Der Fall: Maßnahmen des Dienstherrn werden als Schikane empfunden
Die Klägerin stand bis zu ihrer Versetzung im Jahr 2017 als Stadtverwaltungsoberrätin (Besoldungsgruppe A 14 LBesO) im Dienst der beklagten Gemeinde; sie war seit 2007 mit der Leitung des Fachbereichs "Bürgerdienste, Recht und Ordnung" betraut. Nach seiner Wiederwahl vom Mai 2014 verfügte der Oberbürgermeister der Beklagten im Juli 2014 eine Neuorganisation des Verwaltungsaufbaus, die eine Reduzierung der Fachbereiche von vier auf drei zur Folge hatte. Die Klägerin wurde auf die neu gebildete "Stabsstelle Recht" umgesetzt. Die dortige Verwendung entsprach nach einem später ergangenen und rechtskräftig gewordenen Urteil des Verwaltungsgerichts nicht dem Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung. Im Rahmen der Umsetzung wurde ihr ein Dienstzimmer im Dachgeschoss eines Seitentrakts des Rathauses zugewiesen. Aufgrund arbeitsschutzrechtlicher Bedenken gegen die ins Dachgeschoss führende "steile Treppe" wies die Beklagte den betroffenen Bediensteten im Juni 2015 andere Dienstzimmer zu. Im Dezember 2015 stellte der Personalrat der Beklagten eine Pressemitteilung auf der Homepage ein, in der der Klägerin u.a. vorgeworfen wurde, sie habe sich "über Monate bei voller Besoldung als Chefjuristin der Verwaltung in 'Krankheit'" geflüchtet.
Die Klägerin sieht in diesen und weiteren Verhaltensweisen ein gezieltes Mobbing des Oberbürgermeisters, der ihr gegenüber auch offenbart habe, im Rahmen seines Wahlkampfes im Frühjahr 2014 das Vertrauen in ihre Person verloren zu haben. Ihre auf Schadensersatz gerichtete Klage war vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich, wurde in der Berufungsinstanz aber abgewiesen.
BVerwG: Zusammenschau mehrerer Einzelmaßnahmen ist erforderlich
Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die Sache an das Oberverwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (BVerwG, Urteil vom 28.3.2023, Az. 2 C 6.21).
Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht, weil es von einem fehlerhaften rechtlichen Maßstab ausgeht. Die Besonderheit der als "Mobbing" bezeichneten Rechtsverletzung liegt gerade darin, dass die Zusammenschau mehrerer Einzelakte zur Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung führen kann, auch wenn die jeweiligen Einzelmaßnahmen für sich betrachtet nicht zu beanstanden oder jedenfalls nicht von ausreichender Intensität sind. Diesen Maßstab hat das Oberverwaltungsgericht nicht hinreichend beachtet und eine Gesamtschau der betrachteten Maßnahmen unterlassen.
Darüber hinaus hat das Berufungsgericht den Beweisantrag zur Aufklärung der Frage, ob dem Oberbürgermeister der Inhalt der Pressemitteilung des Personalrats vorab bekannt war, fehlerhaft abgelehnt. Zudem beruht die Ablehnung des Beweisantrags, über die gesundheitlichen Auswirkungen der amtsunangemessenen Beschäftigung der Klägerin ein Sachverständigengutachten einzuholen, auf einem fehlerhaften Kausalitätsmaßstab.
Wichtig für die Praxis
Mobbing ist wenig greifbar und doch vorhanden. Die Gerichte der Arbeits- und hier der Verwaltungsgerichtsbarkeit haben große Probleme damit, von Beschäftigten als Mobbing empfundene Handlungen rechtlich korrekt zu bewerten. Das ist umso nachteiliger, weil Mobbing einer der Hauptfaktoren psychischer Belastungen am Arbeitsplatz ist.
Das Bundesverwaltungsgericht macht hier eine wichtige Vorgabe: Es sind nicht die einzelnen Maßnahmen, die der rechtlichen Prüfung bedürfen, sondern die Überprüfung des Zusammenwirkens verschiedener Maßnahmen – denn erst dieser „gefährliche Mix“ hat fatale Auswirkungen auf die Gesundheit der betroffenen Beschäftigten.