Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Beschluss vom 14.10.2022; Aktenzeichen 12 B 21.2051) |
VG Augsburg (Urteil vom 02.10.2018; Aktenzeichen Au 8 K 18.633) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 68 000 € festgesetzt.
Gründe
I
Rz. 1
Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer Gemeinschuldnerin, die von 1971 bis 1992 Ablagerungen auf ihr nicht gehörenden Grundstücken vorgenommen hat. Der Beklagte setzte ihr gegenüber Nachsorgepflichten unter Androhung von Zwangsgeldern fest. Nach der Bestellung des Klägers zum Insolvenzverwalter stellte der Beklagte fest, dass die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Gemeinschuldnerin zur Durchführung aller im Rahmen der abfallrechtlichen Deponienachsorge erforderlichen Maßnahmen als Masseverbindlichkeiten eingestuft werden, und setzte Zwangsgelder für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtungen der Gemeinschuldnerin gegenüber dem Kläger fest.
Rz. 2
Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts und den angegriffenen Bescheid aufgehoben. Nachsorgepflichten eine Deponie betreffend könnten einen Insolvenzverwalter nur treffen, wenn er selbst die Deponie betreibe oder betrieben habe. Das sei nicht der Fall, wenn der Insolvenzverwalter die Deponie nach Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis sofort stilllege, oder wenn - wie hier - die Deponie zu diesem Zeitpunkt bereits stillgelegt sei.
Rz. 3
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen seinen Beschluss nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.
II
Rz. 4
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 5
Die Rechtssache hat nicht die ihr vom Beklagten beigemessene grundsätzliche Bedeutung.
Rz. 6
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ≪91≫ und vom 7. Oktober 2022 - 7 B 6.22 - juris Rn. 5). Daran fehlt es hier.
Rz. 7
1. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
ob eine Deponie (§ 3 Abs. 27 KrWG; § 3 Abs. 10 KrW-/AbfG) außerhalb ihrer Betriebsphase einschließlich der Stilllegungsphase, insbesondere in der Nachsorgephase, einen Betreiber in Gestalt eines Insolvenzverwalters haben kann,
hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie für die Entscheidung des Berufungsgerichts ohne Bedeutung war. Denn das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger die Deponie nicht betrieben hat. Ob er sie hätte betreiben können, ist daher unerheblich.
Rz. 8
Sollte die Frage in dem Sinne zu verstehen sein, ob einen Insolvenzverwalter Nachsorgepflichten des Gemeinschuldners bezüglich einer stillgelegten Deponie treffen, so ist diese Frage bereits höchstrichterlich geklärt.
Rz. 9
Danach ist der Begriff des Betreibers einer Deponie synonym mit demjenigen des Inhabers bzw. bei mehreren Inhabern des letzten Inhabers. Der Betreiber einer Deponie haftet auch für die sogenannten Nachsorgepflichten. Die Verantwortlichkeit des letzten Betreibers für die Erfüllung der Nachsorgepflichten beruht darauf, dass der Gesetzgeber die Pflichten des Betreibers nicht mit der Einstellung des Betriebs enden lässt. Sie knüpft an seine Betriebsführung an und stellt sich infolgedessen aus ordnungsrechtlicher Sicht als Verhaltenshaftung des Betreibers dar. Die Nachsorgepflicht ist somit untrennbar mit dem Betrieb der Deponie verbunden. Sie geht dann nicht auf einen Insolvenzverwalter über, wenn er die Deponie nicht selbst betreibt, sondern sogleich nach Erhalt der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis stilllegt (BVerwG, Urteil vom 31. August 2006 - 7 C 3.06 - BVerwGE 126, 326 Rn. 12 f., zur Gesamtvollstreckung und in Bezug auf § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG; vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 7 B 12.10 - NVwZ-RR 2010, 759 Rn. 14). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für § 40 Abs. 2 KrWG, der im Wortlaut § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG entspricht.
Rz. 10
Der Verordnungsgeber hat diese Grundsätze in der Deponieverordnung vom 27. April 2009 (BGBl. I S. 900) übernommen, indem er im damaligen § 2 Nr. 12 den Deponiebetreiber als natürliche oder juristische Person, die die rechtliche oder tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Deponie innehat oder die die Betriebsführung wahrnimmt, definiert hat (vgl. BT-Drs. 16/10330 S. 54). Der spätere Wegfall des Zusatzes "oder die Betriebsführung wahrnimmt" durch die Verordnung vom 17. Oktober 2011 (BGBl. I S. 2066) hatte lediglich den Zweck, Personen mit einzubeziehen, die im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags durch den Deponiebetreiber beauftragt werden (BT-Drs. 17/6641 S. 17).
Rz. 11
2. Der weiter von der Beschwerde für rechtsgrundsätzlich gehaltenen Frage,
ob für das "Betreiben" einer Deponie durch einen Insolvenzverwalter im Sinne von dessen ordnungsrechtlicher Verhaltenshaftung ausreichend ist, wenn er mit der Behörde, die bestandskräftige öffentlich-rechtliche Verpflichtungen des Schuldners als Masseverbindlichkeit ansieht, über eben diese Verpflichtungen verhandelt und diesbezüglich ein Vergleichsangebot macht,
kommt ebenfalls keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu.
Rz. 12
Unter "Betriebsführung" ist auch im abfallrechtlichen Kontext regelmäßig ein Tätigwerden im eigenen Namen, für eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung zu verstehen. Ungeachtet dessen ist die Frage, wer im Einzelfall Betreiber ist, nicht allein nach formalen rechtlichen Gesichtspunkten, sondern unter Berücksichtigung der rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Einzelfallumstände zu beurteilen (BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 7 B 12.10 - NVwZ-RR 2010, 759 Rn. 15). Eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Frage ist aber einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
Rz. 13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
DStR 2024, 54 |
NZI 2023, 726 |
NZI 2024, 43 |
ZInsO 2023, 1991 |
UPR 2023, 396 |
ZRI 2023, 708 |