Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Beschwerdeführerin, eine kreisfreie Stadt in Hessen, wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, in denen ein Anspruch gegen das Land auf Erstattung von Sozialhilfeleistungen, die die Stadt an geduldete Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina erbracht hatte, abgelehnt worden ist.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht gegeben ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu, und sie dient auch nicht der Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten der Beschwerdeführerin, denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. a) Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) rügt. Dieses grundrechtsähnliche Recht gilt auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts (Art. 19 Abs. 3 GG), denn die durch die so genannten Justizgrundrechte garantierten objektiven Verfahrensgrundsätze müssen gegenüber jedem an einem Gerichtsverfahren Beteiligten eingehalten werden. Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts können eine vermeintliche Verletzung dieser Rechte mit der Verfassungsbeschwerde geltend machen (vgl. BVerfGE 6, 45 ≪49 f.≫; 13, 132 ≪139≫; 21, 362 ≪373≫; 61, 82 ≪104≫; 75, 192 ≪200≫).
b) Die Verfassungsbeschwerde ist aber insoweit unbegründet. Der Beschwerdeführerin ist rechtliches Gehör nicht vorenthalten worden. Sie sieht eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG darin, dass das Bundesverwaltungsgericht den Vortrag unbeachtet gelassen habe, die finanzpolitische Entscheidung des Bundes, sich nicht an den Kosten der Flüchtlingsaufnahme zu beteiligen, komme für das Land als sachlicher Grund nicht in Betracht, für diese Flüchtlinge, anders als für andere, eine Kostenerstattung auszuschließen.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die befassten Richter, die für die Entscheidung erheblichen Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden (stRspr; zuletzt BVerfGE 96, 205 ≪216 f.≫). Namentlich bei letztinstanzlichen, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Entscheidungen ist die Bescheidungspflicht begrenzt, wenn nur der wesentliche Kern des Tatsachenvortrages eines Beteiligten, der für das Verfahren von zentraler Bedeutung und nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts entscheidungserheblich ist, in den Entscheidungsgründen erwogen wird (vgl. BVerfGE 86, 133 ≪146≫). Nur wenn sich klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (stRspr; zuletzt BVerfGE 85, 386 ≪404≫).
Den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem angegriffenen Beschluss ist zu entnehmen, dass es den fraglichen Vortrag der Beschwerdeführerin erwogen hat. Es hat ausgeführt, dass es nach seiner Auffassung allein darauf ankomme, ob eine Anordnung nach § 32a Abs. 1 AuslG ergangen sei, nicht aber darauf, weshalb sie unterblieben sei. Dass die aufnehmende Gemeinde für einen Bürgerkriegsflüchtling nur deshalb keine Kostenerstattung nach § 4 Abs. 1 HessFlüchtlAufnG erhalte, weil nicht eine Anordnung nach § 32a AuslG ergangen, sondern eine Duldung erteilt worden sei, hat das Bundesverwaltungsgericht mit einem Hinweis auf die im Falle einer Duldung fehlende Aufnahmepflicht nach § 1 Abs. 1 HessFlüchtlAufnG erörtert. Zu dieser Differenzierung, die sich aus dem Gesetz ergebe, hat das Bundesverwaltungsgericht auf das Berufungsurteil verwiesen, das Willkür verneint habe. Damit ist ausreichend deutlich dargelegt worden, dass das Bundesverwaltungsgericht die von der Beschwerdeführerin beanstandete Ungleichbehandlung erkannt, aber durch die Verschiedenheit der geregelten Sachverhalte für gerechtfertigt gehalten hat.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit die Beschwerdeführerin sich auf Art. 3 Abs. 1 GG beruft und einen Verstoß gegen das Willkürverbot rügt. Insoweit ist die Beschwerdeführerin nicht antragsberechtigt, weil sie nicht behaupten kann, in einem ihr zustehenden Grundrecht verletzt worden zu sein (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG). Für eine Gemeinde gilt das Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnimmt (Art. 19 Abs. 3 GG). Der Gleichheitssatz, in dem ein allgemeiner Rechtsgrundsatz zum Ausdruck kommt und aus dem das Willkürverbot folgt, beansprucht objektiv auch Geltung für die Beziehungen innerhalb des hoheitlichen Staatsaufbaus. Das Willkürverbot gilt hier auf Grund des Rechtsstaatsprinzips. Es kommt als Prüfungsmaßstab bei der Normenkontrolle nach Vorlage durch ein Gericht (Art. 100 Abs. 1 GG) oder im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG in Betracht; Grundrechtsschutz besteht hingegen nicht (vgl. BVerfGE 21, 362 ≪372≫; 23, 12 ≪24≫; 23, 353 ≪372 f.≫; 25, 198 ≪205≫; 26, 228 ≪244≫; 35, 263 ≪271 f.≫; 76, 130 ≪139≫; 89, 132 ≪141≫).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 1248473 |
NJW 2005, 967 |
NVwZ 2005, 82 |
FuHe 2005, 423 |
LL 2005, 254 |