Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 29.10.2019; Aktenzeichen 1 A 245/17) |
VG Chemnitz (Entscheidung vom 22.04.2015; Aktenzeichen 3 K 400/12) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2019 ergangenen Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 500 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die der Kläger ihr beimisst.
Rz. 2
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ≪91≫ und vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - ZfBR 2020, 173 Rn. 4).
Rz. 3
Die Beschwerde hält für grundsätzlich bedeutsam,
ob es unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots gerechtfertigt ist, aufgrund der geringen Anzahl bestimmter Freizeitveranstaltungen für diese Veranstaltungen dem Nachbarn - entsprechend der Wertung in Nr. 4.4 der LAI-Freizeitlärmrichtlinie vom 6. März 2015 - mehr an Lärmbelastung zuzumuten als bei den übrigen Veranstaltungen und für die Rechtfertigung dieser Privilegierung unabhängig von der Art der Veranstaltung maßgeblich auch auf Besonderheiten des Veranstaltungsorts abgestellt werden kann.
Rz. 4
Die Frage ist keine in einem Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage. Solange für die Ermittlung und Bewertung der auf Wohngrundstücke einwirkenden Geräusche rechtlich keine bestimmten Mess- und Berechnungsverfahren sowie Lärmwerte vorgegeben sind, bleibt es der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten, unter Berücksichtigung der einzelnen Schallereignisse, ihres Schallpegels und ihrer Eigenart (Dauer, Häufigkeit, Impulshaltigkeit) und ihres Zusammenwirkens die Erheblichkeit der Lärmbelästigung zu beurteilen. Die Zumutbarkeitsgrenze ist aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere der speziellen Schutzwürdigkeit des jeweiligen Baugebiets zu bestimmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 1994 - 4 B 16.94 - NVwZ-RR 1995, 6 = juris Rn. 3; Urteil vom 24. April 1991 - 7 C 12.90 - BVerwGE 88, 143 ≪148 f.≫ m.w.N.).
Rz. 5
Die von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) verabschiedete "Freizeitlärmrichtlinie" vom 6. März 2015 kann als Orientierungshilfe zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit herangezogen werden, sofern sie für die Beurteilung der Erheblichkeit einer Lärmbelästigung im konkreten Streitfall brauchbare Anhaltspunkte liefert. Sie darf jedoch nicht schematisch angewandt werden; die Zumutbarkeitsgrenze ist aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen (BVerwG, Urteile vom 24. April 1991 - 7 C 12.90 - BVerwGE 88, 143 ≪149≫ und vom 12. Dezember 2019 - 8 C 3.19 - DVBl. 2020, 1021 Rn. 29 sowie Beschlüsse vom 17. Juli 2003 - 4 B 55.03 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 166 = juris Rn. 8 und vom 6. August 2018 - 7 B 4.18 - juris Rn. 4). Die Freizeitlärmrichtlinie schränkt entgegen der Ansicht der Beschwerde daher die tatrichterliche Würdigung auch nicht unter Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG dahingehend ein, dass das Gericht die Zumutbarkeit anhand deren Vorgaben zu prüfen hat.
Rz. 6
Von diesen Grundsätzen hat das Oberverwaltungsgericht sich leiten lassen und ist davon ausgegangen, die Geräuschimmissionen, die mit dem Betrieb der Freilichtbühne verbunden sind, seien dem Kläger angesichts der zahlenmäßig eng begrenzten Anzahl von Veranstaltungen, des Umstandes, dass es sich bei dem Veranstaltungsort um eine bestandsgeschützte Anlage mit hoher Akzeptanz in der Bevölkerung handle und des Umstandes, dass er in unmittelbarer Nähe zur Anlage ein neues Haus im Außenbereich errichtet habe, noch zumutbar (UA Rn. 41 ff.). Gegen diese tatrichterliche Würdigung kann die Beschwerde sich nicht mit der Grundsatzrüge wenden. Die von ihr formulierte Frage zielt auf die Sachverhaltswürdigung im Einzelfall und ließe sich in einem Revisionsverfahren nicht verallgemeinernd beantworten.
Rz. 7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen