungs- und Abwasseranlagen über Anschlussgebühren an die Nutzer dieser Anlagen weitergeben werden.
2. Die Beschwerde rügt, dass der Verwaltungsgerichtshof mit seiner Entscheidung von Rechtssätzen abgewichen sei, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 6. Februar 1979 – 2 BvL 5/76 – BVerfGE 50, 217 ≪227≫ formuliert hat (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Diese Rüge bleibt ohne Erfolg, weil die von der Beschwerde beanstandeten Aussagen des Verwaltungsgerichtshofs mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Wirklichkeit durchaus vereinbar sind.
Der Verwaltungsgerichtshof führt aus, nach dem – nicht substantiiert bestrittenen – Vortrag des Antragsgegners erreiche die Höhe der für die Genehmigung insgesamt eingenommenen Gebühren bei Zugrundelegung der Anzahl der in diesem Verwaltungszweig tätigen Bediensteten nicht den Verwaltungsaufwand dieses Verwaltungszweigs. Dies könne jedoch im Ergebnis offen bleiben; denn jedenfalls halte sich die Höhe der Gebühren in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung und dem wirtschaftlichen Wert der Genehmigung (UA S. 14). Diesem Gedankengang ist – entgegen der Auffassung der Beschwerde – nicht die Aussage zu entnehmen, auch ein noch so großes Missverhältnis zwischen Gebührenhöhe und Verwaltungsaufwand sei verfassungsrechtlich hinzunehmen. Der Verwaltungsgerichtshof zieht vielmehr daraus, dass er die streitige Gebühr als Wertgebühr qualifiziert hat, lediglich die Konsequenz, dass kein Kostenüberschreitungsverbot zu beachten ist und sich damit eine nähere Überprüfung des diesbezüglichen Vortrags des Antragsgegners erübrigt. Dies ist – wie zuvor dargelegt wurde (oben 1.b) – aus bundesrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden und weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ab.
3. Ohne Erfolg rügt die Beschwerde schließlich, der Verwaltungsgerichtshof habe gegen seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen.
Die Beschwerde macht geltend, dem Verwaltungsgerichtshof hätte sich angesichts des Vortrags der Antragstellerin die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung aufdrängen müssen. Es hätte der tatsächliche Verwaltungsaufwand näher eruiert werden müssen, und zwar seien der tatsächliche Zeitaufwand für die Erteilung einer abwasserrechtlichen Genehmigung nach § 50 Abs. 1 HWG, die Zahl der Genehmigungen und der übrige Tätigkeitsbereich der mit den Genehmigungen befassten Beamten zu ermitteln gewesen. Es treffe nicht zu, dass die Angaben, die der Antragsgegner gemacht habe, um seinen Verwaltungsaufwand zu beziffern, nicht substantiiert bestritten worden seien.
Die Beschwerde verkennt dabei zunächst, dass sich die Aufklärungspflicht des Gerichts nur auf solche Sachverhalte beziehen kann, auf die es nach seiner eigenen materiellrechtlichen Auffassung ankommt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 1996 – BVerwG 9 B 140.96 – Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 16). Hier konnte der Verwaltungsgerichtshof, nachdem er die streitige Gebühr als Wertgebühr qualifiziert hatte, eine Bezifferung des Verwaltungsaufwands und damit eine Überprüfung der diesbezüglichen Angaben des Antragsgegners als verzichtbar ansehen, weil es darauf für die Entscheidung nicht ankommen konnte. Die weitere Frage, ob möglicherweise ein so grobes Missverhältnis zwischen Gebührenhöhe und Verwaltungsaufwand vorliegt, dass die Gebühr aus diesem Grunde als unverhältnismäßig anzusehen ist, war beim vorliegenden Sachverhalt fernliegend (oben 1.b). In diese Richtung zielende Ermittlungen mussten sich dem Verwaltungsgerichtshof nicht aufdrängen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Hien, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Fundstellen
NVwZ 2000, 1410 |
ZKF 2001, 37 |
DVBl. 2000, 1718 |
NWVBl. 2001, 92 |
VA 2001, 11 |