Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 13.10.2005; Aktenzeichen 1 L 25/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 13. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 469 € festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz und eines Verfahrensfehlers – § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO – gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Ohne Erfolg rügt die Klägerin als Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, das Berufungsgericht habe die Feststellung des Verwaltungsgerichts nicht berücksichtigt, dass die Klägerin polizeidienstfähig sei.
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin mit dieser Rüge einen Mangel bei der Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) oder einen Mangel bei der Überzeugungsbildung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) beanstanden will. Der Mangel liegt jedenfalls nicht vor. Der Begriff der Polizeidienstfähigkeit gehört dem materiellen Recht an. Die Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit ist Sache des Dienstherrn. Ob die Beklagte diese Feststellung in zutreffender Weise getroffen hat – ob also die Klägerin polizeidienstfähig war oder nicht –, konnten das Verwaltungsgericht und das Berufungsgericht nur anhand der vorhandenen ärztlichen Gutachten beurteilen. Dass das Berufungsgericht hierbei zu einem anderen Ergebnis gelangt ist als das Verwaltungsgericht, stellt als solches keinen Verfahrensfehler dar, sondern ist Ausfluss des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Frage, ob die aus dem unstreitigen gesundheitlichen Befund der Klägerin abzuleitenden Folgerungen (erhöhtes Verletzungsrisiko bei roher Gewalt von Seiten abzuwehrender Rechtsbrecher) den uneingeschränkten Einsatz der Klägerin bei der Polizei ausschließen oder durch Maßnahmen wie etwa das Tragen einer Schutzweste kompensiert werden können, ist letztlich keine medizinische Frage, sondern eine dem Dienstherrn vorbehaltene Entscheidung, die einer weiteren sachverständigen Begutachtung entzogen ist. Infolgedessen war das Berufungsgericht nicht gehalten, hierzu den Sachverständigen F… nochmals anzuhören, zumal auch die anwaltlich vertretene Klägerin dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht beantragt oder angeregt hatte. Ein Gericht verletzt seine Aufklärungspflicht regelmäßig nicht, wenn es auf eine weitere Beweisaufnahme oder auf die Anhörung eines Sachverständigen verzichtet, die sich nach Lage der Dinge nicht aufdrängt und von keinem der Beteiligten beantragt worden ist.
2. Als Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rügt die Klägerin, das Berufungsgericht habe sich in Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Februar 1993 – BVerwG 2 C 27.90 – (BVerwGE 92, 147) gesetzt. In jener Entscheidung habe das Bundesverwaltungsgericht den Rechtssatz aufgestellt, dass der Dienstherr, der den Probebeamten nicht spätestens am Ende der laufbahnrechtlichen Probezeit wegen mangelnder Bewährung – wozu auch diejenige in gesundheitlicher Hinsicht gehöre – entlasse, ihm aus diesem Grund die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nach Ablauf der für die Probestatusdienstzeit vorgesehenen Frist nicht mehr verwehren dürfe. Demgegenüber habe das Berufungsgericht angenommen, dass die Entlassung eines Probebeamten auch noch nach Ende der laufbahnrechtlichen Probezeit möglich sei.
Die geltend gemachte Divergenz liegt nicht vor. Nach der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Dienstherr gehalten, über die Umwandlung eines Beamtenverhältnisses auf Probe in ein solches auf Lebenszeit zu entscheiden, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen; diese Entscheidung darf nicht unangemessen lange hinausgezögert werden (a.a.O. S. 148). Die Entscheidung setzt indessen voraus, dass der Dienstherr die in Vorbereitung dieser Entscheidung erforderlichen Feststellungen und Wertungen im gesetzlich vorgegebenen Zeitrahmen treffen kann. Lässt sich innerhalb dieses Zeitrahmens, zu der auch die Vollendung des 27. Lebensjahres gehört, die gesundheitliche Eignung des Probebeamten nicht feststellen, weil die Möglichkeit künftiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, so kann der Dienstherr nicht die Entscheidung treffen, das Beamtenverhältnis auf Probe in ein solches auf Lebenszeit umzuwandeln. Dem Dienstherrn verbleibt in diesem Falle die Möglichkeit, die Probezeit um bis zu zwei Jahre, aber insgesamt nicht über fünf Jahre hinaus zu verlängern. Danach besteht für den Dienstherrn kein Ermessen, einen Beamten, der sich nicht bewährt hat, gleichwohl auf Dauer zu beschäftigen. Er hat dann vielmehr die Entscheidung zu treffen, den Beamten zu entlassen oder ihn zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen und bei Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen.
Zu diesen Rechtssätzen hat sich das Berufungsgericht nicht in Widerspruch gesetzt. Nach seinen mit durchgreifenden Verfahrensrügen nicht angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen ist die Klägerin nicht polizeidienstfähig, weil die bei ihr festgestellte Zystenbildung in der Leber die Verletzungsgefahr durch rohe Gewalt beim Einsatz gegen Rechtsbrecher erhöht mit der Folge, dass ihre jederzeitige Einsatzbereitschaft nicht gegeben ist. Die Frage der dauernden Dienstfähigkeit der Klägerin habe sich bis zum Ablauf der Statusdienstzeit nicht abschließend klären lassen. In einem solchen Falle, so führt das Berufungsgericht aus, werde nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung der Ablauf der fünfjährigen Frist gehemmt und die Pflicht des Dienstherrn zur Entscheidung des Sachverhalts hinausgeschoben. Mit diesen Ausführungen befindet sich das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Beschluss des erkennenden Senats vom 1. Oktober 2001 – BVerwG 2 B 11.01 – Buchholz 232 § 31 BBG Nr. 61. Diesem Beschluss ist ebenso wie dem noch nicht veröffentlichten Beschluss des Senats vom 10. November 2005 – BVerwG 2 B 54.05 – zu entnehmen, dass die im Urteil vom 25. Februar 1993 (a.a.O.) dargestellten Pflichten zu alsbaldiger Entscheidung über die künftige Gestaltung des Beamtenverhältnisses den Dienstherrn aus Gründen der Fürsorge treffen. Hier entsprach es dieser Pflicht, die letzte medizinische Behandlung der Klägerin abzuwarten, weil eine Chance bestand, die innerhalb der Statusdienstzeit nicht mögliche positive Entscheidung über die Polizeidienstfähigkeit der Klägerin nach deren Ablauf doch noch zu treffen.
Das Berufungsgericht hat deshalb auch ein schuldhaftes Zögern des Dienstherrn bei der Entscheidung über das weitere dienstliche Schicksal der Klägerin verneint und ausgeführt, es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte zunächst noch der Anregung des polizeiärztlichen Dienstes vom 27. September 2001 gefolgt sei und abgewartet habe, wie sich die auf eigenen Wunsch der Klägerin durchgeführte mehrmonatige Behandlung durch einen Homöopathen auf ihren Gesundheitszustand auswirken werde. Klarheit über das Ergebnis sei erst durch die abschließende Stellungnahme des polizeiärztlichen Dienstes vom 24. September 2002 geschaffen worden, der dann die Entlassung der Klägerin durch Bescheid vom 15. Oktober 2002 unmittelbar gefolgt sei. Mit Recht hat das Berufungsgericht dabei auch berücksichtigt, dass die die Dienstunfähigkeit begründende Zystenbildung erst zufällig anlässlich einer Schwangerschaft im Jahre 2000 festgestellt worden war, also während der davor liegenden Probezeit nicht berücksichtigt werden konnte.
3. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 154 Abs. 2 VwGO und aus § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Albers, Dr. Kugele, Groepper
Fundstellen