Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 13.11.2002; Aktenzeichen 1 UE 1490/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. November 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 31 286,61 € (entspricht 61 191,30 DM) festgesetzt.
Gründe
Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Ihr Vorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision aus keinem der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe.
Zu Unrecht rügt die Klägerin als Verletzung des rechtlichen Gehörs, der Verwaltungsgerichtshof übergehe ihren Vortrag, “wonach die angegriffene Entscheidung des Landes ausschlaggebend allein auf der Ablehnung einer Kostenbeteiligung durch den Bund beruht”. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof den Berufungsvortrag der Klägerin dahin wiedergegeben, “es sei schließlich nicht zu einer Einigung der Länder mit dem Bund über Anordnungen nach § 32a AuslG gekommen, weil einzelne Länder eine Vereinbarung davon abhängig gemacht hätten, dass der Bund die Hälfte der Aufnahmekosten trage, wozu er nicht bereit gewesen sei”. Ebenfalls zu Unrecht hält die Klägerin dem Verwaltungsgerichtshof vor, er gehe auf die Verknüpfung von Finanzierungsentscheidung des Bundes und Kostenerstattungsablehnung des Landes nicht ein und blende diesen aus der Sicht der Klägerin entscheidenden Aspekt aus. Vielmehr ist im Berufungsurteil ausdrücklich ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach § 4 HessFlüchtlAufnG nicht erfüllt seien, “da … keine Aufenthaltsbefugnisse aufgrund einer Anordnung nach § 32a des Ausländergesetzes (in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 1993, BGBl I S. 1062 – AuslG –) erteilt worden sind”, und dass die Länder bereit gewesen seien, “Anordnungen nach § 32a AuslG hinsichtlich der Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina nur dann zu erlassen, wenn der Bund die Hälfte der Kosten trägt”, was er, wie unstreitig feststeht, nicht getan hat.
Die Gehörsrüge, der Verwaltungsgerichtshof habe das von der Klägerin “wiederholt angesprochene Urteil des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen (NVwZ 1997, 793) völlig ignoriert”, verkennt, dass das Gericht in den Entscheidungsgründen nicht auf jeden Vortrag des unterliegenden Beteiligten eingehen muss. In ihrer Beschwerdebegründung zeigt die Klägerin keinen Satz aus dem genannten Verfassungsgerichtsurteil auf, der für den vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung sein könnte. Zum einen betraf dieses Urteil, anders als der Streitfall, die Kostentragung für den Gemeinden durch ein gesondertes Gesetz übertragene Aufgaben, zum anderen ist darin ausgeführt, das Land sei nicht notwendig zu einer “gesonderten Kostenregelung” verpflichtet.
Die Divergenzrügen der Klägerin rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. Beschlüsse vom 4. Oktober 1999 – BVerwG 1 B 55.99 – ≪NVwZ 2000, 193≫, vom 5. Januar 2001 – BVerwG 4 B 57.00 – ≪NVwZ-RR 2001, 422≫ und vom 20. Februar 2002 – BVerwG 9 B 63.01 – ≪NVwZ 2002, 1235≫) liegt eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2, § 133 VwGO nur dann vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht. Die Begründung für eine solche Abweichung muss deshalb den die Entscheidung des Berufungsgerichts tragenden abstrakten Rechtssatz angeben und aufzeigen, dass und inwiefern er von einem in der Rechtsprechung der genannten Bundesgerichte in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht (BVerwG, Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – ≪NVwZ-RR 1996, 712≫ und vom 9. Juni 1999 – BVerwG 11 B 47.98 – ≪NVwZ 1999, 1231≫). Die Klägerin bezeichnet zwar Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts und führt daraus Rechtssätze an, sie benennt aber keinen diesen widersprechenden Rechtssatz aus dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs. Der Vorwurf der Klägerin, das Berufungsgericht habe die angeführte Rechtsprechung der Bundesgerichte nicht beachtet, insbesondere das Willkürverbot verletzt (“Die … Divergenz-Rügen betreffen den … Vorwurf einer gleichheitswidrigen, willkürlichen Auslegung landesrechtlicher Bestimmungen”; “Dies verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG und ist willkürlich”; “… verletzt dies … den Grundsatz der interkommunalen Gleichbehandlung und ist offenbar willkürlich”), ist lediglich die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung, bezeichnet aber keine Divergenz (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. Januar 2001 – BVerwG 4 B 57.00 – ≪a.a.O.≫, vom 20. Juni 2001 – BVerwG 4 BN 21.01 – ≪NVwZ 2002, 83, 86≫ und vom 20. Februar 2002 – BVerwG 9 B 63.01 – ≪a.a.O.≫).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Frage, ob “es gegen den Grundsatz des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG) i.V.m. der sachangemessenen Finanzausstattung der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG) (verstößt), wenn eine landesgesetzlich mögliche Kostenerstattung für die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen ursächlich wegen einer finanzpolitischen Entscheidung des Bundes (die in dessen freiem Ermessen steht) abgelehnt wird”, nicht im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzlich klärungsbedürftig. Denn diese Frage stellte sich in einem Revisionsverfahren nicht. Zwar mag es im Tatsächlichen sein, dass es wegen einer finanzpolitischen Entscheidung des Bundes nicht zu einer Anordnung nach § 32a AuslG in Bezug auf die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina gekommen ist; rechtlich ist aber für den von der Klägerin geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch allein entscheidend, ob eine solche Anordnung vorgelegen hat oder nicht. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 4 HessFlüchtlAufnG setzt Aufwendungen voraus, die “durch die Aufnahme und Unterbringung von Personen nach § 1 entstehen”. Daran fehlt es – auch von der Klägerin nicht bestritten –, denn der Familie D…, um deren Aufnahme- und Unterbringungskosten der Erstattungsstreit geführt wird, ist unstreitig nicht – worauf die hier allein einschlägige Alternative der Nummer 6 des § 1 Abs. 1 Satz 1 des genannten (Landes-)Gesetzes abstellt – “auf Anordnung der obersten Landesbehörde nach § 32a AuslG eine Aufenthaltsbefugnis erteilt” worden; vielmehr hat sie die Ausländerbehörde aufgrund von Erlassen des Hessischen Innenministeriums nach §§ 54 und 55 AuslG geduldet. Für Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlinge, deren Abschiebung wie hier nach §§ 54 und 55 AuslG ausgesetzt war, bestimmt das Hessische Gesetz über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge aber weder in § 1 eine Verpflichtung der Landkreise und Gemeinden, diese aufzunehmen und unterzubringen, noch in § 4 eine auf Aufwendungen für deren Aufnahme und Unterbringung bezogene Kostenerstattung. Dass verfassungsrechtlich eine Kostenerstattung für Bürgerkriegsflüchtlinge unabhängig von einer Anordnung nach § 32a AuslG geboten sei, behauptet die Klägerin zwar, indem sie geltend macht, § 1 Abs. 1 Nr. 6 HessFlüchtlAufnG sei verfassungskonform dahin zu verstehen, dass er auch gelte, wenn zwar keine Anordnung nach § 32a AuslG vorliege, aber dessen Tatbestandsvoraussetzungen zu bejahen seien. Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ist der Verwaltungsgerichtshof aber nicht ausgegangen. So hält ihm die Beschwerde gerade vor, er habe in Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 32a AuslG erfüllt gewesen seien. Grundsätzlich klärungsbedürftig ist diese Frage aber nicht, denn auch nach Auffassung der Klägerin “ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Landesgesetzgeber bei der Kostenerstattung für Bürgerkriegsflüchtlinge an eine bundesrechtliche Vorgabe – nämlich § 32a AuslG – anknüpft”.
Auch der Beschwerdevortrag in den Schriftsätzen vom 22. und 24. Januar 2003 kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Soweit dort erweiternd Divergenz behauptet wird, fehlt es wiederum an der Gegenüberstellung einander widersprechender Rechtssätze. Die Rügen, das angefochtene Urteil verstoße gegen das Willkürverbot und beachte die angegebenen Judikate der Bundesgerichte nicht, reichen, wie oben ausgeführt, zur Bezeichnung einer Divergenz nicht aus. Die ergänzend als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichneten Fragen – “Folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG und dem vom BVerwG hieraus abgeleiteten Grundsatz der interkommunalen Gleichbehandlung … auch die Verpflichtung der Länder, ihre Gemeinden willkürfrei zu behandeln? Kann sich bei einer Pflichtverletzung des Landes die betroffene Kommune auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen?” – sind nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Zum einen können sie ohne weiteres bejaht werden, zum anderen hat das Berufungsgericht mit seiner Feststellung, “dass der Gesetzgeber mit seiner Regelung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen hat”, streitfallbezogen Willkür verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1 und 3 GKG. Nach § 194 Abs. 5 VwGO ist auf das nach dem 31. Dezember 2001 anhängig gewordene Beschwerdeverfahren § 188 Satz 2 VwGO in seiner jetzt geltenden Fassung anzuwenden.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Rothkegel
Fundstellen