Verfahrensgang
OVG des Saarlandes (Urteil vom 21.08.2013; Aktenzeichen 7 A 310/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 21. August 2013 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg.
1. Der Beklagte stand zuletzt als Postbetriebsassistent im Dienst der Beklagten und war als Postzusteller beschäftigt. Er wurde durch rechtskräftiges Strafurteil wegen Unterschlagung und Diebstahls dreier Handys zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des Strafurteils nahm er im November 2008 und Januar 2009 drei ihm in seinem Zustellstützpunkt zugängliche bzw. von ihm zuzustellende Handys nebst Zubehör im Wert von zusammen rund 530 EUR an sich. Ein Handy behielt der Beklagte für sich, ein zweites schenkte er seiner Mutter, das dritte veräußerte er über ein Internetverkaufsportal. Auf die Disziplinarklage hin hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Aufgrund der Rechtskraft des Strafurteils stehe bindend fest, dass sich der Beklagte durch den dreifachen Zugriff auf ihm als Zusteller anvertrautes bzw. dienstlich zugängliches Postgut eines gravierenden Dienstvergehens schuldig gemacht habe. Zugriffsdelikte zögen in der Regel die Entfernung aus dem Dienst nach sich. Weder liege ein sog. anerkannter Milderungsgrund vor noch sprächen bei der gebotenen Gesamtabwägung aller be- und entlastenden Umstände andere, unterhalb dieser Schwelle liegende mildernde Umstände von erheblichem Gewicht dafür, von der durch die Schwere des Dienstvergehens indizierten Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausnahmsweise abzusehen.
2. Das Vorbringen der Beschwerde rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO und § 69 BDG).
a) Die Beschwerde rügt, das Berufungsurteil weiche in seiner Begründung in wesentlichen Gesichtspunkten von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Der Senat wertet dies zugunsten der Beschwerde dahin, dass damit eine Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und § 69 BDG geltend gemacht werden soll. Insoweit genügt die Beschwerde allerdings nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Hierfür wäre erforderlich, dass die Beschwerde einen in der angefochtenen Entscheidung aufgestellten abstrakten Rechtssatz des revisiblen Rechts bezeichnet, mit dem das Berufungsgericht von einem ebensolchen Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts oder in einer anderen divergenzfähigen Entscheidung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO abweicht. Es muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer Rechtsvorschrift bestehen. Das ist nicht der Fall, wenn die Vorinstanz lediglich einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen zieht, die etwa für die Sachverhaltsund Beweiswürdigung geboten sind (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 f. = NJW 1997, S. 3328).
Dem genügt die Beschwerde nicht. Sie rügt in der Sache lediglich, das Oberverwaltungsgericht habe die vom Bundesverwaltungsgericht für die Maßnahmebemessung verlangte prognostische Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände nur formelhaft vorgenommen. Damit erschöpft sie sich in der Kritik, die Rechtsanwendung des Berufungsgerichts im Einzelfall sei fehlerhaft. Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz kann damit nicht erreicht werden (vgl. Beschluss vom 3. Juli 2007 – BVerwG 2 B 18.07 – Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 1 Leitsatz 1 und Rn. 4 ff.).
b) Die Beschwerde macht darüber hinaus geltend, dass eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis „nur in dem Fall (…) gerechtfertigt” sei, dass „das Gericht alle entlastenden Umstände berücksichtigt, aufgeklärt und gewürdigt hat.” Damit hat die Beschwerde einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und § 69 BDG) nicht dargelegt.
Inwiefern das Berufungsgericht es unterlassen hätte, unter Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO bemessungsrelevante Umstände aufzuklären, wird von der Beschwerde nicht näher dargetan (zu den diesbezüglichen Anforderungen vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997 a.a.O. und vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 S. 9).
Einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) legt die Beschwerde ebenfalls nicht dar.
Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt auch die Verpflichtung, der Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist (stRspr, vgl. etwa Urteile vom 2. Februar 1984 – BVerwG 6 C 134.81 – BVerwGE 68, 338 ≪339≫ = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 145 S. 36 f. und vom 5. Juli 1994 – BVerwG 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 ≪208 f.≫ = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 174 S. 27; Beschluss vom 18. November 2008 – BVerwG 2 B 63.08 – Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 27 = NVwZ 2009, 399, jeweils m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil.
Entgegen der Darstellung der Beschwerde hat das Berufungsgericht sehr wohl berücksichtigt, dass der Beklagte seinen Schuldnerverpflichtungen nachgekommen ist (UA S. 16: dies sei „zweifelsohne anerkennenswert”, ferner S. 17 unten) und dass er nunmehr eine gefestigte Partnerschaft unterhält und eine neue Familie gegründet hat (UA S. 17 Mitte: „das Bestehen dieser neuen Beziehung” wertet es als einen „zugunsten des Beklagten sprechenden durchaus gewichtigen Gesichtspunkt” und als „durchaus positiv zu bewertende Persönlichkeitszüge” (UA S. 17 unten). Schließlich hat das Berufungsgericht auch die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung bekundete Reue durchaus wahrgenommen, sie aber in tatrichterlicher Würdigung des vom Beklagten gewonnenen Eindrucks als „nicht wirklich sichtbar”, „verbal”, „zu einstudiert” und „letztlich hohl” bewertet (UA S. 18 unten/S. 19 oben).
Dass das Berufungsgericht den mildernden Umstand der „Überwindung einer negativen Lebensphase” im Streitfall nicht für gegeben erachtet ist auch und schon deshalb nicht zu beanstanden, weil die Scheidung von seiner früheren Ehefrau bereits rund drei Jahre vor den streitgegenständlichen Zugriffsdelikten lag, diese Phase im Tatzeitraum mithin seit längerem abgeschlossen war (vgl. UA S. 14). Die fortwährenden finanziellen Engpässe des Beklagten hat das Berufungsgericht in die Gesamtbetrachtung einbezogen (UA S. 16).
Unzutreffend ist schließlich die Behauptung der Beschwerde, das Berufungsgericht habe lediglich „die einzelnen geltend gemachten Milderungsgründe (…) aufgezählt (…), jedoch bei der Durchführung der Gesamtwürdigung nicht gegeneinander abgewogen.” Damit verkennt die Beschwerde den Begründungsgang des Berufungsgerichts, das nach Darstellung seines Prüfprogramms (UA S. 12/13) zunächst ausführt, dass im Streitfall ein sog. anerkannter Milderungsgrund nicht vorliegt (UA S. 13 Mitte bis S. 15 Mitte), und sodann die gebotene Gesamtabwägung aller be- und entlastenden Umstände einschließlich derjenigen mildernden Umstände vornimmt, die unterhalb der Schwelle eines anerkannten Milderungsgrundes bleiben (ab UA S. 15 Mitte bis Ende). In dem letztgenannten Teil finden sich insbesondere mehrfach abwägende Formulierungen und Betrachtungen von einander gegenübergestellten be- und entlastenden Gesichtspunkten.
All dies liegt im Rahmen des den Tatsachengerichten zustehenden Bewertungsrahmens bei der disziplinarrechtlichen Maßnahmebemessung. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass bei einem Zugriffsdelikt jenseits der (hier überschrittenen) Geringwertigkeitsschwelle die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die regelmäßig indizierte Disziplinarmaßnahme ist und es entlastender Umstände von Gewicht bedarf, um davon abzusehen. Das Gewicht der Entlastungsgründe muss umso größer sein, je schwerer das Zugriffsdelikt aufgrund der Höhe des Schadens, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der Begehung von „Begleitdelikten” und anderer belastender Gesichtspunkte im Einzelfall wiegt. Ein Absehen von der Dienstentfernung kommt bei einem einmaligen Zugriff in Betracht (stRspr, vgl. Urteile vom 24. Mai 2007 – BVerwG 2 C 25.06 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 4 Rn. 20 f. und vom 23. Februar 2012 – BVerwG 2 C 38.10 – NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 15; zuletzt Beschluss vom 18. Februar 2014 – BVerwG 2 B 87.13 – Rn. 9). Hier hat der Beklagte in kurzer Zeit dreimal auf ihm dienstlich anvertraute Gegenstände zugegriffen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 77 Abs. 1 BDG. Einer Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahrens bedarf es nicht, weil für das Verfahren Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden.
Unterschriften
Domgörgen, Dr. Heitz, Dr. Hartung
Fundstellen