Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 19.02.2014; Aktenzeichen 8 A 11.40053) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I
Rz. 1
Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern vom 5. Juli 2011 (98. Änderungsplanfeststellungsbeschluss) in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 22. Januar 2013 für die Erweiterung des Verkehrsflughafens München durch die Anlage und den Betrieb einer dritten Start- und Landebahn. Sie sind Eigentümer eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks, das für das Vorhaben unmittelbar in Anspruch genommen wird, und Eigentümer von Wohngrundstücken in F.. Der Verwaltungsgerichtshof hat ihre Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 2
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 3
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Kläger beimessen.
Rz. 4
a) Die Kläger halten die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob Verfahrensbeteiligte einer nicht auf Beweiserhebung gestützten richterlichen Überzeugung von der mangelnden Kausalität von Verfahrensfehlern für den Inhalt einer angegriffenen Planungsentscheidung im Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie (Richtlinie 85/337/EWG, heute Richtlinie 2011/92/EU) mit substantiierten Einwendungen oder Beweisanträgen entgegentreten müssen (Beschwerdebegründung S. 2).
Rz. 5
Die Frage führt mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zur Zulassung der Revision. Der Verwaltungsgerichtshof hat sein Urteil, soweit es sich zu formellen Mängeln des Planfeststellungsbeschlusses verhält, entgegen der Ansicht der Kläger nicht auf alternative, sondern auf kumulative Begründungen gestützt. Der Planfeststellungsbeschluss sei nicht mit Verfahrensfehlern behaftet (UA Rn. 358 bis 366), und etwaige Verfahrensfehler seien unbeachtlich, weil die konkrete Möglichkeit zu verneinen sei, dass der Planfeststellungsbeschluss ohne die geltend gemachten Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre (UA Rn. 366, 367). Die Kläger greifen nur die zweite Begründung mit der Grundsatzrüge an. Ist die vorinstanzliche Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision aber nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1994 – 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4; stRspr). Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. Nur bei hier nicht vorliegenden alternativen Begründungen reicht es aus, wenn die Beschwerde einen der beiden Begründungsteile angreift. Denn wenn nur einer von ihnen in Zweifel gerät, ist nicht mehr gesichert, dass der andere Begründungsteil die Entscheidung trägt (BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 4 NB 3.93 – NVwZ 1994, 269 f.).
Rz. 6
b) Grundsätzlichen Klärungsbedarf weisen die Kläger den Fragen zu,
ob der vorhabenbedingte Wertverlust von Grundstücken, der bei der planerischen Abwägungsentscheidung als privater, gegen das Vorhaben streitender Belang zu berücksichtigen ist, als Differenz zwischen dem prognostisch zu ermittelnden Wert bei Verwirklichung des Vorhabens (Planungsfall) und dem ebenfalls prognostisch zu ermittelnden Wert bei Unterlassung des Vorhabens (Planungsnullfall) zu bestimmen ist (Beschwerdebegründung S. 5) und
ob im Rahmen der fachplanerischen Abwägung planbedingt entgehende Wertsteigerungen von Wohngrundstücken und Mietwohnanlagen im Eigentum Privater als gegen das Vorhaben streitende Belange zu berücksichtigen sind (Beschwerdebegründung S. 11).
Rz. 7
Beide Fragen hängen miteinander zusammen, weil die Kläger dem Verwaltungsgerichtshof vorhalten, dadurch von dem von ihnen für richtig gehaltenen „Differenzmodell” abgewichen zu sein, dass er noch nicht realisierte Marktchancen und Erwartungen an zukünftige Wertsteigerungen als nicht schutzwürdig ausgeblendet habe (Beschwerdebegründung S. 7 und 11). Die Kläger wollen klären lassen, ob das Abwägungsgebot des § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG verlangt, dass noch nicht realisierte Marktchancen und Erwartungen an zukünftige Wertsteigerungen planbetroffener Grundstückseigentümer als planfeindliche private Belange ermittelt und berücksichtigt werden müssen, auch wenn der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG nicht berührt wird (Beschwerdebegründung S. 9).
Rz. 8
Die Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Das vorinstanzliche Urteil enthält keine Feststellungen dazu, ob nicht realisierte Marktchancen und Erwartungen an zukünftige Wertsteigerungen, wie sie die Kläger außerhalb des Schutzbereichs des Art. 14 Abs. 1 GG zu ihren Gunsten reklamieren, als Abwägungsposten in die Abwägungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde eingeflossen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts scheidet die Zulassung der Revision aber aus, wenn ein Instanzgericht eine Tatsache nicht festgestellt hat, die für die Entscheidung der angesprochenen Rechtsfrage erheblich sein würde, sondern lediglich die Möglichkeit besteht, dass die Rechtsfrage nach Zurückverweisung der Sache aufgrund weiterer Sachaufklärung entscheidungserheblich werden könnte (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Dezember 1998 – 9 B 197.98 – juris Rn. 6 und vom 28. November 2005 – 4 B 66.05 – ZfBR 2006, 159). Es ist nicht die Aufgabe des Revisionsgerichts, losgelöst von fehlenden Feststellungen der Vorinstanz und wie ein Tatsachengericht die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses zu prüfen.
Rz. 9
Im Zusammenhang mit dem Thema des vorhabenbedingten Wertverlusts von Immobilien werfen die Kläger ferner die Frage auf,
ob private Grundstückseigentümer in der unmittelbaren Umgebung eines Fachplanungsvorhabens beanspruchen können, dass die als Abwägungsbelang zu berücksichtigende Wirkung des Vorhabens auf den Wert ihrer Liegenschaft individuell ermittelt wird (Beschwerdebegründung S. 20).
Rz. 10
Ihre Frage löst die Zulassung der Revision nicht aus, weil sie auf einen anderen als den vom Verwaltungsgerichtshof festgestellten Sachverhalt zugeschnitten ist. Die ihr zugrunde liegende Behauptung, dass keine der vom Verwaltungsgerichtshof ausgewerteten Erkenntnismittel sich individuell mit ihrem Wohnhaus oder ihrer Mietwohnanlage befasse (Beschwerdebegründung S. 21), geht daran vorbei, dass der Verwaltungsgerichtshof mit bindender Wirkung (§ 137 Abs. 2 VwGO) für den Senat festgestellt hat, für das mit den höchsten absoluten Lärmwerten belastete klägerische Wohnanwesen ergebe sich im Prognosefall nach beispielhafter Berechnung des Gutachters (gemeint ist der Gutachter O. vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut) eine Wertminderung um 6,7 % oder geringfügig darunter (UA Rn. 614). Im Übrigen bedarf es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass jedenfalls im Fall der Planfeststellung eines Flughafens kein Anspruch darauf besteht, dass die als Abwägungsbelang berücksichtigende Wirkung des Vorhabens auf den Wert einer Immobilie jeweils individuell ermittelt wird. Denn eine solche individuelle Ermittlung wäre stets mit der Unsicherheit behaftet, dass die Flugverfahren für An- und Abflüge noch nicht feststehen (BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 2011 – 4 A 4001.10 – BVerwGE 141, 1 Rn. 147). Es geht also um die „Wertentwicklung in der Umgebung” (so BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 – 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 Rn. 405) und die realistische Abbildung der insoweit für die Abwägung relevanten Größenordnung (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2012 – 4 A 5000.10 u.a. – BVerwGE 144, 1 Rn. 50).
Rz. 11
c) Die Kläger sehen grundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage,
ob das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (FluglärmG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2550) über den Fluglärm und den luftverkehrsbedingten Schadstoffeintrag hinaus auch die nachteiligen Auswirkungen (Erschütterungen, Lichtimmissionen, optische Wahrnehmung der Flugzeuge und damit einhergehende Irritation sowie Aktivierung durch das Bewusstsein des erhöhten Absturzrisikos) tiefer Über- und Vorbeiflüge in unmittelbarer Flughafennähe erfasst (Beschwerdebegründung S. 15).
Rz. 12
Ihrer Meinung nach ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass nicht nur die zu erwartenden vorhabenbedingten Lärm- und Schadstoffimmissionen, sondern auch alle anderen nachteiligen Auswirkungen für die Nachbarschaft zumutbar seien, wenn feststünde, dass die Werte des § 2 Abs. 2 Satz 1 FluglärmG eingehalten würden. Die Kläger unterstellen dem Verwaltungsgerichtshof einen rechtlichen Standpunkt, den er nicht eingenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof versteht das Fluglärmschutzgesetz entgegen der Kritik der Kläger (Beschwerdebegründung S. 20) nicht als allgemeines Flughafennachbarschafts- und Überfluggesetz. Den Fragen, ob der Planfeststellungsbeschluss die von dem planfestgestellten Vorhaben ausgehenden Erschütterungen und Lichteinwirkungen sowie die von den Betroffenen geltend gemachte „erdrückende” visuelle Wirkung des Überflugs großer Flugzeuge in niedriger Höhe planerisch fehlerfrei bewältigt, hat er sich nicht unter Hinweis darauf entzogen, dass der Planfeststellungsbeschluss mit den Vorschriften des Fluglärmschutzgesetzes vereinbar ist, sondern hat sie gesondert und ohne Bezugnahme auf das Fluglärmschutzgesetz beantwortet (UA Rn. 537, 538 i.V.m. Rn. 577).
Rz. 13
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Verfahrensmängel, auf denen das angefochtene Urteil beruhen kann, sind entweder nicht dargelegt oder liegen nicht vor.
Rz. 14
a) Die Kläger werten als Verstoß gegen die Pflicht des Gerichts zur Erforschung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass der Verwaltungsgerichtshof ihren in der mündlichen Verhandlung am 9. Januar 2014 gestellten Beweisanträgen zur Gesamtwirkung der multiplen Belastungen nicht entsprochen hat (Beschwerdebegründung S. 25 f.). Ihre Rüge verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2014 mit der Begründung abgelehnt, dass es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen jedenfalls aus rechtlichen Gründen nicht ankomme, und die Begründung in den Urteilsgründen dahingehend vertieft, dass von Rechts wegen keine gesonderte rechtliche Würdigung der Gesamtwirkung multipler Belastungen – etwa mit der Konsequenz der Annahme von Sicherheitszuschlägen zu Grenzwerten hinsichtlich verschiedenartiger Immissionen – geboten sei (UA Rn. 585). Für einen Anspruch auf Einbeziehung in das Übernahmegebiet für Entschädigungsansprüche komme es allein darauf an, ob der Lärm von so hoher Einwirkungsintensität sei, dass das Wohngrundstück seine Wohnqualität einbüße oder der Grad einer Gesundheitsgefährdung erreicht werde (UA Rn. 581). Vor dem Hintergrund dieses maßgeblichen materiell-rechtlichen Standpunkts des Tatsachengerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 4 B 28.14 – juris Rn. 6 m.w.N.) ist die Ablehnung des Beweisantrags nicht verfahrensfehlerhaft. Dass der Verwaltungsgerichtshof den Beweisanträgen in den Urteilsgründen – für die Kläger dem Vernehmen nach überraschend (Beschwerdebegründung S. 29) – auch eine hinreichende tatsächliche Grundlage abgesprochen hat (UA Rn. 585), ist ohne Belang, weil die Ablehnung der Anträge mangels rechtlicher Erheblichkeit der behaupteten Tatsachen die Entscheidung selbständig trägt „Dessen ungeachtet …”).
Rz. 15
b) Einen weiteren Verstoß gegen § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO sehen die Kläger in der Ablehnung ihres Antrags, zum Beweis der bereits von Prof. Dr. Oh. sachverständig bekundeten Tatsache, dass bei Realisierung des planfestgestellten Vorhabens ihr Wohnanwesen einen Verkehrswertverlust von 70 % und ihre Mietwohnanlage einen Verkehrswertverlust von 55 % erfahre, ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen (Beschwerdebegründung S. 30). Die Rüge ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat einen Anspruch der Kläger auf eine Entschädigung für planbedingte Wertverluste ihrer Liegenschaften verneint, weil die Verluste unter der maßgeblichen Schwelle von 20 % lägen. Dass die Verluste nicht an diese Schwelle heranreichen oder darüber hinausgehen könnten, sei das übereinstimmende Ergebnis der Gutachten der Sachverständigen H. und O. (UA Rn. 608). Der Verwaltungsgerichtshof hat im Einzelnen dargelegt, warum er die Gutachten methodisch für überzeugend hält (UA Rn. 610 bis 615). Zur Anordnung weiterer Begutachtungen brauchte er sich nicht veranlasst zu sehen. Die Einholung zusätzlicher Sachverständigengutachten oder gutachterlicher Stellungnahmen liegt nach § 98 VwGO i.V.m. § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts. Dieses Ermessen wird nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn sich dem Gericht die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, weil die bereits vorliegenden Gutachten nicht den ihnen obliegenden Zweck erfüllen können, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (BVerwG, Beschluss vom 28. März 2013 – 4 B 15.12 – BauR 2013, 1248 Rn. 19). Dass diese Voraussetzungen hier gegeben waren, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Der Verwaltungsgerichtshof ist auf die unterschiedlichen Einschätzungen der Gutachter zur zukünftigen Entwicklung der Grundstückswerte eingegangen. Die Wertverluste, die Prof. Dr. Oh. für die Minderung der Verkehrswerte der klägerischen Immobilien prognostiziert, hält er für überhöht, weil in die Berechnung zum einen zu Unrecht noch nicht realisierte Marktchancen und Erwartungen an zukünftige Wertsteigerungen eingeflossen seien (UA Rn. 619) und zum anderen die Vergleichbarkeit der Grundstücke in der Ortslage Frankfurt-Lerchesberg, deren Preisentwicklung Prof. Dr. Oh. als Referenzgröße in Ansatz gebracht habe, mit den Grundstücken in F. zweifelhaft sei (UA Rn. 620). Die Kläger legen nicht dar, warum sich dem Verwaltungsgerichtshof trotz der im Kern identischen Einschätzungen der Sachverständigen H. und O. und der kritischen Würdigung der Untersuchung des Sachverständigen Oh. die Einschaltung eines weiteren Gutachtens zum Beweis ihrer Behauptung hätte aufdrängen müssen, ihr Wohnanwesen verliere durch das planfestgestellte Vorhaben 70 % und ihre Mietwohnanlage 55 % ihres Werts.
Rz. 16
Ihre Kritik, die Ablehnung des Beweisantrags sei überraschend, weil sie im Urteil auch auf Gründe gestützt werde, die in dem Ablehnungsbeschluss vom 18. Dezember 2013 nicht genannt seien (Beschwerdebegründung S. 34), führt nicht auf einen Gehörsverstoß. Es kommt nicht darauf an, ob die vom Gericht in der mündlichen Verhandlung gegebene Begründung fehlerhaft oder defizitär ist. Entscheidend ist vielmehr, ob – wie hier nicht – die Ablehnung des Beweisantrags durch keine prozessrechtlich tragfähige Argumentation zu rechtfertigen ist (Geiger, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 86 Rn. 32). Im Übrigen fehlt es an Vortrag dazu, welches Vorbringen den Klägern durch das von ihnen beanstandete Vorgehen abgeschnitten worden sein soll.
Rz. 17
c) Die Kläger beanstanden die Ablehnung ihrer Beweisanträge zur mangelnden Eignung der Gutachten H. und O., die Minderung der Verkehrswerte ihrer Baugrundstücke zutreffend zu erfassen (Beschwerdebegründung S. 34 bis 37). Die Gutachten hätten die Entwicklung der Verkehrswerte der weniger preissensiblen einfachen Einfamilienhäuser, Reihen- und Doppelhäuser unbesehen auf Luxusimmobilien und Mietwohnanlagen übertragen (Beschwerdebegründung S. 40). Auch hätten sie sich darauf beschränkt, nur den Einfluss von Lärmimmissionen auf die Wertentwicklung der Immobilien zu untersuchen, und eine Reihe weiterer wertrelevanter und nachteiliger Einflüsse (Wirbelschleppen, Lichtimmissionen etc.) ausgeblendet. Daher hätten sie für den Wertverlust, den die Kläger zu erwarten hätten, keine Aussagekraft. Das Gutachten O. habe für ihre Immobilien ferner deshalb keine Gültigkeit, weil es ein Berechnungsmodell mit einem Dauerschallpegel von maximal 62,3 dB(A) zugrunde lege, ihre Liegenschaften im Ausbaufall aber wesentlich höhere Lärmwerte zu erwarten hätten. Die Berechtigung all dieser Einwände hätte der Verwaltungsgerichtshof durch einen Sachverständigen feststellen lassen müssen. Auch diese Rügen greifen nicht durch.
Rz. 18
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in der mündlichen Verhandlung – nach eigener Einschätzung umfänglich – mit dem Thema befasst, ob mit dem Vorhaben entschädigungspflichtige Minderungen der Verkehrswerte der klägerischen Immobilien verbunden sind (UA Rn. 617). Er hat dies verneint, weil er der Einschätzung der Sachverständigen H. und O. zur Immobilienpreisentwicklung gefolgt ist. Der Gutachter H. hat die Immobilienpreisentwicklung auf der Grundlage der Auswertung von Verkaufsvorgängen in 23 Ortsteilen im Landkreis Erding, 27 Ortsteilen im Landkreis Freising und fünf Ortsteilen innerhalb der Großen Kreisstadt Freising in den Jahren 2003 bis 2009 im Rahmen einer Vergleichspreisanalyse eingeschätzt (UA Rn. 609) und sich bei seiner Vorgehensweise an den Vorschriften der Immobilienwertermittlungsverordnung vom 19. Mai 2010 (BGBl. I S. 639) orientiert (UA Rn. 610). Der Verwaltungsgerichtshof hat sich davon überzeugt, dass die Ausgangsdaten und die Untersuchungsmethodik keinen Bedenken ausgesetzt sind (UA Rn. 610). Zu Unrecht machen die Kläger geltend, dass die Vergleichspreisanalyse vorliegend eine ungeeignete Methode sei, weil nur die Preise von Grundstücken in die Analyse eingeflossen seien, die mit ihren Grundstücken nicht vergleichbar seien. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin (Beschwerdeerwiderung S. 19 f.), dass Prof. Dr. H. sowohl eine mehrgeschossige Bebauung, wie sie die Mietwohnanlage der Kläger darstellt, als auch eine Gebäudeausstattung bis zur Stufe „hervorragend ausgestattet” berücksichtigt hat (Gutachten vom 16. März 2010, S. 98, 102). Für alle Immobilien prognostiziert Prof. Dr. H. einen Wertverlust von deutlich unterhalb 20 % (UA Rn. 608). Das Gutachten O., welches auch der Qualitätssicherung dient und nach der mathematisch-statistischen Methode der Regressionsanalyse als einem Standardverfahren der empirischen Wirtschaftsforschung erstellt worden ist, kommt zu demselben Ergebnis und erwartet im Untersuchungsbereich Immobilienwertverluste im Bereich von 9,3 bis 12,3 % (UA Rn. 612). Die Kläger stellen weder die Methode noch deren Anwendung in Frage. Nach alledem musste sich der Verwaltungsgerichtshof nicht zur Einholung des vermissten Sachverständigengutachtens veranlasst sehen.
Rz. 19
Auch die Ablehnung der beiden weiteren Beweisanträge führt nicht auf einen Verfahrensfehler. Die Kläger legen entgegen § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO schon nicht dar, warum der Verwaltungsgerichtshof weiteren Sachverständigenbeweis hätte erheben müssen, obwohl die Gutachten H. und O. die Belastungen berücksichtigen, die neben dem Fluglärm für Verkehrswertverluste von Immobilien relevant sind (UA Rn. 615, 621), und sich die Gutachter zur Minderung des Verkehrswerts von Immobilien geäußert haben, die mit einem Lärm beaufschlagt werden, der einen Dauerschallpegel von 62,3 dB(A) überschreitet (UA Rn. 613, 623).
Rz. 20
d) Mit der zutreffend auf § 86 Abs. 1 und § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gestützten Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe den Sachverhalt „aktenwidrig” festgestellt, greifen die Kläger die Aussage des Verwaltungsgerichtshofs an (UA Rn. 620), die Ortslage Frankfurt-Lerchesberg sei im Zuge der Errichtung der Landebahn Nordwest erstmalig mit flughafeninduziertem Lärm belastet worden (Beschwerdebegründung S. 40). Die Rüge geht fehl. Die Rüge der Aktenwidrigkeit verlangt den schlüssigen Vortrag, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben, und zudem eine genaue Darstellung des Verstoßes durch konkrete Angaben von Textstellen aus den vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1999 – 4 BN 41.99 – juris Rn. 24). Diesen Anforderungen entspricht das Beschwerdevorbringen nicht. Die Kläger behaupten nicht, dass das von ihnen in das Verfahren eingeführte Gutachten G.10.1 Teil C, Anhang A.1-1, Tabellenblatt 2 von 6 der Planungsgemeinschaft BESB-Obermeyer vom 20. November 2006 zur Flughafenerweiterung Frankfurt die wörtliche Aussage enthält, der Stadtteil Frankfurt-Lerchesberg sei bereits vor der Errichtung der Landebahn Nordwest flughafeninduziertem Lärm ausgesetzt gewesen, sondern machen geltend, dass die auf den Ist-Zustand 2005 bezogenen Lärmwerte von 53,8 dB(A)tags und 49,1 dB(A)nachts, die das von ihnen im Schriftsatz vom 5. November 2013 (S. 6) in Bezug genommene Tabellenblatt 2 für Lerchesberg ausweist, nicht den Schluss rechtfertigen, die der Verwaltungsgerichtshof aus ihnen zieht. Die tatrichterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung ist der Rüge der Aktenwidrigkeit indes nicht zugänglich (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1999 a.a.O. Rn. 24).
Rz. 21
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Gatz, Dr. Külpmann
Fundstellen