Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 27.11.2013; Aktenzeichen 1 A 4.12) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. November 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I
Durch Verfügung vom 11. Juni 2012 stellte das Innenministerium des beklagten Landes Brandenburg fest, dass die Klägerin sich als Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte und dass ihre Zwecke und ihre Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider liefen. Die Klägerin sei verboten und werde aufgelöst. Ferner wurde die Bildung von Ersatzorganisationen bzw. die Fortführung bestehender Organisationen als Ersatzorganisationen untersagt. Der Betrieb der namentlich bezeichneten Websites der Klägerin wurde eingestellt. Ihr Vermögen sowie näher bezeichnete Sachen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die gegen die Verfügung gerichtete Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Soweit die Klägerin im Stil einer Berufungsschrift die Sachverhaltswürdigung des Oberverwaltungsgerichts angreift und daraus abgeleitet die Verletzung von Bundesrecht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO rügt (unter II. 1., S. 4 ff. der Beschwerdebegründung), erfüllt sie mit diesen Ausführungen bereits im Ansatz nicht die Anforderungen, denen die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO durch die Darlegung von Gründen für die Zulassung der Revision gerecht werden muss. Dasselbe gilt, soweit die Klägerin nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist (mit Schriftsatz vom 15. Mai 2014) die Beiziehung zusätzlicher Akten beantragt und unter Bezugnahme auf deren Inhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ohne Bezug zu einem Revisionszulassungsgrund weiter vorträgt.
2. Indes führt es auch nicht zum Erfolg der Beschwerde, soweit sich die Klägerin im weiteren Verlauf ihrer Beschwerdebegründung auf die Zulassungsgründe des Verfahrensmangels im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (a) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (b) bezieht (unter II. 2. und 3., S. 14 ff. der Beschwerdebegründung).
a) Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Das ist hier nicht der Fall.
Die Klägerin meint, das Oberverwaltungsgericht habe in mehrfacher Hinsicht das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Sie macht geltend, sie habe schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung wiederholt auf Unzulänglichkeiten der in der Verbotsverfügung in Bezug genommenen journalistischen Darstellungen ihrer vermeintlichen Vereinsstrukturen hingewiesen und Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung bzw. sachverständige Begutachtung beantragt. Sie habe ferner vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die Video- und Tondateien, die der Beklagte als von der Internetseite spreelichter.info stammend vorgelegt habe, ihr nicht zugerechnet werden könnten und jedermann derartige Dateien im Internet herunterladen, modifizieren und erneut auf einem der zahlreichen Videoportale anonym hochladen könne. Entsprechend verhalte es sich mit den angeblich der genannten Internetseite entnommenen und nicht gegen Manipulationen gesicherten Bild- und Textbeiträgen. Das Oberverwaltungsgericht habe sich unter Übergehung aller dieser Einwände und Beweisangebote in seiner Entscheidung auf die in Rede stehenden Dokumente gestützt.
Die Klägerin kann mit diesem Einwand der Verfahrensfehlerhaftigkeit des oberverwaltungsgerichtlichen Urteils, den sie in das Gewand einer Gehörsrüge kleidet, der jedoch der Sache nach die Rüge eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO darstellt, nicht durchdringen.
Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat. Entsprechend kommt der Aufklärungsrüge nicht die Funktion zu, Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter zumutbarerweise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (Beschluss vom 16. März 2011 – BVerwG 6 B 47.10 – Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 174 Rn. 12).
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am 20. November 2013 förmliche Beweisanträge nicht gestellt. Dies ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift (GA Bl. 233 ff.) und dem Beschluss vom 11. Februar 2014, durch den der Vorsitzende des entscheidenden Senats des Oberverwaltungsgerichts einen Antrag der Klägerin auf Berichtigung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung abgelehnt hat (GA Bl. 287 ff.).
Dass ein Beweisantrag nicht gestellt wurde, ist für den Erfolg einer Aufklärungsrüge nur dann unerheblich, wenn sich dem Gericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Ermittlung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. Die Rüge muss allerdings insoweit schlüssig aufzeigen, dass das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Aufklärung hätte sehen müssen. Es muss ferner dargelegt werden, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer günstigeren Entscheidung hätte führen können (Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 16. März 2011 a.a.O. Rn. 12).
Die hiernach erforderlichen Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht, so dass die Verfahrensrüge schon aus diesem Grund ins Leere geht. Unabhängig hiervon ist auch in der Sache nicht ersichtlich, dass sich dem Oberverwaltungsgericht die von der Klägerin vermisste weitere Aufklärung bzw. Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen.
So hat das Oberverwaltungsgericht seine Einschätzung über die nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VereinsG gegebene Zuständigkeit des Beklagten für den Verbotserlass auf eine Vielzahl von Indizien gestützt (UA S. 18 ff.). Für die derart angestellte Gesamtwürdigung kam den von dem Oberverwaltungsgericht herangezogenen Ausführungen in den von der Klägerin als journalistische Darstellungen bezeichneten Untersuchungen (Krüger, Völkische Ideen und Inszenierungen aus dem Spreewald – Das Internet-Projekt spreelichter.info, in: Brandenburgisches Institut für Gemeinwesensberatung, Einblicke IV, 2012 sowie Wagner/Wichmann/Landgraf/Krause, Rechtsextremismus im Landkreis Dahme-Spreewald – Lagebericht 2011, ZDK Gesellschaft für Demokratische Kultur gGmbH) keine prägende Wirkung zu.
Was die Beweiskraft der Dateien aus dem Internet anbelangt, die der Beklagte für das verfügte Verbot verwandt hat, musste sich dem Oberverwaltungsgericht eine weitere Aufklärung bzw. Beweiserhebung ebenfalls nicht aufdrängen. Zum einen hat das Oberverwaltungsgericht Umstände bezeichnet (UA S. 26), die die Charakterisierung der Internetseite spreelichter.info als Sprachrohr der Widerstandsbewegung in Südbrandenburg auch ohne konkreten Nachweis der Urheberschaft bestimmter Personen für einzelne Webseiten rechtfertigten. Zum anderen hat die Klägerin die Problematik einer Manipulierbarkeit von Dateien nur allgemein aufgeworfen. Anhaltspunkte für einen konkreten Manipulationsverdacht konnten sich – auch unter Berücksichtigung des im Verfahren angebrachten Vortrags des Beklagten – für das Oberverwaltungsgericht nicht ergeben.
b) Die Revision ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Eine solche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.
Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
„ob eine Personenmehrheit einen Verein i.S.d. Vereinsgesetzes bzw. des Grundgesetzes bildet, auch wenn sie sich persönlich größtenteils nicht bekannt ist und ohne erkennbare Bezugspunkte nur einmalig oder sporadisch binnen mehrerer Jahre an ‚gemeinsamen’ Veranstaltungen einer politischen Szene teilgenommen hat.”
Dieser Frage kommt keine Grundsatzbedeutung zu, weil sie in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig ist. Sie ist ersichtlich auf den Einzelfall bezogen und schon aus diesem Grund einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich. Der Frage fehlt es unabhängig hiervon an der Klärungsfähigkeit auch deshalb, weil sie sich mit dem umschriebenen Inhalt dem Oberverwaltungsgericht nicht gestellt hat und dementsprechend nicht Grundlage der angefochtenen Entscheidung geworden ist (vgl. hierzu allgemein zuletzt: Beschlüsse vom 19. November 2013 – BVerwG 6 B 25.13 – juris Rn. 6 und vom 21. März 2014 – BVerwG 6 B 55.13 – juris Rn. 7). Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr in tatsächlicher Hinsicht unter anderem festgestellt, dass sich die Mitglieder der hier in Rede stehenden Personenmehrheit nur zum Schein „organisationslos” zusammengeschlossen hatten, hingegen bei initiierten Aktionen und im Internet als homogene Einheit aufgetreten sind (UA S. 23), dass ihre über mehrere Jahre durchgeführte Betätigung eine hohe Organisationskraft mit straffer Führung und ideologischer Festigung und ein planvoll organisiertes Vorgehen voraussetzte (UA S. 24) und dass sie in Gestalt eines Kerns von Eingeweihten zu Vorbereitungstreffen und Aktionsgruppenseminaren zusammenkamen (UA S. 25). Diese tatsächlichen Feststellungen hat die Klägerin – wie dargelegt – nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen.
Ferner bedarf nach Ansicht der Klägerin die Frage,
„inwieweit das Vereinsverbotsmerkmal des ‚Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung’ im Lichte der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neu auszulegen ist, der Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht, das sich – soweit ersichtlich – auch in jüngeren Entscheidungen noch nicht mit der Wunsiedel-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts befasst hat, auf die es hier entscheidend ankommt.”
Auch diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Grundsatzrevision nicht, denn sie ist nicht klärungsbedürftig.
In der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt: Urteil vom 19. Dezember 2012 – BVerwG 6 A 6.11 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 59 Rn. 13 f., 45 ff.), die das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat (UA S. 27 ff.), ist geklärt, dass zur verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition gehören. Gegen diese elementaren Verfassungsgrundsätze richtet sich eine Vereinigung, die in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist. Das ist namentlich bei einer Vereinigung der Fall, die sich zur ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und zu deren maßgeblichen Funktionsträgern bekennt, die demokratische Staatsform verächtlich macht, eine mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unvereinbare Rassenlehre propagiert und eine entsprechende Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung anstrebt. Eine Vereinigung richtet sich im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG allerdings nicht schon dann gegen die so umschriebene verfassungsmäßige Ordnung, wenn sie diese lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele vielmehr kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Hierfür genügt es, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Dies ist für eine mit dem Nationalsozialismus wesensverwandte Vereinigung kennzeichnend, bedarf gleichwohl auch hier der ausdrücklichen Feststellung.
Diese Rechtsprechung steht entgegen der Ansicht der Klägerin nicht in Widerspruch zu den Grundsätzen, die in dem die Verfassungsmäßigkeit des § 130 Abs. 4 StGB betreffenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 2009 – 1 BvR 2150/08 – (BVerfGE 124, 300) enthalten sind. Denn ein auf den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gestütztes Vereinsverbot, das nach der Beurteilung des Oberverwaltungsgerichts gegenüber der Klägerin zu Recht erlassen worden ist, sanktioniert anders als § 130 Abs. 4 StGB nicht die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen als solcher, sondern die aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009 a.a.O. S. 330; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2012 a.a.O. Rn. 29).
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstands beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Neumann, Dr. Möller, Hahn
Fundstellen