Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 10.02.2006; Aktenzeichen 5 M 2/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt – Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen – vom 10. Februar 2006 wird verworfen.
Gründe
Die vom Antragsteller so genannte außerordentliche Beschwerde ist unzulässig, weil das Gesetz sie nicht vorsieht. Wie das Bundesarbeitsgericht in Anwendung der – hier gemäß § 78 Abs. 2 SAPersVG entsprechend anwendbaren – Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes bereits entschieden hat, ist nach der Neufassung des § 78 ArbGG sowie der §§ 567 ff. ZPO durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1887) die Beschwerde nur noch in den gesetzlich geregelten Fällen statthaft. Eine außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit neben den im Gesetz genannten Fällen scheidet damit aus (BAG, Beschluss vom 8. August 2005 – 5 AZB 31/05 – NJW 2005, 3231; ebenso zu § 152 VwGO: BVerwG, Beschlüsse vom 16. Mai 2002 – BVerwG 6 B 28.02 – Buchholz 310 § 152 VwGO Nr. 14 und vom 9. Februar 2005 – BVerwG 1 VR 3.05 – Buchholz 310 § 152 VwGO Nr. 15; a.A. zu § 128 FGO: BFH, Beschluss vom 8. September 2005 – IV B 42/05 – BFHE 210, 225).
Davon abgesehen müsste der Beschwerde aber auch in der Sache der Erfolg versagt bleiben, weil es an einer greifbaren Gesetzesverletzung fehlt. Der Antragsteller rügt einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil der Vorsitzende des Fachsenats über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 944 ZPO wegen besonderer Eilbedürftigkeit allein entschieden hat, obwohl § 78 Abs. 2 SAPersVG i.V.m. § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG die Anwendung dieser Bestimmung ausschließe. Dem ist nicht zu folgen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht schon bei jeder irrtümlichen Überschreitung der dem Gericht vom Gesetz gezogenen Grenzen verletzt. Eine auf einem “greifbaren” Gesetzesverstoß beruhende und dementsprechend auch verfassungswidrige Entziehung des gesetzlichen Richters liegt in der fehlerhaften Anwendung einer Verfahrensnorm erst dann, wenn deren Handhabung schlechthin unvertretbar ist und deshalb außerhalb der Gesetzlichkeit steht (BVerfG, Beschlüsse vom 3. November 1992 – 1 BvR 137/92 – BVerfGE 87, 282 ≪285≫ und vom 10. Juni 1997 – 2 BvR 1516/96 – BVerfGE 96, 68 ≪77≫). So liegt der Fall hier erkennbar nicht.
Nicht frei von Zweifeln ist bereits, ob § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, der in einstweiligen Verfügungssachen “Entscheidungen durch Beschluss der Kammer” vorsieht, in personalvertretungsrechtlichen Verfahren überhaupt Anwendung findet. So hat der beschließende Senat – allerdings in Bezug auf seine eigene Besetzung in Beschwerdeverfahren – bereits entschieden, dass die Verweisung des § 83 Abs. 2 BPersVG und der entsprechenden landespersonalvertretungsrechtlichen Bestimmungen auf die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes sich grundsätzlich nicht auf die Zusammensetzung des Gerichts erstreckt, diese sich vielmehr, soweit das Personalvertretungsrecht keine speziellen Regelungen trifft, nach der Verwaltungsgerichtsordnung richtet (Beschluss vom 1. November 2001 – BVerwG 6 P 10.01 – BVerwGE 115, 223 ≪224 f.≫ = Buchholz 252 § 52 SBG Nr. 2).
Geht man dennoch von der Anwendbarkeit des § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG auf personalvertretungsrechtliche Eilbeschlüsse der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte aus, besteht über das Verhältnis dieser Norm zu § 944 ZPO, der in dringenden Fällen außerhalb der mündlichen Verhandlung Eilentscheidungen des Vorsitzenden erlaubt, keine Einigkeit. Während § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG in der Rechtsprechung zum Personalvertretungsrecht teilweise so verstanden wird, dass er in Eilverfahren stets die volle Spruchkörperbesetzung vorschreibt (so OVG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 21. November 2001 – 6 B 272/01.PVL – LKV 2003, 103; ähnlich bereits VGH Kassel, Beschluss vom 1. Juni 1994 – TL 864/94 – PersR 1994, 431; s.a. BAG, Beschluss vom 28. August 1991 – 7 ABR 72/90 – BAGE 68, 232), halten andere Oberverwaltungsgerichte § 944 ZPO unbeschadet der in § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG getroffenen Regelung für anwendbar (OVG Münster, Beschluss vom 5. April 1995 – 1 B 580/95.PVL – juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. Juni 2003 – 18 MP 7/03 – PersR 2003, 423).
Vor diesem Hintergrund ist die Auslegung des Verfahrensrechts durch die Vorinstanz jedenfalls nicht schlechthin unvertretbar. Dasselbe gilt auch für die weitere Annahme des Oberverwaltungsgerichts, im vorliegenden Fall habe eine besondere, die Vorsitzendenentscheidung gemäß § 944 ZPO rechtfertigende Eilbedürftigkeit vorgelegen. Selbst wenn die eine oder die andere Einschätzung nicht frei von Rechtsirrtum sein sollte, wäre sie ersichtlich nicht von Willkür geprägt und somit nicht greifbar gesetzwidrig.
Unterschriften
Dr. Hahn, Büge, Dr. Bier
Fundstellen