Verfahrensgang
VG Leipzig (Aktenzeichen 1 K 1606/96) |
Tenor
Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 17. November 2000 wird zurückgewiesen.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 420 000 DM festgesetzt.
Gründe
Der Kläger wendet sich gegen die Rückübertragung seines Hausgrundstücks an den Beigeladenen nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen – VermG –. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, weil der Kläger das Grundstück redlich erworben habe und daher die Rückübertragung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ausgeschlossen sei.
Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (1) noch ist der vom Beigeladenen nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügte Verfahrensmangel erkennbar (2).
1. Der Beigeladene hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
„ob die Wahrnehmung zweier unterschiedlicher hoher Funktionen in unterschiedlichen Organen des Machtgefüges der DDR durch ein und dieselbe Person für den Erwerbsvorgang eine Indizwirkung dahin gehend hat, dass sich der Erwerber vom Vorwurf der Unredlichkeit beim Erwerbsvorgang gemäß § 4 Abs. 3 VermG befreien muss und insoweit die Beweislast trägt.”
Die Beantwortung dieser Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Da die Unerweislichkeit von Tatsachen auch im Vermögensrecht zu Lasten dessen geht, der aus ihnen für sich günstige Rechtsfolgen herleitet (Urteil des Senats vom 24. März 1994 – BVerwG 7 C 11.93 – BVerwGE 95, 289 ≪294≫), trifft die materielle Beweislast für die den Rückübertragungsausschluss begründende Redlichkeit des Erwerbs nach § 4 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 VermG grundsätzlich den Erwerber (grundlegend Beschluss des Senats vom 16. Oktober 1995 – BVerwG 7 B 163.95 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 22). Das bedeutet allerdings nicht, dass das Vermögensgesetz generell den Erwerber zwingen will, auf bloßes Bestreiten hin die Redlichkeit seines Erwerbs zu beweisen. Aus der Systematik des Gesetzes, das in § 4 Abs. 3 VermG lediglich Regelfälle der Unredlichkeit benennt, ansonsten aber davon absieht, den Begriff der Redlichkeit des Erwerbs näher zu bestimmen, ergibt sich vielmehr, dass der Gesetzgeber von einer Grundannahme der Redlichkeit ausgeht. Erst wenn diese Grundannahme erschüttert ist, weil greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine mögliche Unredlichkeit des Erwerbs bestehen, muss näher untersucht werden, ob der Erwerber auch redlich war. Erst in einem solchen Fall kommt eine Beweislastentscheidung zum Nachteil des Erwerbers in Betracht (vgl. Urteil des Senats vom 30. November 2000 – BVerwG 7 C 87.99 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Die vom Beigeladenen aufgeworfene Frage muss vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung dahin verstanden werden, ob der Umstand, dass ein Erwerber gleichzeitig zwei – unterschiedlich hohe – Funktionen in unterschiedlichen Organen des Machtgefüges der DDR wahrgenommen hat, als greifbarer Anhaltspunkt für seine Unredlichkeit im Sinne des § 4 Abs. 3 VermG angesehen werden muss. Diese Frage kann verneint werden, ohne dass es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Da allein die Eigenschaft eines Erwerbers als Funktionsträger noch nicht dessen Unredlichkeit beim Erwerb begründet, sondern insoweit die einzelfallbezogene Feststellung des gesetzlich geforderten manipulativen Elements beim Erwerbsvorgang erforderlich ist (Beschluss des Senats vom 2. April 1993 – BVerwG 7 B 22.93 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 1), setzt auch eine Beweislastentscheidung zu Lasten des Erwerbers voraus, dass nicht nur greifbare Anhaltspunkte für dessen persönliche Machtstellung vorhanden sind, sondern auch für eine Ausnutzung dieser Position. Dabei liegt es auf der Hand, dass auf solche konkreten Hinweise für eine anstößige Einflussnahme auf das Erwerbsgeschäft nicht allein deswegen verzichtet werden kann, weil der Erwerber gleichzeitig mehrere Funktionen im Staatsapparat innehatte.
2. Ebenso wenig ist ein Verfahrensmangel erkennbar, der zum Erfolg des Rechtsbehelfs nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führt. Der Beigeladene wirft dem Verwaltungsgericht vor, es habe seine Pflicht zur Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, weil es nicht hinreichend erforscht habe, ob und auf welche Weise der Grundstückserwerber seine Funktionen zur Manipulation des Rechtsgeschäfts ausgenutzt habe. Konkret beanstandet der Beigeladene in diesem Zusammenhang, dass es das Verwaltungsgericht unterlassen habe, sich nach der ersten Anfrage im Jahre 1994 erneut an den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes zu wenden. Da der Beigeladene keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, läge eine Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO nur vor, wenn sich dem Gericht eine solche Anfrage hätte aufdrängen müssen. Das ist nicht der Fall; denn dafür, dass der Bundesbeauftragte zwischenzeitlich neue Erkenntnisse über den Grundstückserwerb des Klägers gewonnen hatte, gab es keinerlei konkrete Anhaltspunkte.
Soweit der Beigeladene mit seiner Beschwerde die Kopie einer Mitteilung des Stellvertreters des Oberbürgermeisters der Stadt Leipzig aus dem Jahre 1983 vorlegt, aus der sich ergeben soll, dass der Kläger eigennützig Einfluss auf den Grundstückserwerb genommen hat, und daraus ein Ermittlungsdefizit des Verwaltungsgerichts ableiten will, legt er nicht dar, auf welche Weise das Gericht Kenntnis von diesem Schreiben und Zugang zu ihm hätte bekommen können. In dieser Hinsicht fehlt es bereits an der hinreichenden Bezeichnung eines Sachaufklärungsmangels.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gödel, Kley, Neumann
Fundstellen