Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Aktenzeichen 1 L 132/98) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Klageverfahren auf 30 000 DM bestimmt.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Die geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO sind nicht erfüllt.
1. Das Berufungsgericht erachtet den angegriffenen Vorbescheid wegen Verletzung des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts für objektiv rechtswidrig. Der Kläger sei jedoch nicht berechtigt, dies geltend zu machen. Seine Berufung auf die Verletzung des Grenzabstandes sei treuwidrig und deshalb unerheblich. Der Kläger halte nach gegenwärtiger Rechtslage selbst den Grenzabstand nicht ein.
Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen legt keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht gehört dem irrevisiblen Landesrecht an (vgl. § 137 Abs. 1, 173 VwGO, § 562 ZPO). Insoweit können sich grundsätzliche Fragen nicht stellen, die in dem angestrebten Revisionsverfahren beantwortet werden könnten. Das gilt auch für den vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Gesichtspunkt des Verstoßes gegen Treu und Glauben. Zwar gilt der Grundsatz von Treu und Glauben in der gesamten Rechtsordnung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. August 1996 – BVerwG 4 B 135.96 – Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 135 = BauR 1997, 281; Beschluss vom 11. Februar 1997 – BVerwG 4 B 10.97 – Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 174 = NVwZ 1998, 174). Das ändert aber nichts an der Zuordnung dieses Grundsatzes zu der jeweils maßgebenden Rechtsmaterie und damit an der Einordnung, ob revisibles oder irrevisibles Recht berührt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. November 1997 – BVerwG 4 C 7.97 – Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 316 = NVwZ 1998, 735). Der vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsgrundsatz, niemand dürfe sich unter Verstoß gegen Treu und Glauben auf ein subjektives Recht berufen, betrifft im Streitfall das landesgesetzliche Abstandsflächenrecht und ergänzt dieses nach Maßgabe ungeschriebenen Rechts. Damit teilt der Grundsatz insoweit die Irrevisibilität des Landesbauordnungsrechts (vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 6. März 1996 – BVerwG 4 B 184.95 – Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 35 = NVwZ-RR 1997, 82; Beschluss vom 18. Juni 1997 – BVerwG 4 B 69.97 – NJW 1998, 553).
Die Beschwerde verweist ergänzend auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Grundrechtsnormen gehören zwar dem revisiblen Bundesrecht an. Die Beschwerde legt hierzu indes keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung dar. Dass die Auslegung und Anwendung landesrechtlicher Bestimmungen und das ergänzende ungeschriebene Recht die grundrechtlichen Wertungen im Sinne verfassungskonformer Handhabung des Rechts zu beachten hat, ist nicht zweifelhaft und bedarf keiner erneuten revisionsgerichtlichen Bestätigung.
2. Die Beschwerde rügt als Verfahrensfehler, das Berufungsgericht habe das genaue Maß des Grenzabstandes nicht ermittelt. Das Vorbringen trifft zwar zu, ergibt indes keinen rügefähigen Verfahrensfehler. Maßgebend ist – wie die Beschwerde nicht verkennt – die materiellrechtliche Auffassung des vorinstanzlichen Gerichts. Danach zeigt sich, dass die von der Beschwerde vermisste nähere Aufklärung nicht entscheidungserheblich war. Das Berufungsgericht unterstellt zugunsten des Klägers, dass unter Anwendung des so genannten Schmalseitenprivilegs der erforderliche Abstand 3 m betrage. Das Gericht ist der Ansicht, dass die offene Bauweise nur gewahrt sei, wenn die benachbarten Gebäude jeweils beide den erforderlichen Abstand einhielten. In tatsächlicher Hinsicht verneint das Berufungsgericht, dass dieser Abstand – zusammen also von 6 m – eingehalten werde. Ob es sich um insgesamt „gut 2 m” – so das Berufungsgericht – handelt, kann danach nicht als entscheidungserheblich angesehen werden. Aber auch wenn dies zugunsten der Beschwerde anzunehmen wäre, hat die Verfahrensrüge keinen Erfolg. Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. Mai 2000 ergibt sich, dass das Berufungsgericht das Anwesen in Augenschein genommen hat. Es hat dabei auch die Grenzabstände betrachtet. Die Niederschrift enthält keinen Beweisantrag des anwaltlich vertretenen Klägers, eine bestimmte Messung vorzunehmen. Aus welchen Gründen sich dem Berufungsgericht in Anwesenheit der Beteiligten gleichwohl eine nähere Ermittlung hätte aufdrängen müssen, ergibt das Beschwerdevorbringen nicht. Ob bestimmte Abstände genügend sind, ist ohnedies keine Frage der tatsächlichen Ermittlung, sondern beurteilt sich nach materiellem Recht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Berkemann, Rojahn
Fundstellen
ZfBR 2001, 501 |
BRS 2000, 613 |