Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittelbefugnis eines Klägers gegen die Aufhebung eines Verwaltungsaktes aufgrund eines Antrages des Beigeladenen
Leitsatz (amtlich)
Das Rechtsmittel des Klägers hinsichtlich eines ihm günstigen Bescheides, der aufgrund eines Antrages des Beigeladenen vom Verwaltungsgericht aufgehoben worden ist, setzt voraus, dass die Aufhebung den Kläger möglicherweise in seinen Rechten verletzt und ihn deshalb materiell beschwert.
Normenkette
VwGO § 42 Abs. 2, § 66 S. 2, § 132
Verfahrensgang
VG Berlin (Entscheidung vom 24.11.1999; Aktenzeichen 7 A 22.93) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. November 1999 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 Million DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Klägerin gehörten zahlreiche, im sowjetischen Sektor von Berlin belegene Grundstücke, die in der am 2. Dezember 1949 veröffentlichten „Liste 3” des Magistrats von Groß-Berlin aufgeführt waren. Zu ihrem Antrag auf Rückübertragung des Eigentums an diesen Grundstücken erließ der Beklagte am 5. November 1991 einen „Feststellungsbescheid zur Antragsberechtigung” und das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen am 29. September 1992 einen den Antrag ablehnenden Bescheid.
Im Klageverfahren beantragte die Beigeladene zu 1, der Eigentum an einem der streitbefangenen Grundstücke gehört, den Feststellungsbescheid vom 5. November 1991 hinsichtlich dieses Grundstücks aufzuheben. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage auf Rückübertragung der Grundstücke abgewiesen und aufgrund des Antrags der Beigeladenen zu 1 den fraglichen Feststellungsbescheid im angefochtenen Umfange aufgehoben.
Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist zum Teil unzulässig und im Übrigen unbegründet.
1. Die Beschwerde ist mangels Rechtschutzinteresses unzulässig soweit sie das Ziel verfolgt, die Revision gegen die Aufhebung des Feststellungsbescheides vom 5. November 1991 zuzulassen. Die Beschwer, mit der regelmäßig das Rechtschutzinteresse für das Rechtsmittel indiziert wird (Beschluss vom 29. März 1993 – BVerwG 4 NB 10.91 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 75 S. 124 ≪125≫), ist zwar bei einem Kläger gegeben, dessen gestellter Antrag hinter dem angefochtenen Urteil zurückgeblieben ist. Doch die formelle Beschwer genügt nicht, wenn der Kläger hinsichtlich des konkreten Streitgegenstandes die prozessuale Stellung derartig gewechselt hat, dass er wie ein Beigeladener zu behandeln ist. Dann setzt sein Rechtsmittel eine materielle Beschwer voraus, die der Klägerin hier insoweit fehlt.
Der Wechsel in der Betrachtung der Beteiligtenstellung ergibt sich aus Folgendem:
Die Beigeladene zu 1 hat mit ihrem abweichenden Sachantrag im Sinne von § 66 Satz 2 VwGO (vgl. hierzu Urteil vom 16. Juli 1998 – BVerwG 7 C 39.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 159 S. 495, 497) den Streitstoff um den Anspruch auf Aufhebung des Feststellungsbescheides vom 5. November 1991 erweitert. Dieser Bescheid hat die Rückgabebefugnis der Klägerin zum Gegenstand, so dass durch seine Anfechtung deren Rechtskreis berührt worden ist. Der Gestaltungsantrag der Beigeladenen zu 1 hat folglich die Klägerin wie eine notwendig Beizuladende erfasst; denn hätte die Beigeladende zu 1 ihre Anfechtung unmittelbar durch Klage geltend gemacht, wäre die Klägerin im Wege notwendiger Beiladung gemäß § 65 Abs. 2 VwGO am Gerichtsverfahren zu beteiligen gewesen. Für die stattdessen im laufenden Streitverfahren erfolgte Einbeziehung dieses Sachbegehrens bedurfte es einer solchen Formalie nicht, weil sich die Rechtskraft des angestrebten Gestaltungsurteils sowieso auf die Klägerin wegen ihrer bereits bestehenden Beteiligung am Verfahren erstrecken würde (§ 121 Nr. 1 VwGO). Auch ohne Beiladung hat sie für diesen Teil des streitigen Rechtsverhältnisses der Sache nach nur die materielle Stellung einer Beigeladenen.
Die Beschwer und damit die Rechtsmittelbefugnis des Beigeladenen ist gegeben, wenn er durch die Entscheidung der Vorinstanz möglicherweise in seinen Rechten verletzt ist (vgl. Urteil vom 28. Oktober 1999 – BVerwG 7 C 32.98 – Buchholz 406.252 § 7 UIG Nr. 1 S. 1 ≪2≫ m.w.N.). Bezogen auf die Klägerin bedeutet dies, dass sich aus der Aufhebung des Feststellungsbescheides vom 5. November 1991 die Möglichkeit einer Verletzung ihrer Rechte ergeben müsste. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Aufhebung hat auf die rechtliche Situation der Klägerin keinen Einfluss mehr; das ist eindeutig.
Der Feststellungsbescheid war ursprünglich als Teilentscheid im Rahmen eines gestuften Verfahrens ergangen. Er sollte einen Ausschnitt aus der Restitutionsentscheidung abschichten, indem er feststellte, dass die fraglichen Vermögenswerte von schädigenden Maßnahmen im Sinne von § 1 VermG betroffen waren und es sich bei diesen Vermögenswerten um solche der Klägerin gehandelt hatte. Gegen diese Auslegung des Bescheids durch das Verwaltungsgericht ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern, zumal die Klägerin mit ihrer Beschwerde dazu keine durchgreifenden Einwände erhoben hat. Da die hiergegen erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision aus den nachfolgenden Gründen ohne Erfolg ist, steht nunmehr aufgrund des angefochtenen Urteils fest, dass der Klägerin mangels Berechtigung kein Anspruch auf Rückübertragung der streitbefangenen Grundstücke zusteht; der Feststellungsbescheid vom 5. November 1991 hat deshalb seine interimistische Bedeutung verloren. Er hat sich erledigt, und seine Aufhebung durch das Verwaltungsgericht hat nur klarstellende Wirkung. Die Klägerin hat nicht dargetan, worin für sie das Interesse am Erhalt dieses Bescheides bestehen könnte. Eine Wiedergutmachung für die Vermögensverluste hängt davon nicht ab.
2. Die Beschwerde im Übrigen ist unbegründet. Das Urteil weicht weder von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch liegt der geltend gemachte Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), und die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Das verwaltungsgerichtliche Urteil weicht nicht ab von einer der in der Beschwerde bezeichneten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 25. Februar 1994 – BVerwG 7 C 32.92 – BVerwGE 95, 170 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 17 S. 8, vom 29. August 1996 – BVerwG 7 C 43.95 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 23 S. 30, vom 24. Februar 1994 – BVerwG 7 C 20.93 – BVerwGE 95, 155 = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 5 S. 1 und vom 16. April 1998 – BVerwG 7 C 32.97 – BVerwGE 106, 310 = Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 9 S. 13). In diesen Entscheidungen äußert sich das Bundesverwaltungsgericht dazu, wer Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes ist und macht Ausführungen zur zweistufigen Abwicklung vermögensrechtlicher Ansprüche. Danach wird in der ersten Stufe – durch gesonderten Bescheid oder durch selbständigen Teilentscheid – festgestellt, wer Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG ist und in einer zweiten Stufe entschieden, ob der von einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG betroffene Vermögenswert an den Berechtigten zurückgegeben wird oder ob der Berechtigte entschädigt wird. Von dieser Rechtsprechung (vgl. auch Urteil vom 13. April 2000 – BVerwG 7 C 84.99 –, zur Veröffentlichung in BVerwGE bestimmt) ist das Verwaltungsgericht nicht abgewichen. Es geht insbesondere – entgegen der Auffassung der Beschwerde – nicht von folgendem Rechtssatz aus: „Ein Feststellungsbescheid nach dem VermG begründet einen hierauf gestützten Folgeanspruch nicht schon dann, wenn durch ihn die Berechtigung i.S.v. § 2 Abs. 1 VermG festgestellt wird, sondern erst dann, wenn er darüber hinausgehende Bestimmungen enthält, durch die die Rechtsfolge bzw. die einschlägigen Voraussetzungen geregelt werden.”
Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts folgt der Bescheid des Beklagten vom 5. November 1991 nicht der – von der Beschwerde zutreffend dargestellten – zweistufigen Abwicklung vermögensrechtlicher Ansprüche. Er besteht nicht etwa aus einer Feststellung der Berechtigung und einem Hinweis darauf, dass über Ausschlussgründe nach den §§ 4 und 5 VermG und damit über Art und Umfang des vermögensrechtlichen Anspruchs im Einzelfall entschieden wird. Vielmehr enthält der Bescheid in den ersten beiden Absätzen zwei Aussagen zur Berechtigung der Klägerin. Weil sich deshalb Zweck und Bedeutungsgehalt des Bescheides nicht ohne weiteres erschließen, hat das Verwaltungsgericht diesen ausgelegt. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Bescheid auf einem zur Zeit des Erlasses weit verbreiteten fehlerhaften Normverständnis beruhe. Dieses habe – so das verwaltungsgerichtliche Urteil – das Fehlen der in § 1 Abs. 8 VermG aufgeführten Tatbestände nicht als Voraussetzung einer Berechtigung im Sinne des Vermögensgesetzes angesehen, sondern lediglich als Voraussetzung für das Bestehen eines Restitutionsanspruchs, die – im Sinne eines Ausschlusstatbestandes –neben einer Berechtigung im Sinne des Vermögensgesetzes zu fordern sei. Einen abstrakten Rechtssatzwiderspruch zu den angeführten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts enthalten diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht.
b) Es liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht hätte die … nicht beiladen dürfen. Ein Verfahrensmangel, der in einem Revisionsverfahren durch das Revisionsgericht überprüft werden könnte, wird damit nicht bezeichnet, weil das Urteil auf dem Mangel jedenfalls nicht beruhen kann. Für die Abweisung der Klage war die zuvor beschlossene Beiladung nämlich ohne Bedeutung. Ein sich allein auf die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts auswirkender Verfahrensmangel vermag aber die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen (vgl. Pietzner in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 132 Rn. 98).
c) Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier. Die von der Beschwerde zur Auslegung und Anwendung von Vorschriften über die Beiladung (§ 65 VwGO) aufgeworfenen Fragen sind – aus den o.g. Gründen – im Revisionsverfahren für die Entscheidung der Sache nicht erheblich.
Hinzu kommt, dass, wenn eine Revision gegen die Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts nicht zugelassen werden kann, die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig ist (§ 158 Abs. 1 VwGO). Auch dies steht der Zulassung der Revision wegen der vermeintlich fehlerhaften Beiladung, die sich nur auf die Kostenentscheidung auswirken konnte, entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene zu 2 hat mit der Stellung eines Antrags ein Kostenrisiko auf sich genommen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Deshalb entspricht es der Billigkeit, deren außergerichtliche Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Zur Antragstellung war die Beigeladene zu 2 aufgrund des unanfechtbaren (vgl. § 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO) Beiladungsbeschlusses – unabhängig von dessen Rechtmäßigkeit – befugt (§ 66 Satz 1 VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 3 sind mangels Sachantrags nicht erstattungsfähig.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 13, 14 GKG. Dabei war für das Beschwerdeverfahren der Wert auf 1 Million DM zu begrenzen (§ 13 Abs. 3 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 GKG).
Unterschriften
Dr. Pagenkopf, Sailer, Postier
Fundstellen
Haufe-Index 566753 |
ZAP-Ost 2000, 686 |
NJ 2000, 664 |